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RE RA * e . 13. Die Rebellen von Hochſtraaten. 1601 bis 1604. Die Empörungen unter den ſpaniſchen Truppen, welche einen charakteriſtiſchen Zug in der Phiſiogno— mie des gegenwärtigen Kriegs abgeben, waren in den früheren Jahren desſelben nur vorübergehende Erſcheinungen geweſen. Seit dem Tode des Herzogs von Parma aber nahm das Übel täglich zu, und hör— te faſt nie mehr auf. Die Regierung befand ſich nicht in der Lage gewaltſame Maßregeln dawider treffen, und durch abſchreckende Beyſpiele der Strenge, den Übermuth der Aufrührer bändigen zu konnen. Denn theils fehlte es ihr bey der fehlerhaften Staatsöbko— nomie an Mitteln, die gerechten Forderungen des Soldaten zu befriedigen, theils gab es auch keinen Alba und Farneſe im ſpaniſchen Heere, deſſen großes Anſehen ihm imponirt hätte. Die Aufrührer, wie weit ſie auch ihre Frechheit getrieben haben mochten, waren gewiß immer Verzeihung zu erhalten, und die Regierung, welche ihrer bedurfte, nahm willig ihre ſcheinbare Unterwerfung an, die gewöhnlich nur ſo lange dauerte, bis ein neuer Umſtand ihren Unwil⸗ len aufs Neue reitzte. So verſchwand nach und nach a Ge die alte berühmte ſpaniſche Disciplin, welche dieſes Militär einſt ſo furchtbar machte, bis auf die letzte Spur; der Geiſt der Widerſetzlichkeit bemächtigte ſich aller Corps, und von jetzt an waren Strenge und Milde gleich unwirkſam gegen die Exploſionen, wel— che er veranlaßte. Die Regierungsgeſchichte der bey— den Erzherzoge iſt reich an Beyſpielen, welche dieſe Erfahrung beſtätigen, und jetzt ſtellt ſich uns ſogar die außerordentliche Erſcheinung dar, daß ein Corps mißoergnügter Soldaten ſich durch eigene Geſetze, und eine ſelbſtgegebene Conſtitution zu einem förmlichen kleinen militäriſchen Staate bildet, wider feinen Herrn in Verbindung mit den übrigen Feinden desſelben, die Waffen ergreift, und erſt nach einer mehrjähri— gen Inſurrection freywillig, und auf ſelbſtdictirte Be— dingungen wieder in die alten Verhältniſſe eintritt. Die Regierung der gehorchenden niederländiſchen Provinzen, hatte zwar die empörten Soldaten von Dieſt durch die Auszablung einer Summe von 960000 Ducaten für eine kurze Zeit beruhigt, und ſie dadurch zu einer kräftigen Mitwirkung bey der Befreyung Flanderns von der feindlichen Invaſlon beſtimmt. Aber dieſes Palliativmittel, weit entfernt das Übel zu heilen, bewirkte nur neue und gefähr— lichere Ausbrüche desſelben. Der erſte erfolgte unter den walloniſchen Beſatzungen in den Schanzen um Oſtende, welche ſich ſo ſehr vergingen, daß ſie ihre Befehlshaber tödteten und verwundeten. Die Be— ſorgniß, ſie möchten in die Dienſte der General— ſtaaten treten, welche ihnen große Verſprechungen machten, hielt den Erzherzog ab, dieſe Verbrechen . zu rügen, und er bewog die Aufrührer durch die Bes willigung vortheilhafter Bedingungen, daß ſie ſich nach Winoxbergen verlegen ließen. Die Beſatzung zu Herenthals rebellirte ebenfalls, und die Regierung verglich ſich mit ihr und den übrigen inſurgirten Corps dahin, daß fie die Stadt und das Schloß Weerd zu ihrem Aufenthalt wählten, von wo aus ſie Mord und Plünderung über das benachbarte jülicher und lütticher Gebieth verbreiteten. Vergebens klagten die gemißhandelten Einwohner dieſer Länder zu Brüſſel; ſie wurden nicht gehört, denn man hielt es dort für einen Gewinn, einen Theil des Kriegsvolks auf fremde Koſten ernähren zu können. Zu derſelben Zeit brach auch unter den Matro— ſen zu Antwerpen eine Empörung aus. Sie ſperrten die Schelde und hielten dadurch Antwerpen gleichſam blockirt, bis der an ſie abgeſchickte Graf von Aremberg die Rottirer durch die Bezahlung eines Theils ihrer rückſtändigen Forderungen, wozu die Fonds von der Stadt aufgebracht wurden, beruhigte. | Dieſe Vorfälle, welche ſich im Jahre 1601 er: eigneten, waren gleichſam nur das Vorſpiel einer weit wichtigeren Empörung, welche im folgenden Jahre unter demjenigen Theil des Heers ausbrach, mit welchem der Admiral Mendoza zum Entſatz der von dem Prinzen Moriz belagerten Stadt Grave an die Maas gerückt war. Dieſe Truppen erhielten we— nigen oder gar keinen Sold, worüber beſonders die älteren, vom Geiſte der Widerſpenſtigkeit belebten Soldaten, die bitterſten Klagen führten, und ſelbſt in Drohungen ihren Unmuth ergoſſen. Die Vorſtellungen men 8 — des Admirals machten keinen Eindruck auf ſie, denn er ward wenig geachtet von den Soldaten, die ihn feiner Bigotterie wegen, gewöhnlich El gran Capitan del Rosario nannten. Die bey feinem Heere ſtehen— den neugeworbenen Stahtaner und Burgunder, gingen in großen Haufen davon. Beſonders war die Deſer— tion ſehr ſtark bey den erſteren, deren vornehmſte Oberſten, Theodor Trivulzio, Alfonſo Davalos, Ferdinand Cariglia und andere ſelbſt das Heer ver— ließen, weil ſie vom Kriegsrath ausgeſchloſſen wur— den. Ein Corps der Aufrührer von 1000 bis 1200 Mann zu Fuß und zu Pferde, brach nach Hamont auf. Mendoza ſetzt ihnen ſogleich mit einer zahlreicheren Mannſchaft nach, und zwingt das Fußvolk ſich ihm zu ergeben. Die Reiter aber entkommen in das Schloß Hochſtraaten bey Breda, deſſen Beſatzung ſie mit of⸗ fenen Armen empfing. Bald folgten ihnen mehrere ih— rer Kameraden dahin, und die Frequenz in dieſem Schloſſe ward in kurzem ſo groß, daß die Rebellen zur Erhaltung der Ordnung für nöthig fanden, ſich eine förmliche, auf geſetzliche Formen gegründete Con— ſtitution zu geben. Sie organiſirten ſich in ein ge— ſchloſſenes Corps, welches ſich die Schwadron nannte; wählten aus ihrer Mitte vier Eletto's: den Spanier Rodrigo, den Italiäner Federico, und die Niederlän— der Thomas Filler und Perpauken; nahmen ein eige— nes Siegel und Wappen an, welches ſieben durchein— ander verſchlungene Schlangen mit ausgereckten Kö— pfen darſtellte, und unterwarfen ſich ſtrengen Geſe— gen und einer pünctlichen Ordnung. Keiner ward von wen Q mem ſetzt an in die Schwadron aufgenommen, der nicht Zeugniſſe eines guten Wandels beybringen konnte; auf Entweichung ſtand der Strang, auf Diebſtahl die Kugel, und wer ohne Befehl auf dem platten Lande plünderte, der ward als ein Dieb behandelt und beftraft; keiner Frau war verſtattst, zu ihrem Manne auf das Schloß Hochſtraaten zu kommen, ſie mußten in dem Flecken bleiten, wo die Reiter lagen, und wo ſie von ihren Männern beſucht werden konn— ten. Die Verfaſſung ſelbſt war rein democratiſch, denn die Eletto's konnten keinen Beſchluß faſſen, und zue Vollziehung bringen, ohne Einwilligung ſommtlicher Individuen der Verbrüderung. Der Erzherzog, welcher damahls mit der Bela— gerung von Oſtende beſchäftigt war, brachte durch Geld und große Verſprechungen die treu gebliebenen Soldaten dahin, daß ſie zuſagten, die Rebellen be— kämpfen zu wollen; zugleich wurden die Bauern auf— gefordert, ſich gegen ſie zu bewaffnen, und endlich ward beſchloſſen, ſie in Hochſtraaten förmlich zu bela— gern, da Vorſtellungen, Bitten und Drohungen gleich fruchtlos blieben. Die Schwadron rüſtete ſich, Gewalt mit Gewalt abzutreiben, und ward auf ihr Verlangen von den vereinigten Niederländern, denen der neue Feind ihrer Gegner ſehr willkommen war, mit Lebensmitteln, Munition und Geſchütz unterſtützt. Der Verluſt von Grave, welches an den Prinz Mo— riz überging, und verſchiedene andere Rückſichten hiel— ten jedoch den Erzherzog ab, den gedroheten Angriff auf Hochſtraaten zur Ausführung zu bringen. Dage— gen erließ er von Dieſt aus (1602 11. September) 1 10 ANA ein Manifeſt, worin die Rebellen, wenn fie nicht binnen drey Tagen zu ihrer Pflicht und unter ihre Fahnen zurückkehren würden, für Schelme und Ver— räther, und mit Weib und Kind in die Acht und ih— res Vermögens verluſtig erklärt, und denen, die ei— nen von ihnen umbrächten, Prämien von 10 bis 500 Kronen, nach dem Range des Getödteten, ver— ſprochen wurden. — Dieſe Achtserklärung blieb jedoch ohne Erfolg, und weit entfernt, die Aufrührer zur Nachgiebigkeit zu bewegen, vermehrte ſie nur noch ihre Frechheit, beſonders da ihre Anzahl täglich durch neue Ankömm— linge vermehrt ward, ſo daß die Schwadron in kur— zer Zeit aus 1000 Reitern und 2000 Mann zu Fuß, lauter alten verſuchten Soldaten, beſtand. Sie beant⸗ worteten die Achtserklärung durch eine öffentliche Apo— logie ihres Verfahrens, worin der Erzherzog ſelbſt nicht geſchont ward. Er erlaube ſich, hieß es unter andern darin, einen königlichen Aufwand während die Kriegsleute Hungers ſterben müßten. Was übri— gens die ihnen angedroheten Strafen betreffe, ſo würden ſie dagegen theils in ihrer Armuth, theils in ihren Waffen Sicherheit finden, und ſie würden die letzteren dergeſtalt zu gebrauchen wiſſen, daß keiner die auf ihre Köpfe geſetzten Prämien verdienen ſolle. Vergebens unternahm der papſtliche Nuntius zu Brüſ— ſel, Ottavio Frangipani, fie zum Gehorſam zurück zu bringen; begab ſich ſelbſt verſchiedene Mahl nach Hochſtraaten, ermahnte fie zur Ruhe und that ihnen Vorſchläge zu einem Vergleich mit der Regierung. Sie wollten von keinen Vorſchlägen hören, verſpra⸗ Sr Be a chen aber dem katholiſchen Glauben treu zu bleiben und fuhren fort Contributionen und Brandſchatzungen ſelbſt von neutralen Ländern einzutreiben. Über ganz Brabant und bis in die ſüdlichen Provinzen dehnten ſie ihre Streifzüge aus, brannten verſchiedene Dör— fer nieder, und ſtießen ſie zuweilen auf Detaſche— ments der Treugebliebenen, fo wurden dieſe entwaff⸗ net oder überredet ihre Partey zu nehmen. Der Erzherzog ſah ſich außer Stande, dem Un— weſen zu ſtenern, weil der größte Theil ſeiner Macht vor Oſtende feſtgehalten ward. Erſt im folgenden Jahre, (1605) als er neue Truppenverſtaͤrkungen aus Spanien, Italien, Deutſchland und Lothringen an ſich gezogen hatte, konnte er zur Anwendung ſtrengerer Maßregeln ſchreiten. Jetzt (Jul.) ertheilte er dem Feldmarſchall, Grafen Friedrich von Berg, Be— fehl, ein Corps von 7000 Mann zuſammen zu zie— hen, die Rebellen, welche eben die Stadt Joudoigne in Beſitz genommen und Namur angezündet hatten, in Hochſtraaten zu belagern, und alle, deren er ſich bemächtigen könnte, niederhauen zu laſſen. Auf die Nachricht von dieſer Verfügung, beſchloß das Rebel— lencorps in eine nähere Verbindung mit den verei— nigten Niederländern zu treten, wozu Prinz Moriz ſie ſchon feüher aufgefordert hatte. Sie machten dem Prinzen ihre Wünſche bekannt, und es kam zu einer förmlichen Allianz zwiſchen beyden Theilen. Die Re— publik fagte der Schwadron ihren Beyſtand zu, wor gegen ſich die Rebellen verpflichteten, mit den nieder— ländiſchen Truppen wider den gemeinſchaftlichen Feind zu fechten, jedoch unter der Bedingung, daß es ihnen 12 wu erlaubt ſey, mit ihren Gefangenen nach Gutbefin— den zu verfahren, weil der. Erzherzog das Rebellen— corps außer dem Geſetz und für Überläufer erklärt hatte, weßhalb die Mitglieder desſelben, welche den Spaniern in die Hände ſielen, auch nicht hoffen dürf— ten, nach Kriegsgebrauch behandelt zu werden. Im Erntemonath rückte der Graf von Berg vor Hochſtraaten. Achthundert Mann von der Schwa— dron vertheidigten das Schloß; andere 1500 Mann zu Fuß und 1000 Reiter ſtießen zum Prinzen Mo— riz, der an der Spitze von 15000 Mann nach Hoch— ſtraaten zog, den feindlichen Feldherrn anzugreifen. Doch der Graf erwartete den Angriff nicht. Er hob die angefangene Belagerung des Schloſſes auf, (10. Auguſt) und zog ſich vor der Übermacht zurück. Nach dem Abzuge der Feinde ritt Prinz Moriz, nur von ſie— ben Perſonen begleitet, in das Lager der Rebellen, reichte ihren Häuptern freundlich die Hand, und un— terredete ſich eine Zeit lang mit ihnen. Sie fühlten und bewunderten die edle Kühnheit dieſer Handlung, und gerührt durch den großen Beweis von Zutrauen, den er ihnen dadurch gab, begleiteten ſie ihn unter den größten Ehrenbezeugungen nach ſeinem Quartiere zurück. In der That wagte Moriz viel und auch nichts, denn Hochherzigkeit und Unerſchrockenheit im— poniren auch der gemeinſten Natur, und ſelbſt der Bandit hat Momente, wo er fähig iſt, Größe zu fühlen und zu erwiedern. Nach dem Entſatz von Hochſtraaten ging ein Theil der Schwadron mit dem niederländiſchen Heere vor Herzogenbuſch, welches Prinz Moriz vergebens vn 15 Nr belgerte. Im Lager vor dieſer Stadt ward zwiſchen dem Prinzen und den Rebellen der nachfolgende ſon— derbare Vertrag (1605 1. Nov.) abgeſchloſſen. Da die Schwadron nicht Raum genug in Hochſtraaten hat, ſo räumt ihr der Prinz die ſeiner Familie gehörige Stadt Grave ein, und zwar auf ein Jahr, wenn fie ſich nicht etwa früher mit dem Erzherzoge aus ſöhnt. Sie verſpricht dagegen die Einwohner nicht zu drücken, ſich nicht in die bürgerlichen Angelegenhei— ten der Stadt zu miſchen, die Religionsverfaſſung unverändert zu laſſen, und nicht in das Gebieth der Republik und des deutſchen Reichs zu ſtreifen. Sie verpflichtet ſich ferner, bis zu ihrer Wiederausſöh— nung mit dem Erzherzog den Generalſtaaten zu die⸗ nen, aber abgeſondert von den niederländiſchen Trup— pen, und ohne zum Schanzen und Stürmen verbun— den zu ſeyn. Sollte fie ſich mit dem Erzherzoge aus— ſöhnen, ſo wird ſie Grave raͤumen und wieder nach Hochſtraaten zurückkehren, auch vier Monath nach— her nicht wider die Generalſtaaten dienen. Bald nach dem Abſchluß dieſes Vertrages hob Moriz die Belagerung von Herzogenbuſch auf, und ließ ſein Heer die Winterquartiere beziehen. Die Re— bellen beſetzten Grave und niederlandifhe Truppen rückten in Hochſtraaten ein. Da der Erzherzog geäu— fert hatte, daß er einige von feinen Truppen gefan⸗ gene Rebellen würde hängen laſſen, fo erklärten fie, daß fie in dieſem Fall Repſſräalien gebrauchen und mit dem bey Herzogenbuſch gefangenen Marcheſe Maleſpi— na den Anfang machen würden. Es blieb jedoch bey gegenſeitigen Drohungen, weil der Erzherzog in ſei— * 4 14 2. ner Lage Gründe fend, ein ſchonendes Verfahren ge— gen die Empörer gewaltſamen Maßregeln vorzuziehen, um nicht alle Hoffnung zu einer Ausſohnung mit ib: nen, die ihm ſehr wünſchenswerth war, zu verlieren. Im Anfange des Jahrs 1604 plünderten die Rebellen Eindhofen in Brabant und Erkeelens in Geldern; ja ſie raubten und mordeten ſogar ihrem gegebenen Worte zuwider auf deutſchem Gediethe, worüber der Kaiſer bey den Generalſtaaten N Ve⸗ ſchwerden erhob. Indeß war Prinz Moriz in den erſten Tagen des May's (1604) vor die Stadt Sluis in Flandern gerückt. Dem Erzherzog lag die Erhaltung dieſes wich— tigen Platzes ſehr am Herzen, aber es fehlte ihm an Truppen zu einem Entſatz, denn ſeine Hauptmacht ſtand noch immer vor Oſtende. In dieſer Verlegenheit ließ er insgeheim den Rebellen Anträge zu einer Aus— ſöhnung machen, welche eine günſtige Aufnahme fan- den. Graf Hermann von Berg, der Biſchof von Rü— remonde und Don Guerrera, Befehlshaber des Schloſ— ſes zu Gent, betrieben als Commiſſarien des Erzher— zogs das Verſöhnungsgeſchaͤft, welches nach einigen Schwierigkeiten glücklich zu Stande kam. Den Rebel: len ward eine vollkommene Amneſtie und Vergebung des Vergangenen zugeſtanden, und ihnen die Bezah— lung ihres rückſtandigen Soldes durch Verpfändung der Stadt Rüremonde verſichert. Sie gaben hierauf Gra— ve an die Generalſtaaten zurück, wogegen die nieder: landiſchen Truppen die Schloffer Hochſtraaten und Ker— pen räumten. Viele von ihnen nebſt den beyden Glet: to's Filler und Perpauken traten in die Dienſte der N 15 ven 5 Repullik, und gingen nach Flandern zum Heere des Prinzen Moriz. Der größere Theil aber kehrte wieder in feine alten Verhäͤltniſſe zurück, und verſtärkte das Heer des Marcheſe Spinola, welchen der Erzherzog den Entſatz von Sluis aufgetragen hatte. Dieſer gro— ße Feldherr ſtellte durch fein Anzehen und durch die größere Ordnung, welche er in den Finanzen ſchuf, die verfallene Kriegs zucht unter den ſpaniſchen Truppen wieder her, und hemmte dadurch auf eine Zeit lang die Deſertion und Empörungen derſelben. Pr * 1 6 re r Mee eee eee eee 14. Belagerung von Oſtende. 1601 bis 1604. Wie kommen jetzt zu einer Begebenheit, welche zu den außerordentlichſten ihrer Art gehört, und den Nahmen Oſtende allen nachfolgenden Geſchlechtern merkwürdig gemacht hat. Ein kleiner vor dem Aus— bruch dieſes Krieges wenig gekannter Ort, widerſteht drey Jahre lang allen Angriffen eines mächtigen und tapfern Feindes, und feſſelt dadurch die Aufmerkſam— keit der ganzen cultivirten Welt auf einen unbedeu— tenden und lange unbemerkten Fleck Erde an den Kü— ſten der Nordſee. Das Leben vieler tauſend wackeren Soldaten und Millionen Goldes werden aufgeopfert, das Genie erſchöpft ſich in neuen Erfindungen und un— geheure Maſſen von Körperkraft werden in Bewegung geſetzt, zur Vertherdigung und zur Beſiegung dieſes einzigen Platzes; und auf dem ganzen Schauplatz des niederländiſchen Krieges, ereignet fi während der lan- gen Dauer des großen Wettſtreits, nicht eine kriegeri— ſche Scene, welche nicht in unmittelbarer oder ent— fernterer Berührung mit demſelben geftanden hatte. | Sie we IT — Sie find nur Epiſoden, von welchen man immer wies der auf die Haupthandlung zurück kommt, deren Bühne Oſtende mit ſeinen Umgebungen iſt. Daher iſt auch das Gemahlde der dreyjährigen Belagerung dieſer Feſte zus gleich die Geſchichte dreyer Feldzüge, weil alles, was während derſelben von beyden kämpfenden Theilen un: ternommen ward, nur die allgemeine Tendenz, Oſten— de zu retten oder zu erobern, hatte. Je ſeltener ei— ne ſoiche Begebenheit ſich ereignet, deſto mehr verdient fie eine forgfältige und ausführliche Darſtellung ſelbſt bis in ihre kleinſten Details, damit ſich die kraftloſe— re Nachkommenſchaft an den großen Beyſpielen des Muths, der Aufopferung und Standhaftigkeit der ta— pferen Vertheidiger Oſtende's erwärme, um in ähnli⸗ chen Lagen, oͤhnliche Tugenden zu üben. Die Stadt Oſtende von etwa 3000 Einwohnern liegt in Weſtflandern zwiſchen Sluis und Nieuwpoort, auf der Mitternachtſeite von den Wellen der Nordſee beſpühlt, im Oſten eine Gruppe von Sandbergen und gegen Weſten von dem kleinen Fluſſe Iperle umfloſſen, der ſich hier ins Meer ergießt, und bey ſeinem Aus— fluſſe einen Hafen bildet. Sie war lange ein offener unbedeutender, nur von Fiſchern bewohnter Ort. Im Anfange des Revolutionskriegs (1972) ward die Stad mit Thoren und mit einer Paliſadirung verſehen. Das mahls ließen ſich verſchiedene ausgewanderte Familien aus Brügges, Gent und andern Orten; Holländer, Engländer und flüchtige Piraten zu Oſtende nieder und vermehrten die Bevölkerung. Seeräuberey war das Hauptgewerbe der Einwohner, und ſie machten ſich dadurch allgemein gefürchtet. Nach dem genter Schillers Niederl. 8. Bo. x . 18 e Frieden ſchlug ſich Oſtende zur Partey der vereinigten Niederländer, und ward bald darauf mit mehreren Feſtungswerken verſehen. Als ſich in der Folge der Herzog von Parma faſt die ganze Provinz Flandern unterwarf, widerſtand es einem zweymahligen An— griff, und eben ſo wenig konnte ſich der Herzog von Anjou, bey feinem verunglückten Verſuche zur Erlanz gung der Souveränität, zum Herrn davon machen. Dieß gab dem bisher wenig gekannten Orte eine noch nicht gehabte GCelebrität, und die Generalſtaaten lies ßen ihn vorzüglich auf Verlangen der Königinn Eli⸗ ſabeth und der Provinz Seeland, noch ſtärker befeſti⸗ gen. Die benachbarten Sandberge, welche ihrer Höhe wegen die Stadt beherrſchten, wurden abgetragen und geebenet, wodurch man zugleich eine freyere Um— ſicht gewann. Bey dieſer Gelegenheit machte das Meer bey einer heftigen Springfluth einen Einbruch, wodurch fi ein neuer Hafen bildete, den man die Geule nann— te, und welcher ſich bald durch größere Brauchbarkeit vor dem alten auf der Weſtſeite der Stadt empfahl, der bey niedrigem Waſſer ſeicht und unzugänglich war. Außerdem gewährte die Geule auch den Vortheil, daß ſie im Fall einer Belagerung nicht eingeſchloſſen wer— den konnte, weil ſich das Meer bey der Fluth wohl zwölfhundert Schritte weit bis zu ihr ergoß, und das durch eine Überſchwemmung bewirkte, die dem Feinde nicht erlaubte, ſich ihr zu nähern. Die niederländiſche Beſatzung der Stadt ſetzte durch ihre Streifereyen die ganze Provinz Flandern in Contribution, und die Klagen der Staaten dieſer Provinz darüber, bewogen den Erzherzog Albert, als e. 19 * er noch Generalgouverneur war, nach der Eroberung von Calais (1596) vor Oſtende zu rücken und die Staͤdt mit einer Belagerung zu bedrohen. Er fand je— doch für gut, feinen Plan zu andern und Hulſt anzu— greifen; und um den Streifereyen der Beſatzung von Oſtende Einhalt zu thun, ließ er auf Koſten der Pro— vinz ſiebzehn Forts und Schanzen im Umfange der Stadt anlegen und mit Truppen beſetzen. Die näch— ſten dieſer Forts an Oſtende waren, Albertus, Iſa— bella, Grotendorſt, Clara, Columbia und Bredena, die übrigen lagen entfernter. Doch dieſes Mittel ent— ſprach dem Zwecke nicht, und weit entfernt den Flan— derern Sicherheit zu verſchaffen, vermehrte es nur ih— re Leiden, denn ſie wurden oft noch ärger von den Be— ſatzungen der zu ihrem Schutze erbauten Forts als von der feindlichen in der Stadt gedrückt. Die vereinigten Niederländ lernten die Wich— tigkeit dieſes Platzes nie beſſer kennen, als durch die verunglückte Expedition nach Flandern im Jahre 1600. Es wurden daher die Feſtungswerke desſelben aufs neue vermehrt und mit Außenwerken verſehen und al— les angewandt, ihn in den beſten Vertheidigungsſtand gegen einen feindlichen Angriff zu ſetzen. Ein ſolcher Angriff war um fo mehr zu beſorgen, da die Flande— rer nicht aufhörten ihre neuen Souveräne mit Klagen und Bitten zu beſtürmen, Oſtende den vereinigten Niederländern zu entreiſſen, wozu fie anſehnliche Bey— trage an Geld und Getreide auf die ganze Dauer der Belagerung anbothen. Auch ließen die großen Räſtun⸗ gen des Erzherzogs ım Winter und Frühling des Jahrs 1601, die Truppenwerbungen in Spanien, Italien B 2 > we 20 wma und Deutſchland und die Anſtalten, zwey beſondere Heere am Rhein und in Flandern ins Feld zu ſtel— len, auf irgend ein wichtiges Vorhaben ſchließen, wel— ches aller Wahrſcheinlichkeit nach kein anderes ſeyn konnte, als ein Angriff auf Oſtende. Dieſe Vermuthung erfüllte die Generalſtaaten mit großen Beſorgniſſen, und fie erwogen gemeinſchaft— lich mit ihren Feldherrn die Mittel zur Abwendung der Gefahr von einem Orte, deſſen Erhaltung ihnen ſo ſehr am Herzen lag. Viele waren der Meinung, daß die— ſer Zweck am beſten erreicht werden könne durch einen neuen Zug nach Flandern, welchen auch die Königinn von England anrieth und mit 5000 Mann Hülfstruppen zu unterſtützen verſprach. Aber Prinz Moriz und ande— re, welcher die mit einer ſolchen Expedition verbun— denen Gefahren und Schwierigkeiten aus der Erfah— rung kannten, und zum Theil die Königinn Eliſabeth im Verdacht hatten, daß ſie ſich ſelbſt in Beſitz von Oſtende zu ſetzen geneigt ſey, ſchlugen vor, eine feind— liche Feſtung am Rhein oder in Brabant anzugreifen, um dadurch die Kriegsmacht des Erzherzogs aus Flan⸗ dern weg zu ziehen. Dieſer Rath ward allgemein ge— billigt, und nachdem die Generalſtaaten durch franzö— ſiſches Geld, und durch den Ertrag einer neuen Schorn— ſteinſteuer von der Provinz Holland, die Staatsfonds vermehrt und die bewaffnete Macht der Republik durch eine Anzahl Neugeworbener aus England und Frank— reich verſtärkt hatten, zog Prinz Moriz die Truppen bey Arnhem und Schenkenſchanz (1601, 10. Junp) zuſammen, und erſchien, nachdem er den Feind an— fangs in Ungewißheit gelaſſen hatte, ob feine Abſicht ser 21 .. auf Rheinbergen oder Herzogenbuſch gerichtet ſey, plötzlich mit 100 Fahnen Fußvolk und 30 Cornetten Reiter vor der letzteren Feſte. N Hier war Don Hieronymo Lopez Befehlshaber. Die Beſatzung beſtand aus 3000 Spaniern, Italiä— nern und Wallonen, und Geſchütz, Munition und Proviant waren reichlich vorhanden. Der Befehlsha— ber war zu einer tapfern Vertheidigung entſchloſſen, und während der Prinz beſchäftigt iſt, ſein Lager zu befeſtigen, läßt er verſchiedene neue Schutzwerke vor dem Graben anlegen, und die Niederländer durch häu— fige Ausfälle beunruhigen. Der Graf von Northum— berland und mehrere andere Perſonen vom hohen Ran— ge kamen im Lager an, um der Belagerung als Frey— willige beyzuwohnen; und nachdem die Niederländer den Rheinwerder beſetzt und ſich der Außenwerke durch Liſt oder Gewalt bemächtigt hatten, führten ſie eine Gallerie unter den Wall, und ſprengten die Contre— ſcarpe mit zwey Fahnen Italiäner in die Luft. Zwey von den Aufgeflogenen wurden bis in das Lager hin— aus geworfen, und einer davon war faſt ganz unbe— ſchädigt. Die Belagerten rächten ſich für den ihnen zugefügten Verluſt. Sie zündeten durch Brandkugeln eine Pulvertonne in dem Laufgraben an, und die Ex— ploſion erſtickte und zerſchmetterte eine große Anzahl der Belagerer. Während die letzteren hierauf mit der Anlage neuer Minen beſchäftigt waren, näherte ſich Graf Herrmann von Berg mit einem Corps von 5000 Mann zu Fuß und 2000 Reitern unter Bucquoi und Nicolo Baſta, um auf Befehl des Erzherzogs die bes lagerte Stadt zu entſetzen. Aber ſeine Verſuche, den Entſatz zu bewirken, ſcheiterten an der Wachſamkeir der Belagernden und an der Feſtigkeit ihres Lagers, und er mußte ſich ohne den Zweck ſeiner Sendung erfüllt zu haben, wieder zurück ziehen. Bald darauf übergab auch Hieronymo Lopez Rheinbergen (4601, 50. July) durch eine ehrenvolle Capitulation, zur großen Freude der Oberyſſeler, welche nun nicht mehr gend» thigt waren, wie bisher dem Feinde Brandſchatzungen zu bezahlen. Die Generalſtaaten ernannten den Ober— ſten Giſtelles zum Befehlshaber der eroberten Stadt, und beſchloſſen, fie noch ſtarker befeſtigen zu laſſen. Aber ehe noch Rheinbergen überging, war aus Flan— dern die Nachricht eingelaufen, daß der Erzberzog mit einer furchtbaren Kriegsmacht vor es ge⸗ rückt fey, Albert hatte ſich endlich entſchloſſen den dringen— den Vorſtellungen der Flanderer, welche ſo oft und noch zuletzt in der Staatenverſammlung zu Brüffel wiederhohlt wurden, nachzugeben, und fie von einer Geißel zu befreyen, die ſie ſo lange und ſchmerzlich gefühlt hatten. Der Kriegsrath, dem er ſeinen Ent— ſchluß, Oſtende zu belagern, vortrug, unterließ nicht, alle die damit verbundenen großen und zahlreichen Schwierigkeiten geltend zu machen. Oſtende, bemerk— ten die Mitglieder desſelben, ſey mit einer ſtarken Be— ſatzung unter einem tapfern und erfahrnen Befehls— haber, und mit allen Kriegs- und Mundbedürfniſſen verſehen. Zahlreiche und trefflich unterhaltene Werke umgäben den Ort, und feine Localität ſetze ihn mit dem Meere in Verbindung und ſichere dadurch den ver— einigten Niederlaͤndern bey dem Ascendant, welches 1 un fie auf dieſem Elemente behaupteten, die Mittel, ihm ſtets friſche Truppen und Vorräthe zuzuführen. Und daß der Feind nichts vernachläſſigen würde, ihn ſo lange als möglich zu behaupten, ließe ſich bey den vielfältigen Vortheilen, welche ihm der Beſitz desſel⸗ ben gewähre, mit Gewißheit vorausfegen. Doch wie gegründet auch dieſe Bemerkungen wa⸗ ren, und wie ſehr fie geeignet ſeyn mochten, den Erz- herzog von einem fo ungewiſſen und gewagten Un— ternehmen abzuſchrecken: ſo gab es dagegen auch andere nicht minder wichtige politiſche und militäriihe Nude ſichten, welche ihn, das Wageſtück zu verſuchen, ante feuern mußten. Die Vorſtellungen der Provinz Flan— dern, der bedeutendſten von allen unterworfenen Land— ſchaften, welche einen großen Theil der Staatsein- nahmen lieferte, verdienten die größte Aufmerkſam— keit. Überdieß hatte der Feldzug des verfloſſenen Jahrs bewieſen, wie leicht es den vereinigten Niederländern war, in das Herz der erzherzoglichen Provinzen ein— zudringen, ſo lange ſie im Beſitz von Oſtende blieben. Es war daher eine nothwendige Bedingung zur Si— cherheit des Landes, ihnen dieſes immer offene Thor nach Flandern zu verſchließen, wodurch zugleich ihr Handel beſchränkt und ihrer Marine ein Sammelplatz entzogen ward. Die Schwierigkeiten der Belagerung, ſo groß und abſchreckend ſie auch immer ſeyn mochten, ließen ſich doch endlich durch Muth, Entſchloſſenheit und Ausdauer beſiegen; ja ſelbſt die größte von allen, der Stadt die Gemeinſchaft mit dem Meere zu entzie“ hen, durfte man noch zu überwinden hoffen, da es ja auch dem Genie des Herzogs von Parma einſt gelun— . 2 4 r gen war, den Antwerpern die Schelde zu verſchließen, was vorher ſelbſt den Hellſehenbſten unmöglich geſchie— nen hatte. Und in welchem Glanze mußte nicht der Überwinder jo wichtiger und vielfacher Hinderniſſe feis nen neuen Unterthanen, den Feinden, ja ſelbſt dem ganzen Europa erſcheinen, wenn das Unternehmen glücklich hinausgeführt ward! Dieſe Gründe gaben in der Wage der Berath⸗ ſchlagungen den Ausſchlag, und ſo ward jene berühm— te Belagerung entſchieden, welcher ihre außerordent— liche Dauer, der große Verluſt an beyden Seiten, der Muth und die Standhaftigkeit der Belagerten und und die unerſchütterliche Beharrlichkeit der Belagern— den, die zahlreichen neuen Erfindungen, wodurch ſie die Kriegskunſt bereicherte, und eine Reihe merkwürdiger Ereigniſſe, welche ſie zu einer Schule der Erfahrung für alle militäriſchen Stände machten, einen unver— geßlichen Nahmen in der Geſchichte erworben hat. Unermeßliche Anſtalten wurden getroffen. Ganz Belgien war in Thätigkeit. Geſchütz, Munition und Kriegsgeräthe aller Art wurden zuſammen gebracht. Zweytauſend Spanier unter Don Juan de Braccamons te, welche der Graf Fuentes, Statthalter von Mayland ſandte, und 6000 Stalianer unter Theodor Trivul— zio, nebſt vielen Freywilligen von beyden Nationen verſtärkten das Heer; und die Staaten von Flandern übermachten anſehnliche Summen. Als die Rüſtungen vollendet waren, brach das Heer nach Oſtende auf. Es beſtand aus 18000 Mann zu Fuß und zu Roß, Spanier, Staliäner, Deutſche, Wallonen und Bur— gunder, und ein flarker Zug ſchweren Geſchutzes folg⸗ 1 te ihm nach. Der Erzherzog ſelbſt, und die Infantinn begleiteten es. Am 5. des Heumonaths (1601) erſchie⸗ nen die Belagerer vor der Stadt und berennten ſie. Graf Friedrich von Berg faßte mit einem Corps zwi⸗ ſchen den Dünen auf der Oſtſeite Poſto, und Augu⸗ ſtin von Mexia mit 5 Regimentern zu Fuß, ſekte ſich im Weſten der Stadt zwiſchen der Iſabellen- und Al⸗ bertusſchanze, und beſchoß ſchon am folgenden Tage aus vier Feuerſchlünden die Stadt; da er aber den Fehler begangen hatte, ſich ihr zu ſehr zu nähern, fo zwang ihn das Geſchütz, von den Wällen ſeine Stel— lung weiter rückwärts zu nehmen. Carl van der Noot, ein tapferer und erfahr— ner Soldat, war Befehlshaber in der Feſte, und die Beſatzung beſtand aus 21 Fahnen, zuſammen gegen 3000 Köpfe ſtark. Die Einwohner, eifrige Anhänger der Generalſtaaten, waren voll Muth, Eintracht, und ſahen, nachdem ſie einen Theil ihrer Weiber und Kin— der nach den nächſten ſeeländiſchen Inſeln in Sicherheit gebracht hatten, entſchloſſen den feindlichen Angriffen entgegen. Auf die erſte Nachricht von der Erſcheinung des Erzherzogs vor Oſtende, befahlen die Generalſtaa— ten dem Oberſten Uechtenbrök mit 10, dem Grafen Coligni von Chatillon mit 25 und dem Ritter Vee— re, welcher damahls nech im Lager vor Rheinbergen ſtand, mit 20 Fahnen dahin zu gehen, um die Beſa— tzung zu veritärken, und der Admiral Warmond ers hielt Befehl, eine Transportflotte mit Munition und Vorräthen aller Art nach der flandetiſchen Küſte zu führen. Doch ehe dieſe Veeſtärkungen noch anlangen konnten, war die Blutbühne vor Oſtende bereits er— öffnet worden. Van der Noot begnügte ſich nicht, dem Feinde die ihm anvertraute Feſte zu verſchließen, ſondern both alles auf, ihn ſo lange als möglich von derſelben zurück zu halten, überzeugt, daß dieß die beſte Ver— theidigung ſey. Gleich anfangs, da die Belagernden noch nicht Zeit gehabt hatten, ſich in ihrer Stellung feſtzuſetzen, that er einen heftigen Ausfall mit ſo glücklichem Erfolge, daß ein Theil der aufgeworfenen Linien geſchleift ward, 600 Mann von den Feinden niedergehauen wurden, Auguſtin Mexia ſelbſt vers wundet und Don Hieronimo Montroi durch eine Stückkugel in ſeinem Zelte getöbtet ward. Ahnliche Unternehmungen wurden oft wiederhohlt, und um den Belagernden die Führung der Laufgraben zu er— ſchweren, machte van der Noot Gebrauch von den ſo— genannten Contraapproſchen, einem neuerfundenen Vertheidigungsmittel, welches auch die Ausfälle ſehr begünſtigte. | Zrog der Anftrengungen des tapfern Befehls— habers gelang es jedoch den Belagerern / die Stadt Nauf der Landſeite einzuſchließen, ihr Lager durch Wälle und Graben zu befeſtigen, und die Belager— ten aus verſchiedenen Außenwerken zu vertreiben. Sie erbauten die Schanzen St. Martha, St. Ma— ria und St. Anna, und warfen Batterien gegen den alten Hafen auf, um den ein- und auslaufenden Schiffen die Durchfahrt zu erſchweren. Die Belager- ten unterließen nicht, den Feind bey dieſen Arbeiten durch ſtete Beunruhigungen zu unterbrechen, und man ſah täglich Gefechte unter den Wällen der Stadt, welche manchem wackeren Kriegsmann das Leben ko⸗ fteten. Don Juan de Braccamonte, Don Diego de Idiaquez und Don Pedro de Loyas, fielen durch die Kugeln der Belagerten und wurden von den Spa— niern ſehr bedauert. Nach und nach langten auch die für Oſtende bes ſtimmten Verſtäarkungen an. Am 15. des Heumo— naths traf der Ritter Veere mit feinen Engländern ein, und der Admiral Warmond lief mit einer zahl— reichen Transportflette, welche mit ungeheuern Maſ— fen von Kriegs- und andern Vorräthen befkachtet war, unter einem ſo heftigen Feuer der feindlichen Batte— rien, daß das Krachen des Geſchützes bis nach den engliſchen Küſten herüberſcholl, glücklich in den Ha— fen ein. Die Beſatzung war jetzt bis auf 7000 Köpfe verſtärkt, und alle Lebensmittel waren in ſolchem Überfluß vorhanden, daß man ſie zu den wohlfeilſten Preiſen haben konnte. Und da der Aufenthalt in der Stadt noch bis jetzt nicht mit großen Gefahren und Entbehrungen verbunden war, ſo eilten eine Menge Neugieriger aus Seeland und andern Gegenden da— bin, um Augenzeugen der großen Anitalten zur Vers theidigung und Belagerung zu ſeyn. Selbſt ſeelän— diſche Damen und auswärtige Standesperſonen, un— ter andern ein Herzog von Holſtein, des Königs von Dänemark Bruder, und die Grafen von Northumber— land, St. Pol und Johann von Naſſau fanden ſich ein. König Heinrich von Frankreich begab ſich (Auguſt) nach Calais, um das intereſſante Schauſpiel wenig— ſtens aus der Nähe zu beobachten. Der Ritter Franz Veere übernahm nach ſeiner Ankunft die Befehlshaberſchaft in der Stadt an van rr. 28 .. der Noot's Stelle, und ließ ſogleich neue Anlagen zur Verſtärkung ihrer Fortification machen. Die Außen- werke werden vermehrt und ſtärker beſetzt. Ein Theil des ſogenannten Polders auf der Südſeite wird eben— falls ſtark verſchanzt und nach Durchſtechung eines Dammes wird das Waſſer der Geule bis in die Stadt geleitet, ſo daß nun die Schiffe vermittelſt dieſes Canals bis in dieſelbe gelangen können, und der alte Hafen, den die feindlichen Batterien nach al— len Seiten beſtreichen, entbehrt werden kann. Starke Bruſtwehren ſchließen die Umgebungen der Geule ein, die einlaufenden Fahrzeuge gegen die Wirkungen des feindlichen Geſchützes zu ſichern, und dichte Buhnen— werke und Verpfählungen, nach der Angabe Johanns van Düvenverde, eines berühmten Waſſerbaumei— ſters, angelegt, ſchützen die Stadt ſelbſt gegen die Gewalt des andringenden Gewäflers. Dieſer neue Has fen, welchen die Geule bildete, war weit ſicherer als der alte. Die Schiffe liefen hier während der Be— lagerung bey hunderten ein und aus, brachten friſche Truppen und Proviſionen und führten die Kranken und Verwundeten ab. Tag und Nacht rollt der Donner des Geſchützes. Man beſchoß ſich mit Kanonen, Mörſern und Musketen, und alle Werkzeuge des Todes und der Zerſtörung find in immerwaͤhrender verderbenbringen— der Thätigkeit. Die Stadt war am meiſten auf der Weſtſeite ausgeſetzt, wo der Feind von dem Quar— tiere St. Alban her ſich ihr am leichteſten nähern konnte. Der Sandhügel, ein ſehr feſtes, mit Baſtio— nen, Kaſematten und doppelten Reihen von Paliſa— ren 29 www. den verſehenes Werk, hatte die Beſtimmung, dieſen Theil der Stadt und den weſtlichen Hafen zu ſchützen. Neben dem Sandhuͤgel lief ein Damm an den Dü— nen hin, welcher mit Paliſaden, Halbmonden und einem Ravelin, das eiſerne Schwein genannt, verſe— hen war. Zur Bekämpfung dieſer Werke waren die meiſten Kräfte der Belagerer vereinigt. Vorzüglich war der Sandhügel unaufhörlich die Zielſcheibe der feindlichen Batterien, welche ihn mit einer ſolchen Menge Kugeln bedeckten, daß er das Anſehen eines Eiſenbergs erhielt. Gegen das eiſerne Schwein führ— ten die Belagernden eine Mine, und ſchon hatten ſie ihre Laufgraben bis an die Paliſadirung des Dammes vorgetrieben, da ließ Veere in der Nacht, bey ſtei— gender Fluth, (1601. 15. Auguſt) den Damm vor der Baſtion durchſtechen, worauf ſich das Waſſer mit ſol— cher Heftigkeit durch die Offnung ergoß, daß das ganze Werk wie eine Inſel von den Wellen umfluthet ward, und die Belagerer verſchiedene ihrer Schanzen verlaſſen und alle Hoffnung, den Angriff auf dieſer Seite mit glücklichem Erfolge fortzuſetzen, aufgeben mußten. 0 Der Hauptpunct, um welchen ſich die Kräfte und Anſtrengungen beyder Theile concentrirten, war die Gemeinſchaft der Stadt mit dem Meere. Ihr dieſe und mit ihr die Quelle, aus welcher ſie alle Hülfsmittel zu ihrer Erhaltung und Vertheidigung ſchöpfen mußte, zu entziehen, war das Hauptziel der Belagerer, wohin ſie unaufhörlich ſtrebten. Gleich anfangs verſenkten ſie zur Sperrung der Geule, vor der Mündung derſelben, eine Anzahl mit Steinen be— „ 30 e laſteter Fahrzeuge, jedoch ohne Erfolg. Darauf wur⸗ den Anftalten gemacht, auf der Seite von Bredene und in den Dünen, auf dem flachen von der Fluth täglich überſtrömten Meeresufer, Schanzen und Bat— terien anzulegen, um die einlaufenden Schiffe zu be— ſchießen. Zu dieſem Zweck führten die Belagernden mit großer Kunſt und Anſtrengung von den Dünen aus, einen Damm mitten durch das überſchwemmte Land bis an das Ufer hinab. Vor demſelben ſollten Batterien errichtet werden, aber der Boden war naß und weich, und erlaubte die Anlage der Geſchützſtände nicht. Da erfand Adrian Hermanſon, Profos des Mes giments Barlaimont, eine beſondere Art von Waſſer— faſchinen zu den Bettungen, welche vier und zwanzig Fuß lang und durch Steine beſchwert waren. Adrian Mellin, ein Zimmermeiſter, unterſtuͤtzte den Erfinder bey der Verfertigung dieſer Faſchinen, aber der Tod des letzeren, der von einer feindlichen Kugel getroffen ward, u terbrach die Arbeit, bis fein Sohn Anton Adrianſon ſie aufs neue unternahm. Doch kaum war ein Theil der Bettung vollendet, als ein Stück da— von durch die Fluth hinweggeriſſen ward. Den Überreſt ſteckten die Belagerten durch Kunſtfeuer in Brand, und nur mit einem Verluſt von 300 Mann, welche durch die Kanonenkugeln der Belagerten zerſchmettert wurden, konnten die Spanier ihr Geſchütz aus den brennenden Faſchinenhaufen retten. Der unglückliche Erfolg dieſer Anlage erzeugte die Idee zu einer neuen, von der man ſich einen beſ— ſern Erfolg verſprach. Der Graf von Boucquoi hatte im Quartier Brederode eine Verſchanzung aufgeführt re. 31 re. und mit Geſchütz beſetzt, um durch das Feuer desſel⸗ ben das Landen und Einlaufen der feindlichen Schiffe auf dieſer Seite zu hindern. Aber die Wirkung war wegen der weiten Entfernung nur gering. Nichts ſchien zweckmäßiger „ als von dieſer Verſchanzung aus einen Damm in das Meer zu führen, um vermittelſt desſelben die Mündung des Canals der Geule zu vers ſchließen, oder wenigſtens das Geſchütz dem Ziele nä⸗ her zu rücken und dadurch feine Wirkung zu verſtär⸗ ken. Zwar waren die Schwierigkeiten und der Auf⸗ wand an Kräften bey einer ſolchen Arbeit unermeß⸗ lich, denn das Werk mußte hinreichende Feſtigkeit er— halten, dem gewaltigen Andrang der Meereswogen widerſtehen zu können, aber der Genius eines Zeit— alters, welches die wunderbare Brücke des Herzogs von Parma und andere coloſſale Werke ähnlicher Art hervorgebracht hatte, bebte auch vor dieſem nicht zu— rück, und die Belagerer Oſtende's gingen getroſt an die Arbeit; Aus einer neuen Gattung von Faſchinen, deren Erfinder Chriſtoph Propergenius war, und die man Sauciſſes nannte, ward zuerſt eine Schanze in den Wellen erbaut. Dieſe Faſchinen beſtanden aus ſtarken und dicken Aſten und wurden durch drey Reihen Tons nenreife zufammengebalten. Man machte fie anfangs zu 46 Fuß Länge und 15 Fuß Stärke. Da dieſe Maf- ſen aber zu ſchwer und unbeweglich waren, ward in der Folge ihr Caliber faſt um die Hälfte verringert. Durch Seile mit Scheiben, an Pfählen und Ankern befeſtigt, die man in den Sand getrieben hatte, wurden fie vorwärts in den Canal herabgerollt und Br BE e über einander geſchichtet. Auf dieſer Grundlage er⸗ baute man aus gewöhnlichen Faſchinen die Schanze, welche mit einem Fußboden von Dielen für das Ge— ſchütz verſehen und die Corlosſchanze genannt ward. Von der Schanze aus ward nun der Damm weiter in das Meer bine ingefuhrt. Hölzerne, funfzehn Fuß hohe Gerüſte in der Form eines lateiniſchen T, er: hoben ſich aus dem Grunde der See, und wurden mit einer Lage ahnlicher Saueiſſen bedeckt, die mit Weiden an die Gerüſte geflochten und oben mit einer Decke von Sand und Kies beſchwert wurden. Eine dreyßig Fuß dicke, mit Schießſcharten verſehene Bruſtwehr ſchützte den Damm gegen das Geſchütz der Belagerten. Mit ungeheuerm Kraftaufwande ward er fünfhundert Schritte weit vorwärts getrieben. Dennoch entſprach auch dieſes kühne Werk der da— von gehegten Erwartung nicht; denn nicht allein daß die Belagerten trotz desſelben die Gemeinſchaft mit dem Meere behielten, ward auch der Damm ſelbſt durch eine auf die Spitze desſelben gerichtete Batterie von ſieben ſchweren Kanonen mit ſolcher Wirkung be— ſtrichen, daß keine Mannſchaft darauf aus dauern konnte. Das Feuer der Carlosſchanze machte zwar den Schiffen die Durchfahrt ſehr beſchwerlich, aber die Be— lagerten halfen dieſem Nachtheil dadurch ab, daß fie den bedeckten Weg durchſtachen und unter dem Schu— tze desſelben die ankommenden Schiffe in den Stadt: graben brachten, der ihnen von jetzt an zum Hafen dienen mußte. Dieſe mißlungenen Verſuche der Belagerer von der Seite des Meeres her, Verderben über Oſtende zu zu bringen, reitzte fie ihre Anſtrengungen auf der Landſeite zu verdoppeln. Sie beſchoſſen daher die Außen— werke auf das hefrigſte, und viel tapfere Männer verloren in der Pertheidigung derſelben ihr Leben. Zu dieſen gehörte der junge liebenswürdige Graf Chatillon, den Enkel des Admirals Coligni, von wel— chem König Heinrich der Vierte geurtheilt hatte, daß er dereinſt in reiferen Jahren einer der erſten Feldher— ren Europa's werden würde. Eine Kanonenkugel riß ihm auf dem Sandhügel (10. September) mit ſolcher Gewalt die Hirnſchale hinweg, daß der neben ihm ſtehende Oberſt Uechtenbroek zu Boden geworfen ward. Sein Tod ward allgemein bedauert Der Belagerer Abſicht war, die Stadt in einen Steinhaufen zu verwandeln. Deßhalb unterhielten ſie ein heftiges und unaufhörliches Feuer auf dieſelbe, und überſchütteten ſie mit einem Regen von Kugeln, Granaten und Brandkageln, welche letzteren jedoch wenig Schaden thaten, weil man die Häuſer in der Stadt abgedeckt hatte. Dagegen wurden von den Ein— wohnern und der Beſatzung viele getödtet, obgleich ſich die erſteren durch aufgeworfene Erdhaufen gegen die feindlichen Kugeln zu ſichern ſuchten. Der tapfere Oberſt Uechtenbroek, der franzöſiſche Hauptmann Pros marende und verſchiedene andere Befeh'shaber ſtar— ben auf den Wällen mit dem Degen in der Hand. Trotz der großen Gefahr waren dennoch Bürger und Soldaten ftandbaft und unerſchrocken, und der Tod ſelbſt ſchien durch die Gewohnheit ihn ſtets und überall vor Augen zu haben, ſeine Schrecken zu verlieren. Einem jungen Engländer wird auf der Straße der Schillers Niederl. 8. Bb. C . 34 4 Arm abgeſchoſſen. Er hebt ihn auf, zeigt ihm lächelnd dem Wundarzt mit den Worten: heut Mittag hat dieſer Arm noch dem andern bey der Mahlzeit ge⸗ dient.! und läßt ſich ruhig verbinden. Oft geſchah es, daß eine feindliche Kugel in die Mündung einer nie— derländiſchen fuhr, in dem Moment da man die Letz⸗ tere abſchoß, und dadurch wieder zurückgeſchläudert ward. Die Belagerer beantworteten das Feuer der Belagerer mit gleicher Heftigkeit, und demontirten nicht ſelten ihr Geſchütze. Auch fuhren ſie fort, ihnen durch häufige Ausfälle Schaden zu thun, und bey ei— nem derſelben ward der Hauptmann Catris, ehe⸗ mahls Lieutenant des Oberſten Barlotte, welcher die Arbeiten der Belagerer vor Oſtende geleitet hatte, von einer Musketenkugel in den Kopf getroffen. Die von den Belagerten veranſtalteten uͤber⸗ ſchwemmungen, beſchaͤdigten zuweilen bey Sturm oder heftiger Fluth die Werke der Stadt, aber weit mehr Nachtheile brachten ſie den Belagerern, deren Schanzen und Batterien oft gänzlich dadurch zerſtört wurden. In der Nacht vom 25. des Herbſtmonaths ſtürzte ein heftiger Sturm die aufgewühlten Wogen tief in das Land hinein, ſo daß alles umher überfluthet ward, und die feindlichen Wachen und Pikets ſich ei— lend in ihre Forts flüchten mußten. Außerdem war jetzt das ſpaniſche Lager vor der Stadt auf das Beſte befeſtige, und enthielt eine Menge großer Hütten, Baracken und Häufer; fo daß es einem anſehnlichen Dorfe glich, und deßhalb auch gewöhnlich Weſtende genannt ward. Der Erzherzog und die Infantinn, wovon der erſte feinen gewohnlichen Aufenthalt inn — 35 — der Albertusſchanze, und die Letztere den ihrigen zu Nieuwpoort hatte, fanden ſich oft ſelbſt im Lager ein, und ermunte rten die Kriegsleute durch Zuſpruch und Verſprechungen, zur Standhaftigkeit und Geduld, auch fol die Infantinn zuweilen mit eigener Hand ein Geſchütz gegen die Stadt abgebrannt haben. Bey alie dem machten die Belagernden nur geringe Fort— ſchritte, denn die Anlage von ſo viel neuen Schan— zen, Wegen, Canälen und Dämmen erforderte Kräfte, Geld und Zeit. Die Verſuche, den Ein— gang zur Geule zu ſperren, blieben immer fruchtlos, und noch im October liefen zahlreiche Transportflotten aus Holland und Seeland glücklich ein. Eine große Verſchwörung in der Stadt ward vor der Ausfuͤhrung glücklicher Weiſe entdeckt, und der Rädelsführer, ein Engländer Nahmens Comisby, (1601. November) in Ketten gelegt. f | Während man in Flandern fo hartnäckig und tapfer um den Beſitz von Oſtende kämpfte, hatte Prinz Moriz, wie oben ſchon erwähnt ward, Rhein— bergen den Spaniern entriſſen. Nach der Eroberung dieſes Platzes waren die Generalſtaaten zweifelhaft, über die Parthie, welche ſie zur Rettung von Oſtende nehmen ſollten. Endlich da die meiſten einen Zug nach Flandern für zu gewagt hielten, ward beſchloſſen: eine feindliche Stadt, deren Eroberung zugleich leicht und vortheilhaft ſey, anzugreifen und dadurch den Erzherzog wo möglich von Oſtende abzuziehen, oder ihn wenigſtens zur Theilung ſeiner Macht vor dieſem Orte zu nöthigen. Kein Platz ſchien beſſer dazu geeig—⸗ net, als Herzogenbuſch, welches nur zwey Fahnen C 2 Fußvolk und zwey Cornetten Reiter unter Anton Grobbendonk zur Beſatzung hatte. Am 1. November erſchien Prinz Moriz vor der Stadt und rüſtete ſich ſie zu belagern, da er aber zu ſchwach an Mannſchaft war, eine vollkommne Einſchließung derſelben zu be— wirken, ſo gelang es dem Grafen von Berg zwey Mahl Verſtärkung hinein zu werfen. Die Arbeiten der Belagernden wurden dadurch ſehr erſchwert; in— deß brachten ſie doch ihre Batterien zu Stande und beſchoſſen die Stadt mit glühenden Kugeln, die aber nur wenig Wirkung thaten, theils weil ſie von den Belagerten in Keſſeln und Pfannen aufgefangen wur- den, theils weil die Böden der Häuſer mit Sand bes _ ſchüttet und überall ſehr gute Löſchungsanſtalten ge: troffen waren. Indeß verloren die Belagerer den Muth nicht, ſie ſetzten ihre Anſtrengungen ſtandbaft fort, und ſchon waren fie bis an den Graben vorge: drungen und ein glücklicher Erfolg ſchien nicht mehr zweifelhaft, als ſie ſich plötzlich gezwungen ſahen, ei— ner andern dringenden Rückſicht alle Früchte ihrer bis— herigen Arbeiten aufzuopfern. Ein plötzlich eingefalle— ner Froſt ſetzte die Provinz Holland einer Invaſion des Grafen von Berg aus; und Prinz Moriz mußte zu ſeinem höchſten Verdruſſe die Belagerung von Her— zogenbuſch nach einer vierwöchentlichen Dauer (27. November) aufheben und ſich nach Holland ziehen. Einige Reiterzüge von beyden Seiten beſchloſſen den dießjñährigen Feldzug an der Maas und am Rhein; aber an den Ufern der Nordſee fuhr man fort um den Beſitz von Oſtende zu kämpfen. Vier Monath waren nun ſchon über der Bela— * ans 97 5 erung dieſes Platzes verfloſſen, und noch immer lag er, wie ein Felſen im Kampfe der wilden Meeres— vogen, unerſchüttert da. Verloren find alle An— ſtrengungen und alles vergoſſene Blut der Belagerer, und das Ziel, nach welchem fie unter tauſend Gefah— ren und Aufopferungen ringen, ſcheint deſto mehr vor ihnen zu fliehen, je eifriger ſie es verfolgen. Jetzt na— hete der Winter heran, und die ungünſtige Jahres- zeit vermehrte die Leiden und Mühſeligkeiten beyder Theile. Der häufige Regen und eine durch die Aus; dünſtungen der ausgetretenen Gewäſſer verpeſtete At— moſphäre, nebſt den Felgen der erduldeten Beſchwer— den erzeugten unter den Belagerten eine Epidemie, welche viele von ihnen hinwegraffte. re. wü⸗ there fie unter den Engländern, deren mehrere Tau— ſende ſich in Oſtende befanden. Die Überlebenden von dieſer Nation verließen alle, aus Furcht vor der Seu— che, die Stadt, indem ſie entweder heimlich zu dem Feinde übergingen, oder mit Paͤſſen von dem Be— fehlshaber Veere verſehen, in Haufen von 50 bis 60 Mann nach ihrem Vaterlande zurückkehrten. In kur— zem war die Beſatzung von 7000 bis auf 3000 Mann zuſammen geſchmolzen, und Veere, für die Folgen beſorgt, bath die Generalſtaaten dringend um neue Verſtärkung. In der Nacht vom 27. auf den 22. des Chriſt⸗ monaths ſteckten die Belagernden ein Buhnenwerk in Brand, mit welchem die Belagerten den Fuß des Bollwerks am Sandhügel zum Schutz wider die an— dringende Meeresfluth umſchlungen hatten. Drey Tage brannte die Verpfählung am Ufer, ohne daß die Be won 58. — lagerten im Stande waren durch Sand und Waffen dem Feuer Einhalt zu thun. In der folgenden Nacht ward ein Italiäner si welcher ausſagte: daß der Erzherzog, von der Schwäche der Beſatzung un— ‚errichtet, einen Sturm auf die Außenwerke, beſon— ders auf die Werke der ſogenannten alten n welche erſt vor kurzem durch einen heftign Orcan ſebr beſchaͤdigt worden waren, beſchloſſen habe. 75 Nachricht erfüllte den Befehlshaber mit den größten Beſorgniſſen, weil es ihm an Mannſchaft, die Werke gehörig be ſetzen zu laſſen, fehlte. In die ſer Verlegen⸗ heit nahm er ſeine Zuflucht zu einer Kriegsliſt. Er laßt insgebeim und ohne daß ſelbſt ſeine Officiere et⸗ was davon erfahren, dem Erzberzog einen Waffen⸗ ſtiluſtand auf einige Tage antragen, wobey er ibm zu⸗ gleich mit der Hoffnung auf eine baldige Übergabe der Feſte ſchmeichelt. Albert, mit Ungeduld das Ende ei- ner Belagerung wünſchend, deren lange Dauer ſchon jetzt feine Erwartungen übertraf, willigte mit Freu— den in dieſen Antrag, ſo verdächtig er ihm auch hätte ſeyn ſollen, da zu der Zeit die Grundſätze der milita— riſchen Ehre einem tapfern Befehlshaber nicht erlaub⸗ ten, die ihm zur Vertheidigung anvertraute Feſte früher, als nach einem abgeſchlagenen Sturm auf den Hauprwall zu übergeben. Beyde Theile ſtellten einander Geißeln zur gegenſeitigen Sicherheit. Indeß konnte die Soche nicht ſo geheim betrieben werden, daß nicht bald etwas davon unter der Beſatzung rucht⸗ bar geworden ware. Sie gerieth darüber in die größte Bewegung. Veere's geheime Abſichten waren nicht be⸗ kannt; man erinnerte ih der zu den Zeiten des Gra⸗ nasan 39 . fen Leiceſter vorgefallenen Verrätheyen engliſcher Of: ficiere, und fing an auch ihn für einen Treuloſen zu halten. Ein allgemeiner Aufruhr war ſchon im Ber griff auszubrechen. Beſonders berrfchte große Uaruhe unter denen, welche ſich von der ehemahli igen Bela: sung der Andreasfchange i in der Stadt befanden, weis ſie befürchteten bey der Übergabe derſelben ein Opfer der Rache ihrer alten Herren zu werden. Dollte ſich der Befehlshaber nicht den Folgen ei— ner gefährlichen Rebellion ausſetzen, ſo mußte er dem Feinde die eihaltenen Geißeln zurückſchicken, und ſeine Offciere zu Theilnebmern ſeines Geheimniſſes machen. Gemein aftlich mit den Letztern ward nun beſchloſſen, zur Rettung der dießſeitigen, noch in den Gewalt der Spanier befindlichen Geißeln, die vor— nehmſten feindlichen Befehlshaber, unter dem Mor. wande der Unterhandlung, in die Stadt zu locken. Der Anſchlag gelang nach Wunſch und die Unter— handlungen wurden zum Scheine fortgeſetzt, aber die unbilligen und ungewöhnlichen Forderungen der Belagerten, welche die Feinde nicht zugeſtehen konn- ten, hielten vorſätzlich die Entwickelung derſelben auf. Alle Unternehmungen wider die Stadt ruheten indeß, und die Belagernden, in der gewiſſen Erwar— tung der ‚Übergabe, ließen ſogar von ihrer gewöhn— 995 Wachſamkeit nach. Deſto thätiger benutzte Veere koſtbare Zeit der Waffenruhe. Die beſchädigten Täter werden wieder in haltbaren Stand ge— ſetzt, und mit vier neuen Schanzen vermehrt. Man, ſorgt für die Wiederherſtellung der Kranken und Verwundeten, bey deren Behandlung beſonders zwey . 40 rue Arzte, Doctor Kortmann von Antwerpen und Doc⸗ tor Morbek aus dem Haag ſich rühmlich auszeich⸗ neten. Die Erhohlung gibt. der Beſatzung neue Krafte, und endlich langen fünf Fahnen friſcher Truppen aus Seeland an. Jetzt glaubte Veere, daß es Zeit ſey, dem Gaukelſpiel ein Ende zu machen, weil er ſich nun wieder für ſtark genug, der Ge⸗ walt zu widerſtehen, bielt. Er erklärte daher den feindlichen Abgeordneten zu ihrem Erſtaunen frey heraus: feine bisherige bedrängte Lage ſey die eine zige. Veranlaſſung zu der mit ihnen angeknüpften Unterhandlung geweſen; jetzt da er Verſtarkung er⸗ halten habe, würde er durch die Übergabe der ihm anvertrauten Stadt ſeine Pflicht und Ehre auf das ſchändlichſte verletzen, und er ſähe ſich daher gend: tbigt die bisherigen Communicationen gänzlich abzu⸗ brechen. Jedermann tadelte den Kunſtgriff des Ritters, und ſelbſt die Generalſtaaten mißbilligten ihn, da fie ihn weder für anftandig noch nothwendig zur Rettung Oſtende's hielten. Sie bezeigten ihm auch ihr Miß⸗ vergnügen darüber, ohne jedoch die Sache weiter zu ahnden oder ſeine Treue in Verdacht zu ziehen. Der Erzherzog war aufs äußerſte erzürnt über den ihm geſpielten Betrug. Nicht nur die Hoffnung ſich bald im Beſitz von Oſtende zu ſehen, war jetzt getäuſcht, ſondern auch ſein Stolz auf das empfind⸗ lichſte gekran kt. Das Gerücht von der bevorſtehenden übergabe hatte ſich ſchon bis in das Ausland verbrei— tet und das Lager mit einer Menge Neugieriger aus Brügges, Gent und andern flandriſchen Städten ans wen AR K gefüllt, welche ſich zum Theil mit Weib und Kind eingefünden hatten, um Augenzeugen eines ſo intereſ⸗ ſanten Schauſpiels zu ſeyn. Jetzt erfuhr jedermann, daß der leichtgläubige Fürſt i überliſtet wär, und er ſah ſich dem allgemeinen Geſpötte ausgeſetzt. Eine ſolche Beleidigung forderte blutige Rache. MR Dieſe zu üben ward ein aligeitteiner” Sturm ber ſchloſſen, beſonders gegen das Sebbollwerk am Has 85 und die Werke der nördlich liegenden alten Stadt. Die Anſtalten dazu wurden aufs bußerſte beſchleunigt, um ibn susyufübsen, che die Beſatzung noch mehr Ver⸗ ſtärkung erhielte. Eine beftige Beſchießung bereitete die Schreckensſcene vor. Mehr als 2000 Kugeln wur: den auf die erwähnten Werke gef! äubert. Am gten Januar (2602) Nachmittags gegen die Veſperzeit bey niedrigem Waſſer, rückten die Belagerer mit Leitern und anderm Sturmgeräth verſehen, zum Angriff her— an. Glü licher Weiſe hatte die Nacht zuvor ein ita⸗ liaͤniſcher Überläufer dem Ritter Veere ſehr genaue Details von der beſchloſſenen Unternehmung mitge⸗ theilt und ihn dadurch in den Stand geſetzt, kräfti— ge und zweckmäßige Gegenanſtalten zu treffen und die bedrohten Werke mit allen Vertheidigungs mitteln reich⸗ lich auszuſtatten. Die feindlichen Angriffe waren auf mehrere Punc— te gerichtet. Ein Corps unter dem Oberſten de la Tour war beſtimmt, die alte Stadt anzugreifen; ein ande⸗ res unter dem Grafen Farneſe und den Hauptleuten Durango und Ottaigne ſollte den Sandhügel ſtürmen, und 600 Mann von dem Oberſten Gambalotta ge— führt, das eiſerne Schwein; während Bucquoi mit 4 4 2 . 2000 Mann die Werke auf der Oſtſeite angreifen wür⸗ de. Auguſtin, Mexia, Danafos und Trivulcio an der Spitze gablreicher Reſerven, ſollten die übrigen Hou; fen unterſtützen, und die Reiterey batte : Befehl ſich im Rücken der Stürmenden zu. ſetzen. Der Erzberz 1 ſelbſt hielt zu Pferde hinter einer, Batterie, und, Erzberzoginn. „befand ſich in der Iſabellenſchanze. Saß ganze Heer, ſtand unter den Waffen. Alles iſt voll ‚ge ſpannter Erwartung. Jetzt rücken de la Tour und Gambalotta gegen das Seebollwerck am alten Hafen vor. Die erſten, der Gefahr am meiſten ausgef ſetzten Reiben ſind mit vollſtändigen Harniſchen angethan. Auf die Bewaff⸗ neten folgen 600 Arbeiter mit Leitern, Hacken, Schau⸗ feln und Ein; pen. Den Beſchluß macht die Reiterey, welche eine dichte Mauer bildet, den Rückzug des Fußvolks mit Gewalt zu hindern. Unter dem Krachen aller Batterien erfolgt der Angriff mit außerordentlichem Muthe. Aber ein ſchrecklicher Hagel von Kugeln und Granaten, von Kettengliedern und andern Eiſenſtücken, welche in Körben mit Eiſendraht beflochten aus Hau⸗ bitzen und Mörſern geworfen wurden, und ganze La— gen von Beutelkartätſchen mit Flintenkugeln, — eine neue Erfindung, von welcher man in dieſer Belage⸗ rung zuerſt Gebrauch gemacht haben ſoll, — ſauſt von den Wällen auf die Stürmenden nieder und ſchmet⸗ tert ſie zu Boden. Sie ſtürzten, ſagt der Geſchicht⸗ ſchreiber Meteeren, in ganzen Reihen darnieder, als wenn der Herbſtſturm Apfel ſchüttelt. Sieben Stein⸗ ſtücke von den Belagerten auf die Mündung des Ha— fens gerichtet, machten ein unaufhoͤrliches Feuer. Doch f 4 — 43 — immer traten friſche Krieger an die Stelle der Gefal⸗ lenen, die Hinteren drängten die Vorderen vorwärts und die Kämpfenden unterhielten das Gefecht, obgleich ſie bis an die Knie im Waſſer ſtanden. Auf allen An⸗ griffspuncten ward mit Erbitterung gefochten, aber am heftigſten war der Kampf beym Sandhügel, auf welchem Veere ſelbſt und ſein Bruder Horatio ſich befanden. Schon waren die Palliſaden vor der Fauſ— ſebraye ausgeriſſen und die Spanier und Engländer, jene mit Pieken, dieſe mit Degen bewaffnet, erſta⸗ chen und verwundeten einander, als Veere pon einem Mittel Gebrauch macht, welches den Kampf plötzlich zum Vortheil der Belagerten entſcheidet. Es gab zwey Schleuſen in der Stadt, wopon die eine beſtimmt war, das Waſſer zur Zeit der Ebbe in demjenigen Theile des Canals, welcher, innerhalb der erſteren lag, zu erhalten, und die andere, dazu diente, es auf der andern gegen das Feld berausfüh⸗ renden Seite zu dammen. Beyde Schleuſen laßt Vee⸗ re in einem Augenblick öffnen, und ſogleich ſtürzt das Waſſer mit der größten Heftigkeit in den alten Ha⸗ fen, bis wohin die Stürmenden vorgedrungen waren, reißt viele von ihnen mit ſich fort, ſteigt den Feſt— ſtehenden bis an den Gürtel und durchnäßt alles Pul⸗ ver, ſo daß ihnen nichts als das Seitengewehr zur Vertheidigung bleibt. Vergebens verſuchen die noch Le— benden ſich vor dem Ungeſtüm des wilden Elements zu retten, die Schwerter ihrer eigenen Reiterey zwingen ſie Stand zu halten, und ſie haben keine andere Wahl, als ohne Vertheidigung durch die Geſchoſſe der Fein— de, oder in den Wellen umzukommen. Selbſt von BEE 4 . den Reitern riß der Strudel viele mit ſich fort in das offene Meer hinaus, und ihre gezaͤumten und geſat— telten Roſſe wurden an den ſlandriſchen und ſeeländi⸗ ſchen Küſten todt auf das Ufer gezogen. enn erhielt die Nettetey Befehl zum Rückzuge. Keinen glücklicheren Erfolg als hier, hatte auch gegen die übrigen Angriffspuncte der unternommene Angriff. Überall mußten ſich die Stürmenden mit gro⸗ Bem Verluſt zurück ziehen. So endete ſich dieſer blutige Tag für die Belagerer mit einem Verluſt von 800 Todten und einer faſt gleichen Anzahl Verwundeten. Unter den erſteren befanden ſich Ludovico Gambalot⸗ ta und Ottaigne, und unter den letzteren, de la Tour, Den‘ Pedro de Velasco, Villaverde, der Marcheſe Della Bella und mehrere andere Befehlshaber. Die Belagerten hatten nur 40 Todte und 100 Verwun⸗ dete verloren. Horatio Veere hatte eine gefährliche Wunde in das Bein erhaten. Den Belagerern ward auf ihr Anſuchen ein vierſtündiger Waffenſtillſtand zur Beerdigung ihrer Todten zugeſtanden. Man fand unter den Letztern den Leichnam einer jungen Spanie⸗ rinn, welche ihr Geſchlecht verläugnend als ein Kriegs— mann gefochten hatte. Sie war mit Wunden bedeckt, und trug eine goldene Kette und ein koſtbares Hals: band. Der Erzherzog wollte nach einigen Tagen den Sturm erneuern, aber eine Meuterey, welche unter den ſpaniſchen und italiäniſchen Regimentern ausbrach, hinderte ihn daran. Die mißvergnügten Soldaten klag⸗ ten laut, daß man ſie wie Sclaven behandelt und gleich unvernünftigen Thieren auf die Schlachtbank geliefert 4 en. habe, indem man fie 3 Reiterey gezwungen, auch da noch ihren Poſten. zu behaupten, als ſchon alle Möglichkeit, es mit Erfolg zu thun verſchwunden g ge⸗ weſen ſey. Die Aufrührer weigerten ſich deßhalb und der über den unglücklichen Ausgang des Sturms und die Widerſetzlichkeit ſeiner Truppen gleich heftig g erbit⸗ terte Erzherzog, ließ 50 der Strafbarſten hinrichten. Durch dieſes Bepſpiel von Strenge ward der Aufſtand gedämpft. Der mißlungene 8 und die durch einen firengen. Winter vermehrten Hinderniſſe, veranlaßten verſchiedene Befehlshaber, dem Erzherzog anzurathen, daß er eine Unternehmung aufgeben möchte , deren geringer Erfolg dem damit verbundenen großen, Auf⸗ wand an Blut und Koſten bisher fo wenig entſpeochen habe. Denn wie dürfte man hoffen, bemerkten ſie, eine Stadt zu überwinden, an welcher Feuer und Mi— nen ihre Wirkſamkeit verloren zu haben ſchienen, und gegen die auch das ſonſt nie trügende Mittel des Hun- gers nicht anwendbar ſey, da man ihr die Gemein— ſchaft mit dem Meere nicht entziehen könnte. Aber der Erzherzog, welcher glaubte, daß bey dieſer Belage— rung ſein und des Königs Ruhm auf dem Spiele ſtehe, war durch keine Vorſtellungen davon abzubringen, be— ſonders da auch der geiſtliche Stand der Provinz Flan— dern ſehrspachdrücklich auf die Fortführung derſelben drang. Er war alſo feſt entſchloſſen, fie. trotz aller Hinz derniſſe fortzuſetzen, und begab ſich nach Bruſſel, um die nöthigen Fonds zur Beſtreitung der Unkoften aus zu⸗ mitteln und neue Vorkehrungen zu treffen. Der Graf von Bouquoi übernahm während feiner Abweſenheit den Oberbefehl über die Belagerer. ar Be Beyde Theile ſetzten ihre Arbeiten fort. Die Belagerer verſuchten eine Brücke in der Gegend des Weſtthors zu ſchlagen, um ſich durch dieſelbe einen Eingang in die alte Stadt zu bahnen; und auf der Oſtſeite arbeiteten ſie an einem Damme, der ſich von den Dünen bis an die Geule erſtrecken ſollte. Die Belagerten legten dagegen in der alten Stadt ebenfalls einen neuen Damm und Graben an, welche bis an das Meer geleitet wurden, und woran täglich über tau— ſend Menſchen arbeiteten. Von Zeit zu Zeit ſchoſſen die Feinde Pfeile mit daran gehefteten Briefen in die Stadt, wodurch die Beſatzung unter großen Verſpre⸗ chungen zur Deſertion aufgefordert ward. Es ward auch ein Anſchlag, das Schießpulber in der Feſte an— zuzünden, gemacht, aber vor der uren ent⸗ deckt. War der Erzherzog entſchloſſen, Oſtende, was es auch koſten möge, zu erobern; ſo hatten dagegen die Generalſtaaten den Beſchluß gefaßt, die Feſte ſo lange als möglich zu behaupten und die Beſatzung regelmäßig alle vier bis ſechs Monath abloͤſen zu lafz ſen. Die erſte Ablöſung geführt von Friedrich van Dorp, Wilhelm Edmund, Daniel de Hertaing von Marquette, Berendrecht und Dommerville, langte im Februar und März (1602) zu Oſtende an, und ward mit großen Feyerlichkeiten empfangen. Auch Proviant— flotien von 20, 30 bis 40 Segeln aus Holland und Seeland wurden mit friſchen Kriegs- und Mundbe⸗ dürfniſſen dahin geſandt, und erreichten größten Theils ohne bedeutenden Verluſt ihre Beſtummung. Der Oberſt Friedrich van Dorp übernahm den Oberbefehl in der Risse 47 . belagerten Stadt für den Ritter Veere, Bucher ſich mit der alten Beſatzung (1602, März) einſchiffte und nachdem er eine Reiſe nach England gethan hatte, ar Heere des Prinzen Moriz ſtieß. Dieſer Prinz beſchäftigte ſich jetzt mit der Or— ganiſirung einer Armee, welche beſtimmt war, eine Diverſion zur Befreyung Oſtende's zu machen. Den ganzen Winter hindurch harte man ſich dazu in den vereinigten Provinzen gerüſtet, Truppen angeworben, und große Steuern erboben. Der Plan der General: ſtaaten war: das aufzuſtellende Heer ſollte zu Lande durch Brbbant in Flandern eindringen, und auf die⸗ ſem Wege Oſtende entſetzen; Prinz Moriz widerrieth ihn, weil die Ausfübrung zu viel Schwierigkeiten zeig— te; aber es blieb datey, denn König Heinrich von Frankreich und die Königinn von England hatten ihn in Vorſchlag gebracht, und ihre Stimmen waren ent— ſcheidend, da dieſe Soldaten und jener Geld hergab. In der Mitte des Brachmonarhs war ein Heer von 18000 Mann zu Fuß und 5000 Reitern beyſammen, welches mit Geſchütz und allen Arten von Kriegsge— räth, ſelbſt nit beweglichen Mühlen verſehen war. Im Gefelge desselben befand ſich ein Fuhrweſen von 5000 Wagen und ein ungeheurer Troß von— Bäckern, Brauern, Müllern, Zimmerleuten, Maurern, Satt— lern, Schanzgrabern, Bergknappen und 900 Matro— ſen zur Bedienung des Geſchützes. Das Heer ſelbſt, eins der zahlreichſten von allen, welche die Republik in dieſem Kriege ins Feld geſtellt bat, war in drey Divifionen getheilt, an deren Spitze die Grafen Wil⸗ beim und Ernſt von Naſſau, und Franz Veere, der ta⸗ era AD ce pfere Vertheidiger Oſtenden's , ſtanden. Prinz Moriz führte den Oberbefehl, und in ſeinem Gefolge befan⸗ den ſich ſein Bruder Heinrich Friedrich, Lord Grai und ein zahlreicher freywilliger Adel. ö se Am 19. des Brachmonoths ward ein allge mei⸗ ner Faſt⸗ und Bethtag in den vereinigten Pro- vinzen gehalten, und den 22ten und 23ten ging das Heer bey Mock ohnweit Nimegen über die Mass, und durch das Bisthum Lüttich nach St. Turyen an der Grenze von Brabant, wo es im Angeſichte des bey Tienen ſtehenden ſpaniſchen Heeres ein Lager bezog. wer Der Erzberzog hatte auf die Nachricht von den großen Rüſtungen in den vereinigten Provinzen, ein Obſervationscorps zuſammengezogen. Es beſtand an— fangs nur aus den Regimentern Trivulzio, Della Bel— la, Davalos und Malespina, welche größten Theils vor Oſtende gedient hatten, und aus 14 Schwadro— nen unter dem Grafen Beljiogoſo. Bald darauf aber verſtärkten es einige Tauſend mei: geworbene Schwei⸗ zer und Wallonen, und 8000 Italiäner geführt von Pompeo Juſtiniani, Lucio Denticio und Auguſtin Ar⸗ conato, welche der Marcheſe Ambroſto Spinola auf eigene Koſten angeworben hatte und unterhielt. Nach der Ankunft dieſer Verſtärkungen flieg der Beſtand des Heers, auf 15000 Mann zu Fuß und 4000 Reiter, und die Stadt Mecheln verſah es mit 18 neuen Ka: nonen und der nöthigen Munition. Den Oberbefehl darüber vertraute der Erzberzog dem Admiral Mendo⸗ za, welcher kurz zuvor gegen Loslaſſung aller gefan— genen Niederländer in Spanien, Portugall, Indien | und und den katholiſchen Niederlanden wieder ausgewechſelt worden war. Der Admiral führte das Heer an die Grenze Brabants und ſtellte ſich bey Tienen auf, um die Bewegungen des Prinzen Moriz zu beobachten, ihm den Weg nach Brabant zu verſperren und dadurch zugleich die Belagerung von Oſtende zu decken. Wäh⸗ rend die beyden feindlichen Heere einander dort an den Grenzen Brabants bewachten, und das eine eben ſo forgfältig eine Schlacht zu vermeiden, als das andere fie zu liefern ſuchte, dauerte die Belagerung von Oſt— ende ununterbrochen fort, jedoch eine Zeitlang mit ge— ringerer Thätigkeit als zuvor. Die Empörung der Re— bellen von Hochſtraaten, wovon ſchen früher die Nee de geweſen iſt, die ſtarke Rüſtung, welche die Sicher— ſtellung Brabants und Flanderns gegen die Unterneh- mungen des Prinzen Moriz erforderte, und vorzüglich der Geldmangel des Erzherzogs, hinderten den letzte— ren hier mit größerem Nachdruck zu handeln. Die Beyträge der Flanderer zu den Belagerungskoſten, wie anſehnlich fie auch waren, reichten doch beh wei— ten zu den ungeheuren Ausgaben nicht hin, welche die Belagerung verſchlang. Die walloniſchen Landſchaf— ten verweigerten jede Beyſteuer unter dem Vorwan— de der zweydeutigen Verhältniſſe mit Frankreich N wel: che fie zu großen Aufopferungen für ihre eigene Sicher— heit nöthigten; Brabant ward durch die Rebellen von Hochſtraten gebrandſchatzt und die großen Verſprechun— gen des ſpaniſchen Hofes waren noch nicht in Erfüllung gegangen. Endlich da durch die Ankunft beträchtlicher Geldſummen aus Spanien, und durch ein neues Don Gratuit der Flanderer von 500000 Gulden die Kriegs Schillers Niederl. 8. Vo. D ne 50 ven sajfe wieder angefüllt war, wurden neue Truppen zur Verſtärkung des Belagerungsbeers geworben; verſchie⸗ dene geſchickte Kriegsbaumeiſter in Dienſt genommen; in Lübeck, Hamburg, Emden und an den Küſten der Oſtſee Matroſen geworben, und aus Spanien und Italien neue Galeeren herbey geſchafft, um die ſpani⸗ ſche Seemacht in der Nordſee zu verſtarken und die Navigation der vereinigten Niederländer in dieſem Mee— re einzuſchränken. Von jetzt an herrſchte auch vor Oſt⸗ ende wieder größere Thaͤtigkeit, und die Belagerer ſetzten ihre Arbeiten und Angriffe fort. Auch der Erz— herzog, welcher eine Zeitlang abweſend geweſen war, kehrte wieder zurück. Juan de Rivas hatte während feiner Entfernung den Oberbefehl im Lager geführt. Am 5. des Heumonaths (1602) ward in Oſtende das Jahrsfeſt der Belagerung durch eine Dankpredigt und durch Salven aus dem groben und kleinen Geſchütz gefeyert, wobey, da keine Glocken vorhanden waren, Kinder und Weiber auf Keſſel ſchlugen. An Lebens⸗ mitteln und andern Vorräthen war kein Mangel in der Stadt, und die Belagerten waren voll Zuverſicht und Muth, denn noch immer wehte die freundſchaftliche niederländiſche Flagge in ihrer Mitte. Indeß wieder⸗ hohlten die Feinde von Zeit zu Zeit die Verſuche, den Belagerten die Gemeinſchaft mit der See zu entziehen, oder fie. ihnen wenigſtens zu erſchweren. Sie thüͤrmten aus Faſchinen berghohe Platteformen und Cavaliere auf, die mit Feuerſchlünden beſetzt wurden, welche unaufhörlich auf die ein- und auslaufenden Schiffe donnerten. Die Belagerten legten dagegen nicht nur ähnliche mit Steiaſtücken beſetzte Werke an, ſondern nen 51 sera beſchoſſen auch die feindlichen Platteformen mit Feuer— pfeilen, die mit ſtarken eiſernen Wiederhaken verſehen waren, und nicht ſelten Anlagen, die eine Monath lange Arbeit erfordert hatten, in wenig Minuten in Aſche verwandelten. Die Vertheidiger Oſtendes ent— lehnten dieſes Zerſtörungsmittel von der älteren Kriegs— kunſt, denn ſchon längſt hatte man ſich desſelben in der neueren Zeit nicht mehr bedient. Ein anderes, welches die Feinde anfangs in nicht geringe Beſtür— tzung ſetzte, erfanden fie ſelbſt. Es war damahls fo wie noch jetzt bey Belagerungen gewöhnlich, daß bey: de Theile während der Nacht Leuchtkugeln warfen, um bey dem Scheine derſelben die gegenſeitigen Bewegun— gen zu erkennen; eine Vorſicht, welche zu jener Zeit, da nächtliche Unternehmungen noch ſo häufig ſtatt fan— den, unumgänglich nöthig war. Dieſe Kugeln waren übrigens unſchädlich, und man konnte ſie durch feuchte Erde und naſſe Häute leicht auslöſchen, und dadurch ihren Zweck zum Theil vereiteln. Die niederländiſchen Artilleriſten in Oſtende, welche dieß verhindern woll— ten, ſteckten eine Granate in die Leuchtkugel, und warfen fie mit der todtbringenden Frucht in ihrem Schooße unter die Feinde, welche keine Gefahr ahndend zum Löſchen herbey eilten, und plötzlich durch die pla— tzende Granate getödtet oder verwundet wurden. Dieſe Erfindung ſchreckte anfangs die Belagerer von den tödtli— chen Leuchtkugeln zurück, und keiner wagte es, ſich ihnen zu nähern, bis ſie erſt vertrauter mit ihrer Einrichtung wurden, und auch ihrerſeits Gebrauch davon machten. Pompeo Tarjone, ein berühmter Kriegsbaumei— ſter, Römer von Geburt, gebildet in der italiäniſchen D 2 mem. 92 e . Schule, damahls noch der vorzüglichſten in Europa, und ſpäterhin durch eine ehrenvolle Theilnahme an der merkwürdigen Belagerung von Rochelle ausgezeichnet, führte die Aufſicht über die Arbeiten und Anlagen zur Sperrung des em, Er kam auf den Gedanken, den boucquoiſchen D Damm zu verlängern, um dadurch die Mündung des Hafens beſſer zu beherrſchen. In dieſer Abſicht ließ er am Ufer hinter dem ſchon vorhandenen Theile des Dammes, zur Zeit der Ebbe, große 50 bis 60 Fuß lange und Zo Fuß breite Flöße, von den Spaniern Flottas genannt, aus Balken Waſſerfaſchi— nen verfertigen. Um das Floß an die beſtimmte Stel— le zu ſchaffen, wurden an den Seiten desſelben leere Tonnen befeſtigt und der Boden darunter hinwegge— räumt, damit die die ſteigende Fluth es erheben und dahin fuhren konnte. War dieß geſchehen, fo wurden die Tonnen ſogleich wieder losgemacht, worauf es am Grunde ſitzen blieb, und ſodann mit einer Lage von Schutt und Steinen bedeckt, und mit einer ſchützenden Bruſtwehr verſehen, eine Fortſetzung des ſchon vor— handenen Dammes bildete. Die erſten mit dieſen Flottas gemachten Ver— ſuche, gelangen zu Tarjone's außerordentlicher Freu— de über alle Erwartung. Der Damm ward dadurch bis nahe an die Mündung des Canals verlängert, und man erbaute ungeſäumt noch ſechszehn ähnliche Ma— ſchinen. Aber als ſie nun vollendet waren, zerſtörte eine gutgerichtete Batterie der Belagerten von eilf Feuerſchlünden die Verbindung des Holzwerks mit den Faſchinen, worauf die ſteigende Fluth das ganze Floß aus einander riß und bis auf die letzte Spur davon vr 53 nes führte. Andere Maſchinen diefer Art wurden von den Belagerten durch Feuerpfeile oder Brandkugeln in Aſche verwandelt, oder durch Sturm und Wogen ver⸗ nichtet, und Tarjone mußte ſein Vorhaben, durch die— ſes Mittel den Hafen zu ſperren, aufgeben. Der Herzog Pedro Giron de Oſſuna und Jo— hann de Mebicis, welcher in dem damahligen Tür— kenkriege großen Ruhm erworben hatte, waren im Lager vor Oſtende angelangt, und gaben Augenzeu— gen dieſer und ähnlicher Arbeiten ab, unter welchen der Sommer und Herbſt vergingen, ohne daß die Belagerer bedeutende Fortſchritte zur Erreichung ihres Zwecks gemacht hätten. Noch war keins von den Haupt⸗ werken der Stadt erobert, das Meer ſtand den Bela— gerten noch offen, und ihre Bundesbrüder verſäumten nicht, ſie von Zeit zu Zeit mit allem Nöthigen zu vers ſorgen; nur ihre Hoffnung durch die große Armee, wel— che Prinz Moriz an die Grenzen von Brabant geführt hatte, entſetzt zu werden, blieb unerfüllt. Alle Verſuche des Prinzen, den Admiral in ei— ne Schlacht zu verwickeln, waren vergebens; der letz— tere verließ die eingenommene feſte Stellung nicht und hielt ſo feſt auf der ſtrengſten Defenſive, daß es nicht einmahl zu einem Scharmützel zwiſchen beyden Thei— len kam. Ein ſtarkes feindliches Heer hinter ſich zu laſſen und auf engen und ſchlechten Wegen zwiſchen feindlichen Städten hindurch tiefer in die feindliche Provinz einzudringen, wagte Prinz Moriz nicht. Als ihm nun überdieß die nöthige Subſiſtenz zu fehlen an— fing, gab er die projectirte Invaſion in Brabant und Flandern auf, und beſchloß Grave, anzugreifen. Am — DA oma 18 des Hermonaths rückte er vor dieſe Stadt, nach— dem er ſich auf dem Marſch dahin des feſten Schloſſes Helmont bemächtiget hatte. Don Antonio Gonzalez, der mit 1800 Spaniern, Italiänern und Hochdeut— ſchen in Grave ſtand, war zu einer herzhaften Ver⸗ theidigung entſchloſſen. 5 Das niederländiſche Heer faßte auf drey Punc⸗ ten, im Oſten, Suden und Weſten des Platzes Poſto, und da der Prinz leicht vorherſehen konnte, daß Mendoza der Stadt zu Hülfe eilen werde, ſo befeſtigte er ſein Lager mit der größten Kunſt und Sorgfalt. Eine Meilenlange, durch zwey Brücken über die Maas verbundene Fortificationslinie verei— nigte die drey Quartiere des Lagers miteinander, ſchützte die Belagernden vor jedem Angriff und um— ſchloß die Stadt. Häufige Ausfälle der Beſatzung beunruhigten die Belagerer bey der Aufführung die— ſer weitläuftigen Verſchanzung; als ſie ſolche endlich vollendet hatten, eröffneten ſie die Laufgraben von allen drey Quartieren aus, in der Entfernung eines Kanonenſchuſſes von der Feſte. Sie wurden gegen ſechs Fuß tief, und ſo breit gemacht, daß ein Wa— gen daren fahren konnte, und an den Biegungen mit Redouten für die Trenſcheewache verſehen. Auch wur— den Minen und Gallerien geführt, und dieſe unterirs diſchen Anlagen waren ſo bewundernswürdig, daß viele Fremde fie zu beſehen kamen; unter andern der. Geſchichtſchreiber dieſes Kriegs, Emanuel von Metee— ren, der uns eine weitläuftige Beſchreibung davon hinterlaſſen hat. Erſt nach langem Zögern und auf des Ehen wenn 55 mu 3098 gemeſſenen Befehl, war der Admiral dem Prinz zen nach Grave gefolgt, wo er anlangte, als die Niederländer die Befeſtigung ihres Lagers bereits voll— endet hatten. Am 15. Auguſt griff er das Lager an, und zu gleicher Zeit that auch die Beſatzung einen heftigen Ausfall. Aber das niederländiſche Geſchütz trieb die Feinde auf beyden Seiten zurück. Mehrere folgende Tage wurden die Angriffe wiederhohlt, ohne einen andern Erfolg, als daß fie einer Anzahl der Kämpfenden auf beyden Seiten das Leben koſteten. Prinz Moriz verlor in dieſen Gefechten zwey ſeiner beſten Kriegsbaumeiſter, Andreas de Roy und Jacob von dem Boſch, welche beyde erſchoſſen wurden. Auch der Ritter Veere erhielt eine Schußwunde in den Hals, wie man ſagte von ſeinen eigenen Leuten, die ihn nicht liebten, weil er ſehr hart und ſtreng gegen ſie war. Da der Admiral die Hoffnung, die niederländiſchen Linien zu überwältigen, oder eine Veeſtärkung in die Stadt zu bringen, aufgab: zog er ſich in größter Stille von Grave zurück, und führte ſein Heer die Maas herauf nach Venlo und von da nach Maſt— richt. Bald darauf verließ er die Niederlande auf im— mer und kehrte nach Spanien zurück, wo er mit Vor— würfen überhäuft ward. | Grave, obgleich feinem Schickſal überlaſſen, vertheidigte ſich noch faſt vier Wochen. Endlich da die Belagernden verſchiedene Außenwerke genommen, und ihre Parallelen bis an die Baſtionen und die Cour— tine vorgetrieben hatten, capitalirte Gonzalez und übergab (1602, 19. Sept.) die Stadt, welche zu den Familiengütern des Prinzen gehörte. Moriz em: aa 56 m pfing die Huldigung von ihr, und verlegte darauf fein Heer in die Winterquartiere; Graf Ludwig von Naſ— ſau aber unternahm noch einen Meitterzus in das Lu⸗ xemburgiſche. | Wenige Wochen 0 dem Fall von Grave er— litten die ſpaniſchen Waffen einen andern bedeutenden Verluſt im Canal und in der Nordſee. Federico Spi— nola ſchiffte mit acht Galeeren, die mit goo Solda— ten und 1500 Ruderſclaven beſetzt waren, aus Spa— nien nach den flandriſchen Küſten. Bey St. Hubes in Portugall richtete die engliſche Obſervationsflotte zwey dieſer Fahrzeuge zu Grunde, die übrigen ſetzten ihre Fahrt weiter fort. Sie hofften unter Begünſti- gung eines heftigen Nebels, und indem ſie nahe an der engliſchen Küfte hinruderten, durch den Canal zu ſchleichen. Aber fie wurden von dem engliſchen Be: fehlshaber Ritter Manſel entdeckt, der fie beſchoß, und der niederländiſchen Escadre unter dem Admiral Cant, welche am Eingange des Canals kreuzte, ent— gegentrieb. Zwey Galeeren wurden auf der Höhe von Grevelingen von den Holländern überſegelt und zer— trümmert, eine dritte ſcheiterte unweit Calais, zwey liefen ſehr beſchädigt zu Nieuwpoort ein, und die Hauptgaleere, der San Ludwig, an deren Bort Spinola ſelbſt mit feinem auf 200000 Gulden ge— ſchätzten Silbergeſchirr ſich befand, erreichte nach tau— ſend Gefahren (October) den Hafen von Dünkirchen. Die Niederländer nannten das traurige Schickſal, welches die Galeeren traf, eine gerechte Vergeltung des Himmels für die Grauſamkeit der Spanier, wel— che ihre Gefangenen oft wie Eclaven auf dieſen Rabe: ” . 57 * zeugen rudern ließen. Spinola wollte ſich für den er littenen Verluſt durch Plünderung der Inſel Walche— ren entſchädigen, aber der Erzherzog konnte ihm die dazu verlangten Truppen nicht geben und die Sache unterblieb. | In Spanien hatte man die Freude, im Winter eine reiche weſtindiſche Flotte ankommen zu ſehen, welche allein für die Krone 2,575846 Realen, und für Rechnung der Kaufleute die doppelte Summe in barem Gelde oder Silberbarren und eine Menge koſt— barer Waaren mitbrachte. Doch es iſt Zeit jetzt wieder zu der Belagerung von Oſtende zurück zu kehren. Sie hatte nun ſchon zwanzig Monath gedauert, und man hat berechnet, daß während dieſes Zeit— raums 250000 Schüſſe mit 30 und 50 pfündigen Kugeln auf die Stadt und ihre Werke gethan, und mit 100000 aus ſchweren Kanonen beantwortet wor: den waren. Von den Belagerern hatten 18000 und von den Belagerten 8000 Mann durch Schwert, Krankheiten und Strapatzen das Leben verloren. Dennoch ward man nicht müde, auf der einen Seite die Angriffe und von der andern die Vertheidigung fortzuſetzen, und allen Gefahren und Mühſeligkeiten Trotz zu biethen. Jetzt gegen das Ende des Jahrs 1602 herrſchten im Lager große Zwiſtigkeiten zwi— ſchen den ſpaniſchen, walloniſchen und den übrigen Befehlshabern, welche einen nachtheiligen Einfluß auf die Operationen hatten. Man machte beſonders dem Kriegsbaumeiſter Tarjone die bitterſten Vorwürfe über die Zweckloſigkeit, der auf ſeine Angabe mit ſo großem Kosten- und Zeitverluß an dem boucquoi? wem 58 nun ſchen Damme unternommenen Arbeiten, deren Nutzen noch bis jetzt höchſt problematiſch war. Der Anfang des neuen Jahrs (1605) ward ı wie gewöhnlich von beyden Theilen durch ein heftiges Feuer von allen Batterien ſolenniſirt, und die Be— lagerer fuhren fort, an den aufgeführten Werken zur Sperrung des Hafens zu arbeiten, obgleich mit ſo wenigem Erfolge, daß die Schiffe noch immer mit ges ringem Verluſt ein-und ausliefen. Im Februar riß das durch einen heftigen Sturm empörte Meer, ei— ne Anzahl vor der Mündung des Canals verſenkter Schiffe aus der Tiefe empor, und führte ſie hinweg. Nach einiger Zeit richtete ein ähnlicher orcanmäßiger Sturm große Verheerungen an den Gebäuden und Feſtungswerken der Stadt und im Lager an. In der darauf folgenden Nacht (1603, 5. Aprill) unternah⸗ men die Spanier einen Angriff auf die Außenwerke am ſogenannten Polder. Aber die aus Schweizern und Englaͤndern beſtehende Beſatzung vertheidigt ſich mit der größten Unerſchrockenheit, und ſchlägt nach einem heftigen Kampfe den Angriff zurück. Doch die Stürmenden, entſchloſſen zu Sieg oder Tod, wie— derhohlen ihn, indem ſie ſich hinter den aufgethürm— ten Leichnamen ihrer Waffenbrüder wie hinter einer Bruſtwehr aufs neue ordnen, und es gelingt ihnen endlich, ſich dreyer der angegriffenen Werke zu be— mächtigen. Ergrimmt über den erlittenen außerordent— lichen Verluſt, hauen ſie die tapfern Vertheidiger alle nieder bis auf den letzten Mann. Den folgenden Tag machten die Belagerten einen Verſuch zur Wiedereros lerung der verlornen Werke. Ein möderiſches Ge— — rn. 59 n fecht war die Folge davon, ohne daß jene ihren Zweck erreichen konnten. Vierhundert der Ihrigen blieben auf dem Platze, und der Verluſt der Belagerer war noch ſtaͤrker. Cin heftiger Ausfall, welchen die Bela— gerten gegen den boucquoiſchen Damm unternehmen, ward ebenfalls mit großem Blutvergießen von beyden Theilen zurückgeſchlagen. Sie erhielten bald darauf eine neue Truppenverſtärkung und eine Anzahl ſchwe— rer Kanonen, deren ſich der tapfere Van der Noot, welcher an des abgegangenen Van Dorps Stellke jetzt wieder Befehlshaber in der Feſte war, mit gutem Er— folge gegen die Anlagen der Feinde bediente. Eine peſtilenzialiſche Seuche wüthete um dieſe Zeit unter der Beſatzung und den Einwohnern, und die, welche davon ergriffen wurden, fielen entweder in Wahnſinn oder wurden ein ſchnelles Opfer des Todes. Dennoch ertrugen die Belagerten jede Gefahr und jedes Unge— mach mit unerſchütterlicher Standhaftigkeit. So mächtig wirkte auf ſie der Geiſt eines Zeitalters, wo man, durch Wall und Graben gedeckt, oft lieber olle Graͤuel und alles Elend über ſich ergehen ließ, als daß man ſich dem Feinde ergab. Die frobe Nachricht von einem Siege, welche die vor dem Hafen von Sluis ſtationirten niederländiſchen Schiffe über die feindlichen Galeeren erfochten hatten, erhob und ſtärkte den Muth jener tapfern Männer. | Federico Spinola, in der Abſicht eine Lane dung auf der ſeeländiſchen Inſel Walcheren zu ma— chen, war mit acht ſtarkbemannten Galeeren aus dem Hafen von Sluis gelaufen. Der niederländiſche Ad— miral Jooſt de Moor hielt mit drey Schiffen und wre 60 S zwey Galeeren den Hofen blockirt; aber er konnte das Auslaufen der feindlichen Flotille nicht hindern, und Spinola von einem günſtigen Winde und ruhi⸗ gen Meere begünſtigt, griff die niederländiſchen Schiffe an, welche nur wenig Soldaten am Bord hatten.“ Aber die tapfern ſeeländiſchen Matroſen erſetzten den Mangel an Kriegsvolk und fochten ſo brav, daß die Galeeren trotz ihrer Übermacht (26. May) die Flucht nach Sluis nehmen mußten. Achthundert von den Feinden und unter ihnen Spinola ſelbſt verloren das Leben. Der Niederländer Verluſt war nur gering, und der tapfere Jooſt de Moor war von der erhal— tenen gefährlichen Wunde wieder geheilt. Die Pro— vinz Seeland ließ zum Andenken dieſes Siegs, der fie von einem gefährlichen Feinde befreyte, eine file berne Denkmünze ſchlagen. | Auf die Belagerer Oſtende's machten die Mie- derlage der Galeeren und der Tod ihres Anführers einen niederſchlagenden Eindruck. Dieſe Unfälle und der ſchlechte Fortgang ihrer langen und beſchwerlichen Blutarbeit, fingen an, ihre Standhaftigkeit zu erſchüt— tern. Die Hoffnung auf einen günſtigen Ausgang er— loſch nach und nach, und Johann von Medicis, ein ſehr erfahrner Ingenieur und Artilleriſt, und Juan de Rivas bemühten ſich vergebens, die Mittel zu erſin— nen, wodurch man endlich den Fall Oſtende's bewir— ken könne. In dieſer kritiſchen Lage trat auf den Schauplatz der Belagerung eine neue merkwürdige Perſon, mit deren Erſcheinung zugleich ein neuer Act dieſes großen militäriſchen Dramas anhebt. Dieß war der Marcheſe Ambroſio Spinols, des getödteten + vrren 61 rern Federico Bruder, dem wir von jetzt an die Haupt⸗ rolle nicht nur in dieſer Belagerung, ſondern auch bey allen übrigen Unternehmungen der Spanier in den Niederlanden ſpielen, und dadurch ihren Waffen einen neuen Glanz geben ſehen. i | Dieſer außerordentliche Mann, werth dasſelbe Vaterland mit einem Columbo und Andreas Doria zu haben und der Gegner eines Moriz und Heinrich Friederich zu ſeyn, war aus Genua gebürtig, der Sohn Philippo Spinolo's, eines edlen und reichen genueſiſchen Bürgers und der Donna Polyxena Gri— maldi. Er hatte die früheren Jahre ſeines Lebens den Wiſſenſchaften und der Handlung gewidmet; erſt im dreyßigſten trieb ihn ſein thätiger Geiſt, der Verdruß über die Verſagung einer obrigkeitlichen Würde in ſeiner Vaterſtadt und das Beyſpiel ſeines Bruders Federico, der Abgeſchiedenheit des Privatſtandes und ſeinem friedlichen Gewerbe zu entſagen, und ſich in die Stürme und Gefahren einer kriegeriſchen Laufbahn hinaus zu wagen. Ambroſio erboth ſich, auf den Ga— leeren ſeines Bruders zu dienen, und warb auf eigene Koſten einige tauſend italiäniſche Soldaten an, wel⸗ che er nach den Niederlanden führte, und mit ihnen das Heer des Admirals Mendoza an den Grenzen Brabants verſtärkte (1602). Von dort begab er ſich in das Lager vor Oſtende, um der Belagerung als Freywilliger beyzuwohnen. Bald leuchteten hier die Funken ſeines großen militäriſchen Genies hervor, und zogen die Aufmerkſamkeit des Erzherzogs auf ihn. Je ſorgfaͤltiger der Fürſt ihn beobachtete, deſto mehr ger wann Spinola ſein Zutrauen und ſeine Achtung, und > endlich glaubte Albert in ihm den Mann gefunden zu haben, von dem er eine glückliche Entwickelung des langen Kampfs um Oſtende hoffen könne. Er beſpricht ſich mit ihm darüber und Spinola voll edlen Ver— trauens auf die Kraft, die in ihm wohnt, ergreift mit Freude die ſich darbiethende Gelegenheit, in dem neuen ſelbſtgewählten Stande auf eine ſo glänzende Weiſe zu debütiren. Der Erzherzog ſendet ihn hier— auf mit großen Empfehlungsſchreiben an den ſpani— ſchen Hof, wo er ſich nicht weniger beliebt zu machen weiß. Er verpflichtet ſich bey der Regierung wie durch einen förmlichen Contract zur Eroberung von Oſten— de, ſchießt ihr zugleich eine anſehnliche Summe Gel— des vor, und erhält den Oberbefehl iet das Bela⸗ gerungsheer. Don Roderigo Laſſo, welcher (1605) im Brad: monath aus Spanien kam, brachte zuerſt die Nach— richt von der Erhebung Spinola's in das Lager vor Oſtende, eine Nacheicht, welche die älteren Befehls⸗ haber nicht wenig kränkte, weil es ihren Stolz be— leidigte, ſich einem Neulinge in den Waffen nachge— ſetzt zu ſehen, von deſſen Exiſtenz ſie noch kaum ge— hört hatten. Aber dieſer Neuling verdiente vollkom- men den ehrenvollen Poſten, auf welchen ihn Philipp und Albert erhoben hatten. Er gehörte zu den origi— nellen Geiſtern, die alles, wodurch ſie ſich im practi— ſchen Lehen oder in den Speculationen der Ideenwelt auszeichnen, durch ſich ſelbſt find. Ohne jemahls Sol: dat geweſen zu ſeyn, entwickelte er bey ſeinem erſten Erſcheinen auf der Bühne des Kriegs, alle Eigenſchaf— ten des vollendeten Feldherrn. Und dieſer außerordent— * ar HD or liche Menſch, dem feine nachherigen Feldzüge in den ederlanden und Deutſchland einen Platz unter den beſten Feldherren ſeines Jahrhunderts verſchafft haben, war auch ein ausgezeichneter Staatsmann und hat ſich als ſolcher nicht minder glänzende Verdienſte erwor⸗ ben. Dabey war das einzige Motiv bey allen feinen öffentlichen Handlungen, der Ruhm. Dieſem allein lebte er, und der Eigennutz war ihm ſo fremd, daß er, anſtatt in ſeinem Dienſte Schätze zu gewinnen, vielmehr den größten Theil eines anſehnlichen vaͤterli⸗ chen Erbes zum Vortheil Spaniens aufopferte. Der hohe Beruf des großen Feldherrn ward durch jede Eigenſchaft ſeines Geiſtes und ſeines Gemüths be— gründet. Er vereinigte die größte Unerſchrockenheit mit der höchſten Vorſicht. Nie, ſelbſt nicht in den ver— zweifeltſten Lagen, verließ ihn die Beſonnenheit, und ſein Muth war eben ſo weit von unüberlegter Tollkühnheit und Verwegenheit, als von furchtſamer Unentſchloſſenheit entfernt. Sein an Hülfsmitteln un⸗ erſchöpflicher Geiſt leitete ihn glücklich durch die Ge⸗ fahr und alle Stürme eines feindſeligen Geſchicks. Niemand unterwarf ſeine eigenen und fremde Ideen, wie blendend ſie auch ſeyn mochten, einer ſtrengeren Kritik, ehe er ſie auf die Praxis des Lebens anwand— te. Dabey herrſchte ſein Geiſt unumſchränkt über ſeine körperliche Natur. Er ſchien vollkommen Meiſter über die Bedürfniſſe des Hungers und des Schlafs, und trotz des milden ſüdlichen Himmels, unter welchem er geboren war, achtete er weder Froſt und Schnee, noch irgend ein anderes Ungemach des rauheren nie— derländiſchen und deutſchen Climas. Wie die meiſten non 64 u genialiſchen Menſchen war er ein Feind aller Kleider— pracht, aber er vernachläſſigte in ſeinem Außeren nie die Würde des Befehlshabers. Durch ein freundliches humanes Betragen gewann er die Herzen der Men⸗ ſchen. Keinem war der Zutritt zu ihm verſagt, und mit gleicher Leutſeligkeit empfing er den Soldaten und Landmann. Dadurch gelang es ihm auch, trotz der ſtrengeren Disciplin, welche er unter den Truppen einführte, ſich zugleich mit der Achtung der Kriegs— leute, auch ihr. Zutrauen und ihre Anhaͤnglichkeit zu erwerben. Sein heller Blick drang tief in die Seele derer, die er erforſchen wollte; ihn ſelbſt, den fei— nen und verſteckten Italiäner zu ergründen, gelang nur ſelten, und niemand wußte ſo gut das Geheim; niß einer Sache zu bewahren, als er. Es war im Heumonath des Jahrs 1605, als Spinola aus Spanien im Lager vor Oſtende anlangte. Mit ſeiner Ankunft gewann alles eine veränderte Ge— ſtalt, und ein neuer Geiſt belebte die Belagerer. Er vermehrte das Belagerungsheer mit einer Anzahl neuer Truppen, ſetzte einige Befehlshaber ab, die ihre Schuldigkeit nicht immer gethan hatten, und ernannte andere an ihre Stelle; verſammelte eine Elite der geſchickteſten Kriegsbaumeiſter um ſich her; ſchloß neue und wohlfeilere Contracte mit den Lie— feranten der Lebensmittel und übrigen Bedürfniſſe, und verſah ſich durch Verpfändung eines Theil ſei⸗ ner Güter mit großen Geldſummen, um die richtige Bezahlung der Soldaten bewirken und dadurch den Vorwand zu Empörungen und Widerſetzlichkeiten ent— fernen zu können. Die Belagerung ſelbſt nahm einen taſche⸗ en 65 — kaſcheren und kraͤftigeren Gang an. Der Römer Tara jone erhielt Befehl, die Arbeiten an dem boucquoi⸗ ſchen Damme fortzusetzen. Die übrigen Angriffswerke wurden ebenfalls fortgefuͤhrt und neue Anlagen ge⸗ macht. Tag und Nacht ſah man die Soldaten mit dies fen Arbeiten beſchäftigt, trotz des unaufhörlichen Ras nonen⸗ und Musketenfeuers von den Wällen, wobey die Belagerten, außer dem gewöhnlichen, aus Kie— ſelſteinen, Kettengliedern und andern alten Eiſen be— ſtehenden und in Netze von Eiſendraht gefaßten Ha— gel, auch Kartätſchen- und Mustetenkugeln in Säcke von ſtarkem Segeltuch gepackt, aus kleineren Orgel— geſchützen gegen die Laufgraben der Belagernden ſchoſſen. Um die Soldaten gegen dieſes mörderiſche Feuer zu ſchützen, erfand der Kriegsbaumeiſter Pompeo Giuſtiniani, ein Corſe von Geburt und Zögling der römiſchen Schule, der ſchon unter dem Herzog von Parma mit Auszeichnung gedient hatte und mit Spi— nola wieder nach Belgien gekommen war, und ſich nicht nur durch feine Thaten im niederländiſchen Krie— ge, ſondern auch durch eine Geſchichte desſelben be— rühmt gemacht hat, — die ſogenannte flüchtige Sap— pe. Er ließ nähmlich während der Nacht bloß die Schanzkörbe in die Linien der Laufgraben ſetzen und fie am folgenden Tage mit Erde anfüllen, um die Sappe zur Vollendung zu bringen. Da die Verfer— tigung der Sappe ſehr in ber Nähe der feindlichen Werke geſchah, fo wolle er durch jene Einrichtung bewirken, daß die Arbeiter weniger durch das feine li— che Feuer leiden ſollten. Derſelbe Zweck ſollte aach Schillers Niederl. 8. Bo. E % 66 durch die Anwendung der ſogenannten Blenden und Cbandeliers erreicht werden. Jene beſtanden aus zwey in die Erde gegrabenen Säulen, oben durch ein Quer— holz verbunden, an welchen ſich eine Reihe aufrecht⸗ ſtehender Faſchinen lehnte. Die Chandeliers waren zus ſammengeſetzt aus zwey funfzehnfüßigen in eine wag⸗ rechtliegende Schwelle eingezapften Säulen, zwiſchen welchen ebenfalls Faſchinen angebracht waren, um ger gen die Musketen- und Kartätſchenkugeln zu decken. Aber aller dieſer Anſtalten ungeachtet, tödtete und verwundete das ununterbrochene Feuer der Belager— ten doch eine ſolche Menge von den Ardeitern, daß ſelten die Hälfte derſelben lebend und ene in das Lager zurückkehrte. Spinola theilte jede Gefahr und Mübſeligkeit mit ſeinen Kriegern, und zeigte ihnen bey allen Un— fallen und Launen des Glücks eine immer heitere Stirne. Er entſagte Schlaf und Bequemlichkeit, brach— te ganze Tage ohne Nahrungsmittel zu, ſetzte ſich allem Ungemach der Witterung aus, und verweilte manche Nacht auf gefahrvollen Poſten oder in den Hütten der Kriegsleute. Liebreich ließ er ſich zu dem geringſten Soldaten herab, hörte feine Klagen theil— nebmend an, ſorgte ſo viel als möglich für ſeine Be— dürfniſſe, und indem er pünctlichen Gehorſam feiner Befehle von ihm forderte, feuerte er ihn zugleich durch Beyſpiel und Belohnung zur Erfüllung ſeiner Aflichten an. Einſt zerſchoß ein Artilleriſt mit dem zweyten Schuſſe das Ankertau eines von ſeiner Mann: fchaft verlaſſenen feindlichen Schiffes, nachdem ſchon mehrere Wagehälſe, welche hinüber zu ſchwimmen und das Tau durchzuſchneiden verſucht hatten, von den Wellen verſchlungen oder von den feindlichen Muse ketenkugeln getödtet worden waren. Das Schiff von ſeinem Anker entfeſſelt, ward durch die Wellen ans Ufer geworfen, und von den Belagerern in Beſitz ge— nommen. Spinola, Augenzeuge dieſes Vorfalls, bing dem Artilleriſten zur Belohnung für ſeine Geſchicklich— keit mit eigener Hand eine goldene Kette um. Leider finden wir neben den Zügen von Edel— muth, Heroismus und Charaftergröße, an denen die Geſchichte dieſer Belagerung reich iſt, auch manches Beyſpiel von Rohheit und Barbarey, welches an die Zeiten eines Alba erinnert. Hier nur ein Beyſpiel als Beleg zu dieſer Bemerkung. Ein aus Oſtende ſegeln— des Fahrzeug gerieth auf eine Sandbank und ward von den Spaniern genommen. Man fand fünf Frau— enzimmer und zwölf kranke Soldaten vom niederlandis ſchen Regimente Ernſt Naſſau darin, welche ſämmt— lich die Stadt verlaſſen wollten. Jene wurden gezwun— gen, die wilden Begierden der Kriegsleute zu befriedi— gen und nach den brutalſten Mißhanclungen in die Stadt zuruck geſandt; die Soldaten aber aufgehängt bis auf einen, den ſeine Kraftloſigkeit verhinderte, die Leiter zu beſteigen, und der dethald durch einen Dolae ſtoß getödtet warb. Man ſuchte dieſe Schandthat dar durch zu entſchuldigen, daß die Unglucklichen nicht auf dem Lande ſondern auf dem Meere gefangen worden. wären, wo die Kriegs verträge keine Anwendung fän— den. Weiter unten werden wir ſeben, wie Prinz Mor riz die Grauſamkeit der Feinde durch eine ahnliche Bar⸗ barey vergalt. E 2 „ GB ws Die Vertheidiger Oſtende's fuhren fort durch haͤus fige Ausfälle die Arbeiten der Belagerer zu unterbre⸗ chen, und oft die mühſamſten und koſtbarſten Anla— gen in kurzer Zeit wieder zu zerſtoren. Es konnte in⸗ deß nicht fehlen, die Erduldung immerwaͤhrender Ge⸗ fahren und Mühſeligkeiten, und die Entbehrung der meiſten gewohnten Bedürfniſſe mußten Mißvergnügte unter der Beſatzung wecken, welche jede günſtige Gelegenheit ergriffen aus der Stadt zu entweichen. Die überhandnehmende Deſertion veranlaßte eine Ver— ordnung des Befehlshaber, wodurch jedem, der einen Entwichenen wieder einliefern würde, eine Prämie von 50 Kronen zugeſagt ward. Auch in polizeylicher Hinſicht wurden verſchiedene zweckmäßige Verfügungen getroffen. So ward unter andern feſtgeſetzt, daß alle eingeführten Lebensmitteln vier und zwanzig Stunden öffentlich auf dem Markte zum Verkauf an jedermann ausgeſtellt werden mußten, ehe ſie den Hökern zum Kauf überlaſſen werden durften. Den Soldaten wur- den die Würfelſpiele und den Officieren das ſtarke Weintrinken auf Wachen und Pikets unterſagt, ein Verboth, welches beweiſt, daß die Lieblingsbeſchäfti— gungen der meiſten Militärs während eines Zeitraums von zwey Jahrhunderten unverändert dieſelben geblie⸗ ben ſind. Oſtende war zwar noch immer der Centralpunct des Kriegs, in welchem ſich die Kräfte der Kämpfen— den concentrirten und zerrieben. Aber auch in andern, Gegenden der Niederlande fuhr man fort dem Dä— mon des Kriegs neue Opfer zu bringen. Im März dieſes Jahrs (1605) hatten ſich die Spanier durch eine em 69 wem Kriegsliſt des Schloſſes Wachtendonk in Geldern bemäch— tigt. Sie blieben jedoch nur wenige Tage im Beſitz des⸗ ſelben, denn die niederländiſche Beſatzung in der Stadt durch ein kleines Hülfscorps verſtärkt, nahm es ihnen wieder ab. Dagegen wurden fünf Cornetten niederlän⸗ diſcher Reiter durch die grobbendonkſche Reiterey über⸗ fällen und zerſprengt. Um dieſe Zeit rückte Graf Friedrich von Berg vor das von dem rebelliſchen ſpaniſchen Kriegsvolk be— ſetzte Schloß Hochſtraten, mußte aber, als Prinz Mo— riz an der Spitze eines Heers von 15000 Mann, bey welchem ſich 2500 Rebellen befanden, herbey eilte, die Belagerung aufgeben, und ſich nach Herenthals zurück ziehen, welches ihm auch unter dem Schutze ei: ner dunkeln Nacht ohne allen Verluſt gelang. Die Generelſtaaten wünſchten jetzt, daß Moriz nach Ver— genopzoom marfchieren und von dort aus einen Ein— fall in Flandern thun ſollte. Aber der Prinz hielt ei— ne Belagerung von Herzogenbuſch für mehr geeignet, zugleich die Kräfte des Feindes vor Oſtende zu ſchwä— chen, und ihn von einem Zug über den Rhein in das Gebieth der Republik abzuhalten. Die Staaten über⸗ ließen ihm endlich nach feinem Gutbefinden zu han: deln, und er rückte zum zweyten Mahl (1605, 29. Auguſt) vor Herzogenbuſch, vielleicht mehr in der Ab ſicht den Feind in Brabant zu beſchäftigen, als mit der Hoffnung ſich dieſes Platzes zu bemächtigen. Er ſetzte ſich bey Vlugt, unweit der Stadt, und die bey ſeinem Heere befindlichen ſpaniſchen Rebellen ſtellten ſich bey Vlymen auf der Straße nach Heusden auf. Der Graf von Berg war dem Prinzen gefolgt, und als er ſich von der Stellung desſelben vor Her— wm 70 — zogenbuſch unterrichtet hatte, detaſchirte er ein Corps von 5500 auserlefenen Soldaten unter dem Marche— ſe Della Bella, welcher Befehl erhielt ſich auf der Straße von Vliymen nach Plugt feſtzuſetzen, um die Gemeinſchaft mit den Rebellen und dem Prinzen zu trennen. Schon batte Della Bella den beſtimmten Po— ſten erreicht, und fing an ſich darin zu verſchanzen, als der Prinz, welcher erſt um Mitternacht etwas davon erfuhe, ſogleich an der S Spitze von 2000 feiner beiten Soldaten, denen noch eine größere Anzahl nachfolg— te, dahin aufbrach, und den Marcheſe auf drey ver— ſchiedenen Puncten mit ſolchem Ungeſtüm angriff, daß der größte Theil ſeines Corps aufgerieben und er ſelbſt tödtlich verwundet ward. Der unglückliche Del⸗ la Bella jtarb bald nach dem Treffen in dem Zelte des Prinzen , und ſein Leichnam ward nach Herzo⸗ genkbuſch geſandt. Gefangen waren 150 Mann, und der Prinz befahl, daß zwölf davon durch das Loos ausgewählt, und zur Wiedervergeltung für die bey Oſtende gebangten zwölf niederländischen Soldaten auf gleiche Weiſe bingerichtet werden ſollten. Der Profes verfertigte 150 Billets, und „wolf derſelben waren mit einem Galgen be zeichnet. Wer eins von den letz— tern zog, der ſtarb (10. September) den Tod, wel— chen es ihm ankündigte. Nur einen davon ſchenkte der Prinz das Leben wegen ſeiner großen Jugend und auf die Vorbitte eines jungen Mädchens. Nach dieſem grauſamen Act der Wiederoergeltung, ließ er den erzherzoglichen Befehlshabern bekannt machen, daß er i für jeden niederländiſchen Soldaten, den fie künftig bangen würden, drey der ihrigen eben ſo behandeln werde. 7 vo 7ı . Der Erzherzog ſelbſt war indeß nach Venloo ge: kommen. Von dort aus ſandte er den Marcheſe Ma— leſpina, Oberſten eines italiäniſchen Regiments, nach dem Lager des Grafen von Berg bey Herzogenbuſch, um ihn von ſeiner Ankunft zu benachrichtigen. Aber der Marcheſe ward auf dem Wege dahin von den Re— bellen gefangen, und kurz darauf begegnet ihm noch ein weit größeres Unglück. Prinz Moriz hatte ihn zur Mittagstafel eingeladen, und als er nach Been— digung derſelben, in Begleitung des Oberſten Tempel, von Vlugt nach dem Quartiere der Rebellen bey Ply— men zurück kehrte, riß eine Kanonenkugel aus der be— lagerten Stadt beyden die Beine weg. Der Marcheſe behielt das Leben, der Oberſt Tempel aber, welcher den Generalſtaaten dreyßig Jahre gedient hatte und jetzt Präſident im Kriegsrath war, überlebte feine Ver— ſtümmelung nicht. | Am Aten des Weinmonaths kam der Erzherzog in das Lager des Grafen von Berg, und ob er gleich in einem Gefechte mit dem Prinzen Moriz den Kurs zeren zog, ſo gelang es ihm doch, eine Verſtärkung von 3000 Mann in Herzogenbuſch zu werfen, zum großen Mißvergnügen der Bürger, welche ſeit zwan— zig Jahren keine Befagung gehabt hatten. Die Bela— gerung ward hierauf mit geringem Nachdruck fortge— führt, und der häufige Regen, welcher den moraſti— gen Boden überſchwemmte, und die Wege ungangbar machte, nöthigte beyde feindlichen Heere in die Win— terquartiere zu gehen. Am 5. November hob Moriz die Belagerung von Herzogenbuſch zum zweyten Mahl auf, und mußte ſich begnügen, einen Theil der feind- sus 7 2 ww lichen Macht bey diefer Feſte einige Monathe beſchäf⸗ tigt zu haben. f Vor Oſtende war beym Anfange des Winters die Lage der Sachen noch immer dieſelbe. Faſt drittes halb Jahre lang hatte man um den Beſitz dieſer Stadt gekämpft, und noch immer lag ſie unbezwungen da. Dieſe außerordentliche und ſeit den älteren Zeiten des kenſchengeſchlechts beyſpielloſe Dauer der Belagerung machte fie zum allgemeinen Geſpraͤch der ganzen gebil— deten Welt. Das Publicum aus allen Staͤnden ward nicht müde, ſich davon zu unterhalten, und darüber zu urtheilen. Viele fremde Fürſten und Reiſende aus allen Ländern kamen in das Lager oder in die Stadt um Augenzeugen einer ſo merkwürdigen Begebenheit zu ſeyn. Die Seeländer, ſagt Meteeren, reiſten mit ihren Familien nach Oſtende, wie zu einem Kirchweih— feſte. Man beſchrieb die berühmte Belagerung in Pro— fe, beſang fie in Verſen, und witzelte darüber in Ana⸗ gramen und chronagraphiſchen Einfällen; uud der ges lehrte Hugo de Groot machte ebenfalls ein lateiniſches Gedicht auf das belagerte Oſtende, welches den Bey— fall der Kenner erhielt. Eine Menge lächerlicher und ausſchweifender Gelübde wurden von beyden Theilen für die Rettung oder Eroberung der Stadt gethan, und der Aberglaube der Zeit fand reichlichen Stoff zu albernen Weisſagungen und Mährchen über dieſes intereſſante Ereigniß. Die Infantinn Clara Iſabelle Eugenie that eine Wallfahrt nach dem wunderthäti— gen Marienbilde zu unſer lieben Frauen auf dem ſchar— fen Hügel bey Sichem, welches man kurz zuvor in einer Eiche gefunden hatte, wohin es vielleicht zur 275 7) Zeit des berüchtigten Bilderſturms, in den erften Zeiten der Revolution irgend ein Rechtgläubiger verſteckt ha— ben mochte, — um die Fürſprache der Madonna zu Bewirkung eines glücklichen Ausgangs der Belagerung zu erbitten. Aber jenes berüchtigte Gelübde der Prin— zeſſinn, wodurch die Zahl der Farben mit einer neuen ſoll verwehrt worden ſeyn, ſcheint eher einer burles— ken Erfindung der niederländiſchen Laune, als einer Thatſache ähnlich. Das Jahr 1604 entſchied endlich über das Schickſal Oſtende's. Aber bis dieſe Entſchei— dung erfolgte, mußten beyde Theile noch Ströme Bluts und eine ungeheure Maſſe von Kräften auf— wenden. Selbſt während des Winters ſetzten die Bela— gerer ihre Arbeiten fort. Spinola ſchonte weder Geld noch Menſchen, um ein Unternehmen durchzuführen, bey welchem ſein ganzer Ruhm auf dem Spiele ſtand. Aber die gewiſſe Ausſicht auf Tod oder Verſtümmelung, welche die Arbeiter erwartete, machte es ſchwer immer wieder neue zu finden. Am meiſten ließen ſich noch die Deutſchen und Wallonen dazu gebrauchen, aus Lies be zum Gewinn, weil ſie ein ſtarkes Tagelohn erhiel— ten. Seltener die Italiäner und Spanier, welche aber auch keine Bezahlung annahmen. Durch die unermü— deten Anſtrengungen und Aufopferungen gelang es den Belagerern ſich den Werken der Stadt immer mehr zu nähern. Einige derſelben waren durch die andrin— genden Meereswogen bey hoher Fluth ſehr beſchädigt. Denn dasſelbe Element, welchem die Belagerten ihre Erhaltung verdankten, ließ fie auch oft feinen Unwil— len fühlen. Im März (1604) wüthete ein fünftägiger Nordoſtſturm, warf in der Stadt das Oſtthor nebſt ſeinem Baſtion ein, vernichtete einen Theil des von den Belagerten gegen die Geule aufgeführten Halb: mondes und riß eine funfzig Fuß breite Offnung in boucquoiſchen Damm, ſo daß die Wache auf dem da— durch von dem übrigen getrennten Theil desſelben wie auf einer Inſel, verlaſſen von ihren Waffengefährten, ausgeſetzt war. Beyde Theile eilten den angerichteten Schaden wieder herzuſtellen, im zweyfachen Kampfe gegen den Feind und die Wuth und das Ungemach der Elemente. | An van der Noots Stelle war der Oberſt Gi— ſtelles Befehlshaber in der Stadt geworden. Eine Kanonenkugel ſtreckte ihn (Aprill) zu Boden, und es folgten ihm nach und nach in der Befehlshaber— würde Johann van der Loon, Jacob von Berendrecht und Uitenhofen, welche alle ſchnell auf einander in der Vertheidigung der Stadt ihr Leben verloren. Dieſer öftere Wechſel der Befehlshaber war von nachtheiligen Folgen für die Angelegenheiten der Belagerten, denn mancher entworfene Plan ward dadurch vereitelt, und die von den verſchiedenen Befehlshabern zur Aufrecht— haltung der Ordnung, der Diſciplin und Polizey ge gebenen Geſetze bleiben unbefolgt. Am 2. des Brachmonaths ſprengten die Bela: gerer eine Mine am Polder, aber ſo unglücklich, daß viele von ihnen ſelbſt getödtet und verſtümmelt wur— den. Dagegen traf die Belagerten das Unglück, daß ſie David von Orliens, einen ihrer beſten Kriegsbau— meiſter, verloren, der an einer empfangenen tödtli⸗ chen Wunde ſtarb. e 5 . Rach Uittenhodbens Tode erhielt (4. Juny) Das niel de Hertaing Herr von Marquette die Befehlsha— berſtelle in der Stadt, und rechtfertigte durch ſeine Thätigkeit und Entſchloſſenheit das Zutrauen der Ger neralſtaaten. Einige Außenwerke der Stadt befanden ſich bereits in der Gewalt der Feinde; anderen harten fie ſich durch Laufgraben und Gallerien genähert. Marquette ſchuf ihnen überall neue Hinderniſſe, hielt ihre Fortſchritte auf, und that an der Spitze der Be: ſatzung (16. Jung) einen heftigen Ausfall, wobey eine Menge feindlicher Schanzgräner und Minirer nieder— gemacht wurden. Beyde Theile festen ihre unterirdi— ſchen Arbeiten muthig fort, und nicht ſelten trafen die gegenſeitigen Minirer zuſammen und erwürgten ein— ander, oder wurden unter den Trümmern der zufante menſtürzenden Minenwerke begraben. Der halbe Mond jenſeit der Geule, welcher zum Schutze der ein- und auslaufenden Schiffe diente, war den Belagerern bey ihren Arbeiten gegen dieſen Punct ſehr hinderlich. Spinola beſchloß daher ſich desſelben zu bemächtigen, es möge auch koſten was es wolle. Durch eine heftige Beſchießung wird eine ſtarke Breſche in den Wall gewühlt, und ſogleich werden die Anſtal— ten zu einem Sturme getroffen. Da es nöthig war, den zum Angriff beſtimmten Truppen einen Weg über den Waſſergraben vor den Wall zu bahnen, hatte Pompeo Tarjone eine Sturmbrücke von neuer Art er— funden anfertigen laſſen. Dieſe Maſchine beſtand aus einem ſtarken Wagen mit vier metallenen Rädern vier und zwanzig Palmen hoch und vier breit. Mitten auf dem Wagen erhob ſich ein funfzig Fuß hoher Maſt— r 76 . baum, an welchem acht Fallbrücken von Segeltauen an Sparren und übers Kreuz geflochten hingen, die an dem Maſtbaum heraufgezogen und herabgelaſſen werden konnten. Vierzig Pferde waren erforderlich die Maſchine fortzubewegen. Als ſie aber in Bewe— gung geſetzt ward, zerbrach verſchiedenes an dem Holz— und Eiſenwerk, und die metallenen Räder, von denen eins durch eine feindliche Kugel beſchädigt ward, ſchnit— ten ſo tief in den Sand ein, daß der Wagen nicht weiter fortgezogen werden konnte. Man mußte ihn erſt wieder in Stand ſetzen, und ehe man damit zu Stande kommen konnte, hatte die Beſatzung den Graben mit Palliſaden beſetzt, und mehrere hohe Maſt— bäume auf der Contreſcarpe errichtet, auf welchen die Fallbrücken hangen blieben, wenn man ſie niederließ. Der Sturm unterblieb daher, und von der Erfindung ward kein Gebrauch gemacht. | Ein neuer Verſuch den Hafen zu 1 hatte keinen glücklicheren Erfolg. Tarjone erbaute aus Fa⸗ ſchinenwerk und zuſammen gefügten Fahrzeugen eine Art von ſchwimmender Batterie, welche mit ſechs Feuerſchlünden beſetzt war und vor den Hafen gelegt werden ſollte. Aber bald machte man die Erfahrung, daß dieſes koloſſale Werk ganz unnütz war, denn es konnte ſchlechterdings nicht bewegt und von der Fluth gehoben werden; überdieß war zu beſorgen, daß es von dem Sturm und Wogen zerriſſen, oder von den Be— lagerten in Brand geſteckt werden möchte. Das Ge— ſchütz ward daher wieder ans Land gebracht, und das ungeheure Floß blieb ungebraucht liegen. Spinola projectirte hierauf, den ſo lange ſchon e 77 ee beſchoſſenen und von den Belagerten mit der größten Tapferkeit vertheidigten Sandhügel beſtürmen zu laſ— ſen. Aber die dazu commandirten ſpaniſchen und ita liäniſchen Truppen, muthlos gemacht durch ſo viele vergebliche Blurfcenen dieſer Art, weigerten ſich durch— aus dem erhaltenen Befehle zu gehorchen. Umſonſt waren alle Bitten und Drohungen ihrer Anführer, keine Vorſtellungen konnten dieſe ſonſt fo tabfern Trup— pen bewegen die Waffen zu ergreifen und auszurücken; ein merkwürdiges Beyſpiel des Ungehorſams, welches wahrſcheinlich ungeahndet blieb, weil die Geſchichte keiner Beſtrafung desſelben erwähnt. Die beyden deuss ſchen Regimenter Billi und Eglof von Luxemburg, lie: ßen ſich endlich durch große Verſprechungen gewinnen den Angriff zu thun. Aber els die erſten Züge anrückten, wurden ſie durch eine angezündete Mine in die Luft geſprengt. Die folgenden Reihen wichen zurück, und erſt auf Spinola's Perſicherung, daß fie keine zweyte Exploſion zu fürchten hätten, drangen ſie getroſt vor— wärts, und bemächtigten ſich nach einem raſenden Kam— pfe dieſes wichtigen Werks, worauf ſie die verſproche— ne Belohnung empfingen. Bon hier aus trieben die Belagerer ihre Gas lerien und Laufgraben weiter gegen die Hauptwerke der Stadt ſelbſt, und ſie gewannen nach und nach immer mehr Terrain. Die momentanen Eindrücke der Furcht und Kleinmüthigkeit verſchwanden aus den Ge— müthern, und ein edler Wetteifer es einander zuvor zu thun, ergriff die verſchiedenen Nationen, aus wel— chen das Heer beſtand. Die Spanier unter Meneſes Anführung eroberten das eiſerne Schwein und den — 76 eh halben Mond an der Geule, und die Wallonen und Italiaͤner nahmen zwey andere Raveline in Beſitz. Durch Minen und Geſchütz zertrümmerte man endlich auch die Courtine; aber die Baſtionen hatten einen kanonenſchußfreyen und gut flankirten Abſchnitt, deſ⸗ fen Graben durch ſogenannte Cofan's, eine Art Ca- poniere von dichtem musketenſchußfreyen Holzwerk mit Schießlöchern verſehen, von denen die Belagerten ſchon oft mit Nutzen Gebrauch gemacht hatten. Doch auch dieſer Abſchnitt ging verloren, und jetzt fanden die Belagernden einen zweyten dahinter, der gleich dem erſten mit Baſtionen, welche gleiche Nahmen mit dem verlornen an den alten Werken führten, mit einem breiten Waſſergraben, einem bedeckten Wege und ver— ſchiedenen halben Monden davor verſehen war. Es war vorzüglich der engliſche Kriegsbaumeiſter Raf Dex— ter, welcher den Plan zu dieſer neuen Feſte entwor— fen hatte. Spinola ließ fie aus funfzig Feuerſchlünden beſchießen; aber während er mit ihrer Zerſtörung be— ſchäftigt iſt, führen die Belagerten, welche trotz der erlittenen Verluſte doch den Muth nicht verloren haben, weil ihnen das freundſchaftliche Meer nech offen ſteht, hinter dieſem noch einen dritten, ebenfalls mit Ba— ſtionen auf den Flanken beſetzten Abſchnitt auf; ja noch hinter dieſem werden einzelne Theile der Stadt beſonders fortifieirt, und ſo nach und nach jedes Quar— tier in ein eigenes kleines Fort verwandelt. Stra— ßen und Häuſer verſchwinden, und Wälle und Graben nehmen ihre Stelle ein. Die Leichname der Geſtorbe— nen und Gebliebenen werden ausgeſcharrt und als Mae terial zu den neuen Wällen gebraucht, weil es die eng⸗ Ka ca: We liſchen Kiegsbaumeiſtet e 1 0 daß diejenigen, deren Pflicht im Leben, die Vertheidigung der Stadt geweſen ſey, auch im Tode dieſe Beſtimmung er— füllten. Allen dieſen neuen Anlagen gaben die Bela— gerten den bedeutungsvollen Nahmen Neu - Troja, um daduech ſich ſelbſt und den Feind an die zehn— jährige Pertheidigung dieſer berühmten Feſte des grauen Alterthums, der fie nachzuahmen Muth und Entſchloſſenheit fühlten, zu erinneen. Die Belagerer, gezwungen ihre Angriffe immer wieder von neuem anzufangen und jeden Schritt zum Ziel mit Blut zu erkaufen, ließen ſich nicht abe ſchrecken durch die neuen Hinderniſſe, welche fie zu beſtreiten fanden. Aber indem fie ſich eben rüſten, auch die letzten Bruſtwedren der Belagerten nieder zu ſtür— zen, erhält Epinola (1604 Auguſt) von dem Erz⸗ berzoge Befehl, die benachbarte Stadt Sluis zu ent— ſetzen, welche Prinz Moriz mit einer harten Blockade bedrängte. Schon im Frübling dieſes Jahrs hatten die Ge— neralſtaaten Anſtalten zu einer Expedition nach Flan— dern getroffen, um wo möglich Oſtende zu befreyen, deſſen Vertheidigung monathlich 100000 Gulden Eos ſtete. Im Aprill wurden bey Willemſtadt 12000 Mann zuſammengezogen, welche Prinz Moriz nach Flandern fubren und dort, um den Feind von Oſtende abzuzie— hen, Sluis angreifen ſollten. Eine unendliche Menge kleiner Fahrzeuge lagen bey Willemſtadt bereit, und am 25. Aprill erfolgte die Einſchiffung der Truppen. Nach der Meinung des Staatsraths ſollte die Über: fahrt durch das ſogenannte Swint oder ſluisſiſche Sat „ BO num geſchehen, weil auf dieſem Wege die Flotte unmit— telbar vor Sluis gelangte, und ſich der ſo plötzlich überraſchten Feſte mit Hülfe des Schreckens vielleicht durch einen Handſtreich bemächtigen konnte. Aber Mo— riz hielt die Fahrt nach jener Richtung nicht für aufs führbar. Er ging durch das Zwarte Gar nach Kad— ſand, und indem er Sluis rechts liegen ließ, über den Canal hinter Kadſand. Die Katharinen- und Philippi⸗Schanze, worin Trivulzio befehligte, erga— ben ſich (1. 2. May) nach kurzem Widerſtande, wor— auf das Schloß Yſendik angegriffen ward. Die erſte Aufforderung ward abgeſchlagen. Die zweyte geſchah durch des Prinzen Leibtrompeter Hans, der anſtatt eine Antwort zu erhalten, durch den Kopf geſchoſſen ward. Nach einer ſiebentägigen Belagerung ſiel das Fort (9. May) und die Beſatzung erhielt freyen Ab⸗ zug; nur der Italiäner, welcher die Verletzung des Kriegsrechts an dem Trompeter begangen hatte, muß— te ausgeliefert werden. Aardenburg ward faſt ohne Schwertſtreich genommen, und da ſich der Prinz nun— mehr in den Umgebungen von Sluis feſtgeſetzt hatte, beſchloß er dieſe Stadt ſelbſt anzugreifen. Don Luis de Velasco vertheidigte den übergang über zwey nach der Stadt laufende Canale. Moriz verdrängte ihn mit einem Verluſt von 800 Mann aus ſeinem Poſten, forcirte den Übergang und fente ſich vor Sluis auf drey verſchiedenen Puncten zwiſchen dem Strande und der Stadt. Seine Abſicht war an— fangs den Platz förmlich zu belagern, da er aber durch funfzig übergelaufene Ruderſclaven von Spinola's Galeeren erfuhr, daß die Stadt nur ſchlecht mit Yes bens⸗ — 81 — densmitteln verſehen ſey, fo änderte er ſeinen Plan, und beſchloß, fie durch Hunger zu überwältigen. Alle Zugänge wurden ſorgfältig verſchloſſen, alle Überläu— fer zurückgewieſen, um die Anzahl der Eſſer nicht zu vermindern, und die niederländiſche Reiterey ſtreifte durch; ganz Flandern. | Der Erzherzog, von der Gefahr unterrichtet, welche Sluis bedrohete, both alles auf, die Stadt zu retten. Er zog ein Truppencorps zuſammen, zu wel— chem 2000 Mann von den Rebellen von Hochſtraa— ten fließen, mit welchen er ſich eikend ausſöhnte, und befahl dem Marcheſe Spinola, ſich an die Spi— tze desſelben zu ſtellen, um Sluis zu entſetzen. Un— gern trennte ſich Spinola von Oſtende, beſonders da ihm gleich anfangs der Entſatz von Sluis ſehr zweifelhaft ſchien; aber er mußte gehorchen, und das ihm aufgetragene Gefgaft übernehmen. Nachdem er daher für die Sicherheit der Belagerung von Oſten— de geſorgt hatte, begab er ſich mit dem Martcheſe Trivulzio, dem Grafen Boucquoi, Rivas, Texeda, Hernandez Giron und andern Befehlshabern zu dem Truppencorps, welches zum Entſatz von Sluis be— ſtimmt war, rückte mit demſelben nach der Gegend von Damme und Aardenburg vor, und ließ auf dem Damme am moerkerker Canal Batterien aufwerfen, in der Abſicht, die Niederländer durch ein beftiges Kanonenfeuer aus ihrem Poſten bey Sluis zu vers treiben. Der Verſuch gelang nicht; das niederländiſche Geſchütz beantwortete die feindliche Kanonade mit glei— cher Heftigkeit, und nach einem bedeutenden Verluſt auf beyden Seiten mußte Spinola ſich zurückziehen. Schillers Niederl. 8. Bd. 81 en 82 e Ein Angriff auf die Poſtirung des Grafen Wilhelm Ludwig von Naſſau hatte keinen beſſeren Erfolg. Da⸗ gegen gelang es dem ſpaniſ chen Feldherrn ſich der Ka— tharinen- und Philippis Schanze wieder zu bemächti⸗ gen, nach deren Eroberung er einen Übergang nach der Inſel Kadſand beſchloß, um von jener Seite das niederländiſche Lager vor Sluis anzugreifen. Aber Mio: riz hatte das Ufer der Inſel ſtark beſetzt, und alle An⸗ ſtrengungen der Spanier, den Damm, welcher das Ufer umgürtet, zu erklettern, mißglückten. Die Fran⸗ zoſen, Schotten und Frieſen, welche zur Vertheidi⸗ gung desſelben aufgeſtellt waren, wetteiferten an Zar pferkeit, und ſchlugen den Feind (16. Auguſt) durch ihre Kugeln zurück. Er erlitt einen großen Verluſt. Der Marquis von Renti, Don Alfonſo Borgia und ein beträchtlicher Theil der ehemaligen Rebellen von Hochſtraaten blieben auf dem Platze. So waren alle Verſuche Spinola's Sluis zu ret⸗ ten vergebens. Eine furchtbare Hungersnoth wüthete in dieſer Stadt, und die Beſatzung mußte zuletzt durch den Genuß umgefallener Thiere und anderer ekelhaf— ter Nahrungsmittel ihr Leben friſten. Als endlich jede Hoffnung auf einen Entſatz verſchwunden war, ergab ſich (19. Auguſt) die Stadt durch Capitulation. Die 5000 Mann ſtarke Beſatzung erhielt freyen Abzug, und war durch den erlittenen Mangel ſo ſehr entkräf— tet, daß man beym Ausmarſch viele in ihren Reihen zu Boden ſtürzen ſah. Der Befehlshaber Serrano und Aurelio Spinola, ein Vetter Ambroſio's, wurden ge— gen die gefangenen niederländiſchen Bothsleute aus— gewechſelt. Siebenzig Feuerſchlünde und zehn Galee⸗ a er 83 wm ren, welche letztere jedoch größten Theils im Waſſer verſenkt lagen, und mit großer Mühe wieder heraus— geſchafft werden mußten, fielen den Siegern zu; 1400 Ruderſclaven wurden in Freyheit geſetzt, und die dar⸗ unter befindliben Mohren und Türken nach ihrem Va⸗ terlande zurückgeſandt. Die Feſtungswerke von Sluis wurden vermehrt, auch Yſendik und andere benachbauz te Platze ſtärker fortificirt. Die Statthalterſchaft über Sluis und den eroberten Diſtriet von Flandern ward von den Generalſtaaten dem Grafen Heinrich Frie— drich verliehen, und Carl van der Noot, der tapfere Vertheidiger Oſtende's, zu ſeinem Verweſer ernannt. Während der Blockade von Sluis war im niederländi— ſchen Lager der junge hoffnungsvolle Graf Ludwig Günther Naſſau, ein Sohn des Grafen Johann, ge— ſtorben. Die eben 0 Eroberungen der Niederländer in Flandern hatten keinen Einfluß auf das Schickſal Oſtende's, und immer näher rückte dieſer Stabt die Stunde der Entſcheidung. Als Spinola ſah, daß Sluis ohne Rettung verloren ſey, kehrte er ſogleich in das Lager vor Oſtende zurück, und ſetzte die Angriffe mit erneuertem Eifer fort. Die Belagerer etablirten ihre Breſchbatterien auf den eroberten Wällen, und die von friſcher Erde neu aufgeführten Vertheidigungswerke konnten der vereinigten Gewalt des feindlichen Ge fhüses und der durch Stürme empörten Wogen nicht lange widerſtehen. Zwar gelang es den tapfern Ver— theidigern durch ihr heftiges Feuer eine feindliche Breſch— batterie zu demontiren, den über den Graben geführ— ten Damm zu zerſtören, und bey verſchiedenen glück⸗ F 2 g lichen Ausfällen die Belagerer aus den eroberten Ba⸗ ſtions zu werfen, und ihr Geſchütz zu vernageln. Doch die momentanen Vortheile entſchieden nichts, und bey aller ihrer Tapferkeit verloren die Belagerten eines ih- rer Werke nach dem andern, und wurden auf einen immer engern Raum beſchränkt. Schon lagen die Ans gyiffs⸗ und Vertheidigungswerke einander ſo nahe, daß Belagerer und Belagerte zuſammen ſprechen, und von den Wällen herab ſich mit ihren achtzehnſchuhigen Pie: ken erreichen konnten; der noch übrige Raum der Stadt war größten Theils mit Schutt und Trümmern ange⸗ füllt, und konnte von allen Seiten durch die feindli⸗ f chen Feuerſchlünde beſtrichen werden. Dazu kam, daß die Belagerer anfingen, die alte Stadt zu untergraben, wodurch die Beſatzung in die äußerſte Gefahr gerieth, von den Wellen verſchlungen zu werden, weil fie dort ihre meiſten eee gegen den Andrang des Mer res hatte. | Unter dieſen Umſtänden ſchien alle 4 Ver⸗ | theidigung unnütz; Marquette meldete daher dem Prin zen Moriz die Lage der Stadt, und fragte an, ob er noch das Außerſte abwarten ſollte? Die Generalſtaa- ten, denen dieſe Frage zur Entſcheidung vorgelegt ward, fanden für gut, Oſtende aufzugeben. Einen Entſatz zu wagen, ſchien bey der Stärke des feindlichen Lagers zu gefährlich. Über dieß erſetzte der Beſitz von Sluis den Verluſt von Oſtende, und endlich wünſchte man auch, den großen Koſtenaufwand zu erſparen, welchen die Be— lagerung erforderte, und zugleich die tapfere Beſatzung zu retten. Marquette erhielt daher Befehl, die Stadt unter ſo vortheilhaften Bedingungen, als möglich, zn übergeben. | Sogleich läßt der Befehlshaber den größten Theil des Geſchützes, der Munition und Magazine, und al: les, was ſich noch außerdem von Werth auf dem Schutt⸗ haufen, welchen er vertheidigte, befand, ſammt den Kriegsbaumeiſtern, Prädicanten und Überläufern in aller Stille einſchiffen, und nach Holland und See— land überführen, und in dem Augenblick, da ſich die Belagernden zu einem allgemeinen Sturm rüſten, bie⸗ thet er ihrem Befehlshaber die Capitulation an. Der Vorſchlag ward mit Freude angenommen; denn auch Spinola wünſchte mit Sehnſucht den Beſchluß diefer unendlihen Belagerung herbey. Es wurden Geißeln gegeben, und die Bedingungen beſprochen. Spinola ſelbſt begab ſich insgeheim in die Stadt. Am 20. des Herbſtmonaths (1604) ward die Capitulation im Las ger vor Oſtende abgeſchloſſen. Die Beſatzung erhielt einen freyen Abzug mit ihren Waffen und vier Kanpd- nen; auch den Einwohnern ward freygeſtellt, ohne Hin⸗ dernitz abzuziehen. Die beyderſeitigen Gefangenen wur— den freygelaſſen, und Wagen und Karren zur Fort⸗ ſchaffung der Kranken und Verwundeten geſchafft. Auf dieſe ehrenvollen Bedingungen übergab Marquette Cſtende, oder vielmehr die Trümmer dieſer Stadt, welche die Celebrität ihres Nahmens mit ihrem Unter— gange erkaufte. Spinola ehrte die Tapferkeit ſeiner Feinde. Er bewirthete den Befehlshaber und die vor— nehmſten Officer der Beſatzung mit einer ſplendiden Mahlzeit. Am 22. September zog die aus 4500 Mann beſtehende Beſatzung aus, voran die Franzoſen, in der Mitte die Niederländer, und zuletzt die Engländer und Schotten. Der Marſch ging mitten durch das feind— — 86 — > liche Lager nach Sluis, wo am folgenden Tage der Einzug in voller Schlachtordnung geſchah. Prinz Mor riz empfing dieſe tapfern Männer gleich Siegern mit entblöoßten Haupte, und dankte ihnen für die der Re⸗ publik geleifteten großen und rühmlichen Dienſte. Of: fitter und Soldaten wurden in der Folge durch Be⸗ förderungen oder auf andere Art belohnt. Der größte Theil der Einwohner verließ ebenfalls Oſtende, und zog nach Sluis; nur wenige alte Leute, welche ſich nicht entſchließen konnten, den Ort, wo ſie die frohen Tage ihrer Jugend verlebt hatten, zu verlaſſen, blieben zu— ruck. Dreyßig brauchbare Kanonen und ein kleiner Vor⸗ rath von Kriegsbedürfniſſen waren die ganze Beute des Siegers. So endete dieſe berühmte Belogerung nach einer Dauer von drey Jahren, zwey Monathen und fünfzehn Tagen. Unzählige Neugierige ſtrömten herbey, die vers wüſtete Stadt mit ihren Umgebungen zu ſehen. Die Erzherzoge ſelbſt kamen von Gent, und hielten ihren Einzug. Spinola empfing fie mit großen Feyerlichkei⸗ ten, aber ſie fanden nichts als eine ungeheure Ruine, ein Chaos von unförmlichen Hügeln, Gruben und Steinhaufen, einen verpeſteten mit Leichen bedeckten Kirchhof, der nicht mehr werth war vertheidigt oder ers obert zu werden. Der größte Theil der Häuſer, Kirs chen und anderer öffentlichen Gebäude lag in Trüm— mern; nur in der alten Städt ſtanden die Wohnun⸗ gen noch. Die der Zerſtörung entgangenen überreſte der Fortiſcation waren in ſolcher Verwirrung durch— einander geworfen, daß man nicht unterſcheiden konn— te, welche zur Vertheidigung oder zum Angriff gedient hatten. Dieß war die Eroberung, wir die enberzegd mit dem Blute vieler tauſend tapfern Soldaten, mit Millionen Goldes und mit dem Verluſt einer koſtbaren Zeit erkauft hatten. Die Infantinn konnte ſich der Thraͤ⸗ nen nicht enthalten, als ſie den Schauplatz der Verwü— ſtung und des Blutvergießens überſah. Beyde Fürſten thaten eine Wallfahrt nach unſerer lieben Frau zu Dünkirchen, um ihr für den verliehenen Sieg zu dans ken. Sie erließen auch eine Verordnung, daß die zer— ſtörte Stadt wieder aufgebaut, und ihre Feſtungswer⸗ ke hergeſtellt, werden ſollten. Zugleich wurde denen, die ſich dort niederlaſſen würden, große Freyheiten verſprochen. Aber es fanden ſich in den erſten Jahren nur wenige, welche den mit Blut 0 een bedeckten Boden bewohnen wollten. Man hat berechnet, daß wien Seger 79000 Mann, und die Belagerten micht, viel weniger verloren haben, ſo daß bey 150000 Menſchen, Spanier, Ita— liäner, Deutſche, Niederländer, Wallonen, Englän— der, Schotten, Franzoſen, Schweizer und Burgunder ihr Grab in dieſer merkwürdigen Belagerung fanden, deren außerordentliche Dauer um ſo mehr unſere Be— wunderung erregen muß, da derſelbe Ort, welcher jetzt über drey Jahre widerſtand, im Jahre 1706 in vier, und 1745 in ſechs Tagen erobert ward. Die vereinigten Niederländer hatten mit Oſten— de zwar einen wichtigen Platz verloren, deſſen Ver— theidigung dem Bunde unermeßliche Summen geko— ſtet hatte; aber dieſer Verluſt war reichlich erſetzt durch die Eroberung von Rheinbergen, Grave, Sluis und anderen kleineren Plätzen. Und was den Werth dieſer * . 88 ur Eroberungen noch überwog der größte Theil der feine lichen. Macht ward drey Jahr vor dieſer einzigen Stadt feſtgehalten, und dadurch verhindert, in die vereinigten Provinzen einzudringen; eine koſtbare Rube, welche von den fleißigen Bewohnern derſelben trefflich benutzt ward, ahre Manufacturen zu vervollkommnen, und den indiſchen Handel, die Baſis der künftigen Größe der Republik, zu gründen. 2% METER Der Feldzug des Jahrs 1600 endete ohne weite: re Unternehmungen, Die Belagerung Oſtende's hatte die Kräfte beyder Theile erſchöpft, und diefe Entner— mung war noch in den folgenden Feldzügen fühlbar. Der „altefte der ſpaniſchen Feldherren, Graf Peter Ernſt von Mans sfeld, welcher ſeit dem Anfange der Re⸗ rolution gegen die vereinigten Niederländer gefochten batte, ſtarb im Laufe dieſes Jahrs. zu aber im an und achtzigſten aher ſeines Alters. | 1 5. Ai: G Nun . r 80 „ SK. ‚ . d A .F.. F » 22: «E94 rer A 1 1 0 ann 15. 4 4 Die oſtindiſche Compagnie. y Pr ar Ana nun? We den Stürmen eines langen und verhee⸗ renden Kriegs gründeten die vereinigten Niederländer ihren indiſchen Handel, dem die Republik in der Folge den größten Theil ihres Reichthums und ihrer Macht verdankte. Die mit dem Handel nach Spanien ſchon da— mahls, als er durch Phillpp des Zweyten Nachſicht noch tolerirt ward, verbundenen großen Schwierigkeiten, und das Beyſpiel der Engländer reitzten zuerſt eine Anzahl holländiſcher und ſeeländiſcher Kaufleute zu dem Verſuche, die indiſchen Waaren, welche Sie bisher durch die Spanier und Portugieſen erhalten hatten, unmittelbar an der Quelle ſelbſt zu hohlen, um dadurch ihrem Handel einen neuen Schwung ünd größeren Um— fang zu geben. Die Verſuche glücken über alle Er: wartung, und es gelingt der unermüdeten Thätigkeit der betriebſamen Niederländer in dem kurzen Zeitraum weniger Jahre, das kaum angefangene indiſche Commerz zu einem Umfange auszudehnen, der um ſo mehr das Erſtaunen der Welt erregte, mit je weniger Aufſehen mwese 9 0 ne und Geräuſch jenes wunderbare Werk gegründet und aufgeführt ward. Denn wie in der Geſchichte und Eis genthümlichkeit der politiſchen Revolution, fo ſpricht ſich auch in der Gründung und dem Gange dieſer gro- fen commerziellen Umwälzung der ruhige, bedächtige und nüchterne niederländiſche Volkscharakter aus. Auch hier finden wir keinen glänzenden Aufflug des Genie's, kei⸗ ne neuen Erfindungen und Entdeckungen, keine Ori— ginalität der Ideen, keine Anwendung außerordentli- cher und ungewöhnlicher Mittel, ſondern nur eine flei⸗ ßige, beharrliche und kluge Benutzung und Vervoll⸗ kommnung des ſchon Gedachten und Erfundenen mit der höchſten Induſtrie; wir finden ein Volk, welches nicht glänzen, ſondern nur gewinnen will, und nicht für Ruhm und Größe, ſondern für Wohlſtand und Bür⸗ gerglütk ungewöhnliche ee und Anſtrengun⸗ gen macht. n Der ungeheure Era; welcher ſich zwiſchen Perſien, der großen Tataray, China, und dem indie ſchen Meere ausbreitet, nebſt den Inſeln dieſes Meers, ward in ülteren Zeiten Indien genannt. Nach der Ent⸗ deckung der Inſel und des feſten Landes von Amerika, welches den Nahmen Weſtindien erhielt, nannte man das alte aſtatiſche, Oſtindien. Seit der älteſten Kunde des Menſchengeſchlechts war dieſer ſchöne Erdſtrich durch ſeine koſtbaren Naturerzeugniſſe, Gold, Perlen, edle Steine, Gewürze und Spezereyen, und durch Eunfte reiche Fabrikate, beſonders aus Seide und Baumwol⸗ le, berühmt, und in allen Jahrhunderten trieben nahe und entfernte Nationen einen ſtarken Handel dahin. Dort war vielleicht das Ophir, wohin Salomon: feine Flottten ſandte, und dorthin handelten wahrſcheinlich ſchon lange vor Salomons Zeitalter die Agypter, fo wie nach ihnen nach und nach die Phönizier, Perſer und Griechen. Der Handel dieſes in der Geſchichte der Vorwelt ſo berühmten Volks erhob ſich erſt nach der Beſiegung der Perſer durch Alexander, und nach dem Tade dieſes Eroberers erwarb ſich die Dynaſtie der Ptolemaer in Agypten das Verdienſt um den indiſchen Handel, da ſie ihm einen leichtern Weg über das rothe Meer und den arabiſchen Meerbuſen bahnte. Die koſt⸗ großen Maſſen, nach Rom ſpedirt, und ſo kamen nun auch die Europäer in nähere Bekanntſchaft mit Indien, wovon ſie vor der Erbauung Alexandriens nur einige hiſtoriſche Kenntniſſe gehabt haben mögen. Bald reitzte der außerordentliche Gewinn bey dieſem Commerz die europäiſchen Nationen, ſich desſelben zu bemächtigen. Die Handlung und. Marine Carthago's gingen nach der Vernichtung dieſes Staats auf die Römer über, und erhielten ſich bey dieſen Weltbeherrſchern bis zur Theilung des Kaiſerreichs, wo zugleich mit dem Ver⸗ fall ſeiner politiſchen Macht auch die Blüthen feines Handels dahin welkten. Nach der Zerſtörung des weſt⸗ römiſchen und während des Sinkens des oſtrömiſchen Reichs waren die Genueſer und Menerianer die einzi⸗ gen europäiſchen Völkerſchaften, die auf das answär⸗ tige Commerz ſpeculirten, und es gelang ihnen, ſich in HBeſitz des europäiſch⸗indiſchen Handels zu ſetzen. Die erſteren benutzten die politiſche Aſthenie des oſtrömi⸗ vs 92 *. ſchen Reichs drangen in das ſchwarze Meer, bauten das zerſtörte Caffa im tauriſchen Cherſones wieder auf, und Besen fih fogar in Pera, der Vorſtadt von Con: ſtankzinopel, nieder. Die Venetianer, der Genueſet Nachetferer und Rivalen, folgten ibrem Beyſpiel, und machten die in fpäteren Zeiten zerſtörte Stadt Dona, an dem Ausfluß des Don in den mäotiſchen Sumpf, zu N ihrem'sornehwſten Handelsplatz. Dorthin kamen über Aſtrakan die indiſchen Waaren, wurden dann auf ge⸗ nueſiſchen und venetianiſchen Schiffen nach Italien ‘ge: führt fund von da nach dem europäiſchen Norden ver: ſaͤndr. Nach der Zerſtörung Aſtrakan'⸗ durch Timur⸗ lenk gingen die Venetianer mit ihren Schiffen an⸗ fangs nach den ſyriſchen Häfen und Bann: nach Alexan⸗ drien, von wo fie von jetzt an, mit Erlaubniß der Pape ſte und der damahligen ſaraceniſchen Beherrſcher Agyp⸗ tene, die indiſchen Waaren abhohlten. Die Häuptnie⸗ derlage dieſer Waaren in Often war damahls Malakka, und die vornehmſten Handelshäfen in jener Weltgegend waren Calekut, Ormutz, Cambala und Aden. Von Cambaja wurden die Waaren nach dem Norden In⸗ diens auf dem Indus, Amu an über das caspiſche Meer nach Aſtrakan verführt. Von Ormutz gingen ſie nach Perfien und über den perſiſchen Meerbuſen nach Basrach an der Mündung des Euphrat's, von wo ſie durch Karavanen nach Armenien und Syrien gebracht wurden. Diejenigen Waaren, welche man über das rothe Meer verſcheffte, wurden zu Jeddah, dem Hafen von Mekka, oder zu Suez gelöſcht, durch die Karava— nen der Araber und Saracenen weiter nach Cairo ge— bracht, und von da in Barken den Nil herab nach 4 E wen 99 nasse Alexandrien gehoblt, wo fie. von hen Venetianern in Empfang genommen, und nach den übrigen europäi— ſchen Ländern ſpedirt wurden. Auf dieſem Wege wur? den auch die Niederländer von den Venetianern das mit verſehen. Nach der Auflöſung des griechiſchen oder oſtrömiſchen Reichs durch die Osmanen verloren auch die Genueſer ihre Niederlaſſungen im Gebiethe des⸗ ſelben; ihr Antheil an dem indiſchen Handel vermin⸗ derte ſich immer mehr, und endlich bemäͤchtigten ſich die Venetianer desſelben faſt ganz allein, und ge⸗ wannen ungeheure Reichthümer durch 7 große Monopol. i 12 Aber eben dieſer außerordentli che Gentil wel⸗ cher den Neid der übrigen europäiſchen Völker reitz⸗ te, brachte fie auch um die Quelle ihrer Schätze. Der Geiſt der Zeit und der Egoismus der Menſchen gas ben dem Genie einen neuen Schwung. Die Idee, entfernte und unbekannte Weligegenden zu entdecken, und neue Bahnen über die ungehenern Flächen der Meere zu finden, ward die, herrſchende des Zeitalters. Einige außerordentliche Geiſter, welche der Süden von Europa hervorbrachte, bemächtigten ſich ihrer, und führten fie aus; und ſeo entſtand im Laufe des 19; Jahrhunderts die große Revolution in der Schifffahrt, deren Folgen ſich auch auf den Gang des indiſchen Handels verbreiteten. Bisher war die gan⸗ ze Navigation nichts mehr als eine Küſtenſchifffahrt geweſen, und ſelbſt die kühnſten Seeleute hielten für unmöglich, das hohe Meer zu durchſegeln. Jetzt ward die Begierde, die indiſchen Waaren auf einem kürze— rem Wege, als die Venediger, zu erhalten, und den großen Gewinn dieſes Handels mit der ſtolzen Re— — — publik zu theilen, die erſte Peranlaſſung, daß man den Nutzen des ſchon ein Jahrhundert früher entdeckten Compaſſes einſehen, und ihn auf die Praxis der Schiffe fahrt anwenden lernte, und alle nautiſche Scienzen, Mathemathik, Aſtronomie, Erdkunde, die Wiſſenſchaft, ſich der Winde zu bemächtigen, und fie zu beherrſchen, und die Höhen und Breiten aufzufinden und zu beſtim⸗ men, nebſt der Schiffbaukunſt immer fleißiger auszu⸗ bilden anfing. Den Portugieſen gebührt die Ehre, die er— ſten Ideen zur Auffindung einer Waſſerſtraße nach Oſt⸗ indien gefaßt zu haben. Ihre kühnen Seeleute drans gen ſeit dem Anfange des 15. Jahrhunderts (1415) an der weſtlichen afrikaniſchen Küſte immer weiter gegen den Oſten vor, bis Bartholomäus Diaz das Vorge⸗ birge der guten Hoffnung auffand. So rückte man nä⸗ her und näher dem großen Ziele. Endlich, als der ge⸗ nialiſche Entdecker von Amerika, der es zuerſt unter: nahm ſich ganz vom feſten Lande zu entfernen, und unter der Leitung der Magnetnadel in das unermeßli— die Meer (1492) hinaus zu wagen, eine neue Welt im Weſten fand, umſegelte der Protugieſe Vasco de Gamma das Vorgebirge der guten Hoffnung, und ente deckte (1497) dadurch die längſt geſuchte Seeſtraße nach Indien. Seine Landsleute benutzten mit großem Eifer die neue Entdeckung, bemächtigten ſich hierauf mehrerer Kuͤſten und Inſeln in Indien, ſandten zahl⸗ reiche Flotten dahin, legten Forts und Comptoire an, und ſetzten ſich mit den Waffen in der Hand in Beſitz des beträchtlichſten Theils der oſtindiſchen Handlung, wie ſehr auch die Araber, welche bisher die größten Kauf— lente in jener Weltgegend geweſen waren, es zu hin⸗ 1 ! x *. ? * — 3 2 4 . 8 x a N namen 95 es dern A Seit diefer Zeit gerieth der venetianiſche Handel in Verfall, denn die oſtindiſchen Waren gin⸗ gen nicht mehr den alten Weg nach Alexandrien, ſon⸗ der wohlfeiler und in weit größeren Maſſen, den kür⸗ zeren nach Liſſabon, welches von nun an das große Magazin dieſer Waaren für Europa ward. Dech kaum ein Jahrhundert erhielten ſich die Pertugieſen im Bes, ſitz dieſes beneideten Handels, und er ging von Ihnen auf eine Nation über, welche am wenigſten dazu be⸗ rufen zu ſeyn ſchien. | Die Niederländer hohlten gleich anbern europäi⸗ ſchen Völkern, ſchon vor der Revolution häufig oſtin⸗ diſche Gewürze und andre Waaren aus Portugall, und verführten ſie mit großem Vortheil nach dem Norden von Europa. Auch nach dem Ausbruch der Rebellion ſetzten die vereinigten Provinzen, beſonders die Hollän— der und Seelaͤnder das Commerz mit Portugall fort. Als aber Philipp der Zweyte (1580) ſich dieſes Reich unterwacf, unterſagte er feinen empörten niederländiſchen Unterthanen die Handlung dahin, und ungeachtet der Nachſicht, welche die ſpaniſche Regierung gegen die Übertreter dieſes Verboths beobachtete, waren doch die niederländiſchen Kaufleute bey den Geſchäften, die ſie nach Spanien und Portugall machten, und ihre See— leute häufigen Mißhandlungen ausgeſetzt. Dieſe drücken— den Verhältniſſe, das Beyſpiel der Engländer, der Handelsgeiſt, der die Nation beſeelte, und die Über⸗ zeugung, daß der Handel eine nothwendige Bedingung zu ihrer bürgerlichen und politiſchen Exiſtenz ſey, be— ſtimmten die vereinigten Niederländer, ſelbſt nach Oit— indien zu ſchiffen, um die Waaren, welche ſie bisher * \ von den Portugieſen erhalten hatten, unmittelbar von dorther zu hohlen, und zwar, wo möglich, auf einem g neuen und kürzeren Wege, als jene. ö Die Straße, welche die letzteren nach Ostindien nahmen, war noch dieſelbe, die ihnen ihr berühmter Landsmann Vasco de Gama, durch Südoſt um das Vorgebirge der guten Hoffnung, gebahnt hatte. Aber fhon im Jahre 151g hatte ein anderer Portugieſe, MNahmens Hernando Magelhaens, dem Kaiſer Carl dem Fünften vorgeſchlagen, einen neuen Weg nach der weſtlichen Hemiſphaͤre durch den Südweſten aufzuſuchen. Carl genehmtigte den Vorſchlag, und Magelhaens fand wirklich dieſen Weg durch Entdeckung der berühmten Durchfahrt aus dem atlantiſchen in das große Südmeer um das Cap Horn, welche noch jetzt ſeinen Nahmen trägt; und obgleich der Entdecker den Tod auf ſeiner Reiſe fand, ſo kehrte doch fein Schiff nach Spanien zur rück, nachdem es das erſte von allen die Welt umſe— gelt hatte. Die Entdeckung dieſes zweyten Weges nach Oſtindien leitete die Engländer auf die Idee, Verſu— — che zur Aufſuchung eines dritten durch den Nordweſten oder Nordoſten (1591) zu machen, welcher die Reife um die Halfte abgekürzt haben würde; aber alle ihre Unternehmungen zur Ausführung derſelben waren obs ne Erfolg. Dieſe Idee faßten jetzt nach einem Zeitrau— zue von vierzig Jahren die vereinigten Niederländer von neuen auf. Der gelehrte Plancius, ein Prediger in Holland und ſehr erfahrner Geograph und Aſtronom, bewies ſeinen Landsleuten aus der Erdkunde: daß wenn man ſo nahe als möglich nach dem Nordpol ſteuerte, und durch das Eismeer um Novazembla herum nach nach der Mündung des großen Stromes Obi ſchiffte, fo ſey es möglich, auf diefem Strome miten durch die Tartarey nach China, und von da weiter nach den Mo lucken zu kommen, um von dort die köſtlichen Gewürze zu hohlen, welche den einträglichſten Artikel der oſtindi— ſchen Handlung ausmachten. Die Speculation fand Beyfall, und einige Kaufleute in Holland und See— land vereinigten ſich, einen Verſuch zur Realiſirung dieſer Idee zu wagen. Sie rüſteten in dieſer Abſicht drey Schiffe aus, und Hugo von Linſchooten, der lan— ge unter den Portugieſen in Indien gedient hatte, er— hielt den Auftrag mit der kleinen Escadre, die von Plancius vorgeſchlagene Fahrt zu verſuchen. Er nimmt (1594) ſeinen Lauf nach dem arctiſchen Polarzirkel, durch die Meerenge Weigats, welche er die Straße Naſſau nennt, entdeckt verſchiedene Inſeln, denen er den Nahmen der Staateninſeln gibt, und kehrt end— lich nach drey Monathen mit der Vermuthung zurück, daß das Meer im hohen Norden ſchiffbar ſey. Auf dies ſen nicht ungünſtigen Bericht, und Oldenbarnevelds dringende Vorſtellungen ward eine zweyte Expedition unter Wilhelm Barents nach dem Nordpol ausgefandt, Aber die Reife war zu fpar im Jahre unternommen; denn als die Schiffe bis an die Straße Naſſau und die Staateninſeln gelangt waren, wurden fie durch die furchte bare Kälte und die Eismaſſen, welche ſie in der Stra— ße fanden, zur Rückkehr gezwungen. Der mißlungene Verſuch hinderte jedoch nicht, daß man bald darauf einen neuen unternahm. Die Generalſtaaten ſetzten demjenigen eine große Beloh— nung aus, der durch den Rorden nach China ſegeln Schillers Niederl. 8. Bo. G . 8 würde, und im May 1596 wurden abermahls zwey Schiffe zu Amſterdam ausgerüſtet, die nördliche Durch— fahrt zu verſuchen, und Jacob Henrichſon Hemskerken, ein kühner und erfahrner Seemann, Johann Cornelis— ſon Ryp und Wilhelm Barentſon zu Befehlshabern derſelben ernannt. Sie nahmen ihren Lauf zwiſchen Schottland und Norwegen hin, und drangen bis zum achtzigſten Grad nördlicher Breite. In dieſer kalten Zone entdeckten ſie ein unbekanntes Land, dem ſie von den ſpitzigen Gipfeln der darauf befindlichen Berge, den Nahmen Spitzbergen gaben. Hemskerken wandte ſich nordwärts von Spitzbergen, aber Ryp ſteuerte ſüdlich, um oſtwärts die geſuchte Durchfahrt zu finden. Doch bald nach der Trennung von ſeinem Gefährten verſchlug. ihn ein heftiger Sturm, rückwärts nach der ruſſiſchen Küſte. Hemskerken's Schiff aber fror unweit der Küſte von Novazembla im Eiſe feſt. Die Mannſchaft be— ſtand aus ſechszehn Perſonen. Ihre Lage war ſchrecklich. Mit großer Mühe ward ein kleiner Vorrath von Lebens— mitteln vom Schiffe auf das Ufer gebracht, und hier eine Barake aus Treibholz erbaut. In dieſer dürftigen mit Eis und Schnee bedeckten Wohnung, in einem menſchenleeren und unbewohnbaren Lande, mußten ſie den Winter im ſteten Kampfe mit den Bären und wei— ßen Füchſen zubringen. Am 4. November verloren ſie die Sonne ganz aus dem Geſichte, und eine drey Me: nath lange Nacht lagerte ſich um fie her. Die Kalte war ſo heftig, daß der geiſtigſte ſpaniſche Wein in den Fäſſern einfror, die Wände der Barake, obgleich Tag und Nacht das ſtärkſte Feuer unterhalten ward, von dem bloßen Athem mit einer daumendicken Eis— rinde bedeckt wurden, und die Dünſte darin in dem Augenblick, da man die Thür öffnete, ſich in Schnee— flocken verwandelten. Erſt im Brachmonathe des fol- genden Jahrs (1597) ward die See vom Eiſe frey, aber das eingefrorne Schiff konnte nicht wieder flott N gemacht werden, und die Reiſenden waren gezwungen, ſich in ihren Booten auf das Meer zu wagen, um nicht ihr Leben unter dieſem feindſeligen Himmel zu beſchlie— ßen. Unter rauſend Gefahren erreichten fie endlich die Küfte von Lappland, und fanden zu Cola das Schiff ihres Gefahrten Ryo, der fie am Bord desſelben auf— nahm und mit ihnen nach Holland zurückkehrte (1597 October.) Von ſechszehn Perſonen, aus welchen die Geſellſchaft dieſer unglücklichen Abenteurer bey ihrer Abreiſe beſtand, ſahen nur zwölf ihr Vaterland wie— der und wurden für das erlittene Ungemach reichlich belohnt. Mit dieſer Reiſe endigten ſich die Verſuche der Niederländer, durch den Nordoſten oder Nordwe— ſten einen Weg nach Oſtindien aufzuſuchen, und fie bes ſchloſſen nach dem Beyſpiel der Engländer, ſich künftig der gewöbnlichen Straße dahin, um das Vorgebirge der guten Hoffnung, zu bedienen. Dieſe Straße hatte auch ſchon vor Hemskerkens nordiſcher Fahrt der Niederläuder Cornelius Hout— mann, mit einem Geſchwader von vier amſterdamer Handelsſchiffen, eingeſchlagen. Houtmann hatte lange zu Liſſabon als Compfoirbedienter gearbeitet, und ſich dabey eine genaue Kenniniß von dem oſtindiſchen Han— del der Portugieſen und ihren Fehlern und Nachlaſſig— keietn bey dem Betriebe desſelben erworben. Er theilte feine geſammelten Erfahrungen und Bemerkungen ſei— nen Landsleuten mit, entwickelte ihnen die großen Vote G 2 e 100 WW kheile jenes Handels „und munterte ſie auf, PR des⸗ ſelben zu bemächtigen. Seine Darſtellungen hatten die Folge, daß ſich neun amſterdamer Kaufleute in eine Geſellſchaft vereinigten, und auf gemeinſchaftliche Kos ſten vier Schiffe ausrüſteten, welche nach Oſtindien ge— hen ſollten, und der Führung Houtmanns anvertrauet wurden. Die Geſellſchaft nannte ſich die Compagnie van Veere, das iſt, die nach fernen Ländern handelnde Geſellſchaft, und Houtmann, der im Aprili 2595 aus dem Texel gelaufen war, ſegelte um das Vorgebirge der guten Hoffnung, und kam glücklich in Oſtindien an. Dort landete er an verſchiedenen Kuften und Inſeln, wo portugieſiſche Kolonien waren, unter andern zu Bantam auf der Inſel Java. Aber die Portugieſen legten feinen mercantiliſchen Unternehmungen ukerz all ſo viel Hinderniß in den Weg, daß er mit ge— ringem Gewinn und mit Verluſt eines ſeiner Schiffe, nach einer dreyjahrigen Abweſenheit, (1598 Auguft) eh Holland zurückkam. „Dieſer erſte mißlungene Verſuch machte jedoch die Geſellſchaft, welche ſich mit einer andern Societät am— ſterdamer Kaufleute verbunden hatte, nicht muthlos. Sie befrachtete abermahls acht Schiffe für Oſtindien, welche von der Regierung mit Geſchütz verſehen, und durch van Nek geführt wurden. Seine Fahrt hatte ei— nen glücklicheren Erfolg, als die feines Vorgängers, Schon nach funfzehn Monathen kamen vier ſeiner Schiffe nach Holland zurück. Sie brachten Pfeffer, Gewürznelken und andere indiſche Producte, die ſie zu Bantam geladen hatten, und auch ein Geſchenk des dortigen Fürſten für den Prinzen Moriz nach Anfter- rate 101 ma dam. Die übrigen Schiffe beſuchten Amboina, Banda und Ternata, und kehrten im Brachmonath 1600 zus rück. | | Noch in demſelben Jahre trat van Nek eine neue Reiſe nach Oſtindien an. Er lieferte bey Ternata den Portugieſen ein kleines Seetreffen, erhandelte zu Pa— tane Pfeffer, und errichtete daſelbſt mit Genehmigung der Landesfürſtinn eine Factorie. Der Geſchmack der Niederländer an dem inbiſchen Handel und das Inter reſſe dafür wurden immer allgemeiner. Es bildeten ſich nach und nach mehrere Geſellſchaften in der Abſicht, ihn zu cultiviren, unter andern die ſogenannte Compag— nie der Brabanter, welche aus ehemahligen antwerpen— ſchen Kaufleuten beftand, die aus religibſen, politiſchen oder mercantiliſchen Motiven ihren ehemahligen Wohn— ſitz aufgegeben, und ſich in den vereinigten Provinzen niedergelaſſen hatten. Im Jahre 1598 wurde eine be— trächtliche Anzahl Schiffe nach Oſtindien geſandt. Un— ter andern machte auch Olivier van Noort aus Utrecht, deſſen Nahmen in der Geſchichte der Navigation nicht unberühmt iſt, mit den beyden Schiffen Moriz und Heinrich Friedrich und drey kleinen Fahrzeugen die Rei— ſe dahin. Seine Rehder waren einige amſterdamer Kaufleute. Am 15. September 1598 verließ er Rot— terdam, richtete ſeinen Lauf nach Südweſten, und ging durch die magellanſche Straße in die Südſee nach den ladroniſchen und philippiniſchen Inſeln. Die Ge— ſchichte dieſer Reiſe liefert ein Beyſpiel von der damah— ligen Strenge der niederländiſchen Geſetze in Abſicht der Subordination der Seeleute. Der Befehlshaber des Heinrich Friedrich, Jacob Klaas van Ulpendamm, K „ 102 ward nach dem Ausſpruch eines am Bord des Moriz gehaltenen Kriegsgerichts, weil er überwieſen war, in der magellaniſchen Straße mit ſeinem Schiffe die Ad— miralsflagge eigenmächtig verlaſſen zu haben, an einer wüſten Küſte mit etwas Wein und Brod ausgeſetzt, und ſeinem Schickſal überlaſſen. Van Noort ſchlug ſich mit Vortheil gegen die Portugieſen, kehrte über Bor— neo und Java um das Vorgebirge der guten Hoffnung zurück, und langte, nachdem er von allen Holländern zuerſt die Welt umſegelt hatte, im Jahre 1600 mit ei⸗ nem Schiffe wieder in Holland an. Es konnte nicht fehlen, der oſtindiſche Handel der Niederländer mußte, je ausgebreiteter und bedeutender er ward, deſto mehr den Neid und die Eiferſucht der Portugieſen und Spanier erregen, weil ſie nicht Luſt hatten, die Vortheile desſelben mit jenen zu theilen. Aus Rache beſchuldigten fie die niederländiſchen Schif— fer, daß ſie Seeräuber wären, deren es damahls eine Menge in den indiſchen Meeren gab, und die Folgen dieſer Verleumdung war, daß mehrere indianiſche Für— ſten Gewaltthätigkeiten und Grauſamkeiten an den Niederländern ausübten. Um die Seeleute der Repu— blik künftig gegen dergleichen Mishandlungen zu ſichern, erhielten in der Folge alle nach Oſtindien gehenden Schiffsbefehlshaber förmliche Beſtallungsbriefe von dem Prinzen Moriz, als Generaladmiral der Union, worin fie zugleich authoriſirt wurden, wider jeden, der fie in ihrem Handel ſtören würde, Gewalt zu gebrauchen. Der König von Spanien erwiederte dieſe Drohung da- durch, daß er ſeinem Admiral Don Andreas Hurtado de Mendoza Befehl ertheilte, nicht nur die niederlän— — 105 — diſchen Oſtindienfahrer, ſondern auch jeden indiſchen Fürſten, der ihren Handel begünſtige, feindlich zu be— handeln. Wolfert Hermansſon lag damahls mit fünf niederländiſchen Schiffen zu Bantam. Hier griff ihn Mendoza (1602) an, aber der Holländer vertheidigte ſich ſo tapfer und glücklich wider ſeines Gegners über— legene Macht, daß ſich der letztere mit Verluſt einiger Schiffe zurückziehen mußte. Mendoza ging hierauf nach Amboina, und ließ allen Plätzen, welche mit den Niederländern in Handelsverbindungen ſtanden, ſeine Rache fühlen. Hermanſon ſegelte indeß nach der Inſel Banda, welche von allen Molucken die trefflich— ſten Gewürze hervorbringt. Er ſchloß mit den Ein— wohnern ein Bündniß, wodurch ſie ſich verpflichteten, ihre Gewürze ausſchließend nur an ſeine Landsleute zu verkaufen, und er dagegen ihnen ſeinen Schutz gegen die Gewaltthätigkeiten der Portugieſen verſprach. Ahn⸗ liche Verbindungen ging er auch mit andern indiani— ſchen Fürſten und Völkerſchaften ein. Der König von Achem auf Sumatra hatte auf Anſtiften der Portugie— ſen die Niederländer ſehr grauſam und treulos behan— delt, und mehrere von ihnen umbringen laſſen, unter andern Cornelius Houtmann (1599), der zuerſt den niederländiſchen Handel nach Indien in Gang gebracht hatte. Da dieſe und andere Grauſamkeiten von der durch die Spanier und Portugieſen unter den India— nern verbreiteten Vorſtellungen veranlaßt wurden, daß die Niederländer nichts als eine zuſammengelaufene Bande von Piraten wären, fo Gerhard de Root und und Lorenz Bicker, welche bald nach jenen Vorfällen mit zwey ſeeländiſchen Schiffen auf Achem gelandet mern 104 mem waren, den König dieſes Landes, eine Geſandtſchaft nach Holland zu ſchicken, um ſich zu überzeugen, daß die Niederländer keine Korſaren-Colonie, ſondern ein großes und reiches Volk wären, welches mit allen Na— tionen der Welt in Frieden und Eintracht lebe, und nur allein den König von Spanien bekriege. Die Er— ſcheinung der achemiſchen Geſandten in Seeland erreg— te allgemeines Aufſehen. Der erſte Geſandte ſtarb bald nach ſeiner Ankunft, und die Provinz Seeland errich— tete ihm ein öffentliches Denkmahl. Die übrigen erhiel— ‚ten im Lager vor Grave Audienz beym Prinzen Moriz, überreichten ihm die Geſchenke ihres Fürſten, und beſa— hen mit Erſtaunen die Anlagen des Lagers, und die großen Anſtalten der Belagerung. Nichts ward ver— ſäumt, ihnen einen hohen Begriff von der Macht und Größe der Niederländer beyzubringen, und die Geſand— ten berichtigten nach der Rückkehr in ihr Vaterland die Ideen ihrer Landsleute über die Verhältniſſe dieſes Volks. Bis jetzt hatten nur einzelne Kaufleute und So— tietäten in den vereinigten Provinzen den Handel nach Indien getrieben. Dadurch entſtanden mancherley Nach— theile und Unannehmlichkeiten. Die Concurrenz der Käufer vertheuerte die Waaren beym Einkauf; denn die verſchiedenen Rehder hatten kein allgemeines, ſon— dern jeder nur ſein ſpecielles Intereſſe bey dem Han— del. Manche Schiffe konnten gar keine Ladung erhal— ten, weil andere ſchon alle vorräthigen Producte auf— gekauft hatten, und in Europa häuften ſich die Waaren zu ſolchen Maſſen- daß die Depoſitärs derſelben fie oft zu ſehr geringen Preiſen losſchlagen mußten. Ein : vos 165 era anderer wichtiger Nachtheil war, daß die eins» zelnen Geſellſchaften zu ſchwach waren, ihren Handel gegen die Chicanen und Gewaltthätigkeiten der Spa— nier und Portugieſen kräftig vertheidigen zu können. Dieſe Umſtände und die Wichtigkeit des Gegenſtandes be— wogen die Generalſtaaten zur Anwendung einer ſehr entſcheidenden Maßregel, welche, wie die Erfahrung gelehrt hat, vollkommen geeignet war, dem ojtins diſchen Handel eine größere Sicherheit und Realität zu verſchaffen. Sie vereinigten alle nach Oſtindien handelnden Geſellſchaften in eine einzige, und ertheil— ten dieſer eine Octroy auf ein und zwanzig Jahre, Kraft welcher fie das ausſchließende Privilegium er— hielt, oſtwärts von dem Vorgebirge der guten Hoff— nung und durch die magellanſche Straße zu ſchiffen, und Handlung zu treiben. Der Freybrief der Geſell— ſchaft war unterm 20. Marz 1602 ertheilt, und fie be: zahlte dafür 25000 Pfund Flämiſch, das Pfund zu 40 Grooten, welche Summe aber die Generalſtaaten zum Fond der Societät legten, und dafür Actien nahmen. Dieſer Fond belief ſich auf 6600000 Gulden. Jedem Niederländer war der Beptritt zu der Geſellſchaft ver— ſtattet. Die Verwaltung ihrer Geſchäfte ward in ſechs Kammern veriheilt, deren Sitz zu Amſterdam, Mid— delburg, Delft, Rotterdam, Hoorne und Enkhuizen war. Sie beftanden aus 60 Vorſtehern, aus welchen 17 Directoren gewählt wurden, deren Beſchluͤſſe die Kammern vollziehen mußten. Die Geſellſchaft hatte das Recht, mit den indianiſchen Völkerſchaften im Nahmen der Regierung Bünbniſſe zu ſchließen, Feſtungen an— zulegen, Statthalter und andere obrigkeitliche Perfos reer 106 nr nen in Indien zu ernennen, und Truppen in jenen Ländern zu halten, welche aber ſämmtlich auch den Ge— neralſtaaten den Eid der Treue ſchwören mußten; ſo wie die Befehlshaber der zurückkehrenden Flotten der Geſellſchaft die Verpflichtung hatten, den Generalſtaa— ten von der Lage der indiſchen Angelegenheiten Bericht zu erſtatten. 8 | Dieß war das Entſtehen der berühmten oſtindiſchen Compagnie in den Niederlanden, die ſchon wenige Jahre nach ihrer Organiſation für eine bedeutende Macht gelten konnte, und deren Statthalter in der Folge den Glanz und das Anſehen mächtiger Für— ſten hatten. Die wohlthätigen Folgen des der Socie— tät ertheilten Monopols wurden bald ſichtbar, ſo ver— derblich auch ſonſt jede Beſchränkung für den Flor des Handels iſt. Die oben erwähnten nachtheiligen Ver— haͤltniſſe des indiſchen Commerzes wurden dadurch auf einmahl entfernt, und er ward von jetzt an mit weit größerer Ordnung und Regelmäßigkeit geführt als bis— her. Die oſtindiſche Geſellſchaft war gleichſam eine neue Republik im Herzen der alten entſtanden, und mit dieſer auf das innigſte verbunden. Sie ward für die letztere eine unerſchöpfliche Quelle der Kraft und des Lebens, und indem ſie einen unverſiegbaren Strom von Reichthümern in die Provinzen des Mutterſtaats ergoß, entkräftete ſie zugleich durch einen neuen, auf ihre Koſten unterhaltenen Krieg in Oſtindien den uns verſöhnlichen Feind desſelben. Die Compagnie ſandte ſeit ihrer Stiftung jahrlich etwa dreyzehn, vierzehn bis ſechszehn Schiffe dahin, welche zum Theil mit Truppen und Munition beladen vos 107 on waren, und bald die Eingebornen bald die Portugieſen bekriegten, wenn ſie ihren merkantilliſchen Unterneh- mungen Hinderniſſe in den Weg legten. Stephan von der Hagen, welcher im Jahre 1605 nach Oſtindien ſchiffte, vertrieb die Portugieſen aus Amboina, erbau— te dort eine Feſtung, und zwang den Konig der In— ſel der Compagnie, den Eid der Treue zu ſchwören. Auf gleiche Weiſe entriß er ihnen Tidor, ſetzte ſich auf Ternate feſt, und ging mit dem Samorin, Beherrſcher der malabariſchen Küſte, ein Bündniß ein. So grüns deten die Niederländer ihren oſtindiſchen Handel über— all auf den Untergang des portugieſiſchen, und jetzt ward Amſterdam das Tirus ber neueren Zeit, ſo wie es früher Venedig und Liſſabon geweſen waren. Man hat berechnet, daß die oſtindiſche Compagnie in einem Zeitraume von hundert und dreyßig Jahren ſeit ihrer Stiftung für mehr als 1600 Millionen Gulden oſtin— diſcher Waaren verkauft, und dadurch unermeßlichen Reichthum in der Hauptſtadt Hollands aufgehäuft hat. Der ſchnelle Fortgang des niederländiſch-oſtindi— ſchen Handels uͤberzeugte die ſpaniſche Regierung, daß fie durch das geſchärfte Handels verboth gegen die ver— einigten Niederländer, ohne welches jenes Commerz vielleicht nie zu der Höhe, die es in der Folge erreich— te, getrieben worden wäre, einen Mißgriff gethan ha— be. Den Fehler zu verbeſſern ward den Holländern und Seeländern die Schifffahrt und Handlung nach Spanien und Portugall (1605 Jul.) wieder freygeges ben, jedoch unter verſchiedenen Modificationen und ge— gen eine Abgabe von dreyßig von Hundert, welcher auch alle übrigen Nationen unterworfen wurden, da— rn 1 08 . mit die niederländiſchen Kaufleute nicht, wie vormahls, unter einer ausländiſchen Firma Geſchäft treiben könn— ten. Dabey war ihnen auch die Einfuhr aller ſelbſtfa— bricirten Waaren unterſagt. Aber niemand fand ſich, der unter fo drückenden Einſchraͤnkungen nach Spanien handeln wollte; ja der König von Frankreich verboth ſogar feinen Unterthanen alle mercantiliſchen Geſchafte dahin. | Als die ſpaniſche Regierung ſah, daß die erlaſſe⸗ ne Verordnung die erwarteten Reſultate nicht hervor— brachte, ward ſie am Ende des Jahrs 1604 von Philipp dem Dritten widerrufen, und den Niederländern aufs neue, bey Strafe des Lebens und der Güter, aller Hans del nach Spanien unterſagt; ein Verboth, welches je— doch keine andere Folge hatte, als daß das oſtindiſche Commerz mit verdoppeltem Eifer fortgeſetzt ward. r 109 vum e eee eee Nee NINE e . 16. Jacob der Erſte, König von Großbritan- nien. 1 6 0 5. Enſobeth von England erlebte den Ausgang der Belagerung von Oſtende nicht; denn ſchon am 3. April 1605 war fie, im ſiebzigſten Jahre ihres Als ters, nach einer vier und vierzigjährigen Regierung, ihrem Todfeinde Philipp dem Zwehten in die Gruft gefolgt. Große Verdienſte erwarb ſich dieſe Fuͤrſtinn um Englands Flor. Dieſer gerechte Ruhm gebührt ihrem Andenken, und die Nachwelt würde ſie be— wundern, hätte fie ſich eben fo leicht über die Schwachheiten und Fehler ihres Geſchlechts erheben können, als ſie die liebenswürdigen Eigenſchaften desſelben verläugnete. Oft führte ſie mit männli— cher Rechte den Zügel der Regierung, aber noch öf— ter vermiſchte ſie den hohen Beruf der Monarchinn mit den kleinlichen Angelegenheiten und Leidenſchaf— ten der gemeinen weiblichen Natur, und manche Grauſamkeit oder Thorheit, wodurch fie ihren Ruhm verdunkelt hat, war die Frucht dieſer ſchädlichen In— conſeguenz, welche ſich mehr oder weniger in der WIE 110 * Regierungsgeſchichte aller weiblichen Souveraͤne of— fenbart. Die Niederländer verloren durch den Tod die— ſer Fürſtinn eine Bundesgenoſſinn, mit welcher ſie achtzehn Jahre in Verbindung geſtanden hatten. Zwar war ſie ihnen keine großmüthige, ſondern eine eigennützige und gefährliche Freundinn, deren Bey— ſtand ſie durch eine läſtige Abhängigkeit erkaufen mußten, aber ihr Haß gegen Spanien und ihre Furcht vor dieſer Macht vereinigten ihr Intereſſe mit dem der Generalſtaaten, und verbürgten den letzteren den Beyſtand der Königinn wider den ge— meinſchaftlichen Feind. Bey der Denkungsart ihres Nachfolgers auf dem engliſchen Throne war leicht vorher zu ſehen, daß Eliſabeths Tod eine große Veränderung in den bisherigen Verhältniſſen beyder Mächte bervorbrin- gen werde. Der neue Regent der brittiſchen In— ſeln, ein Sohn der unglücklichen Maria Stuart, war weder ein Freund des Kriegs noch der vereinig— ten Niederländer. Jenen verabſcheute er, weil er ſeiner Neigung zu den ſpeculativen Wiſſenſchaften, beſonders zur Theologie, die ihn zu einem lächerli- chen Pedanten machte, nicht entſprach; dieſe waren ein Gegenſtand feines Haſſes, weil er fie für Vers brecher an der Majeſtät der Kronen hielt. Er hatte die überſpannteſten Begriffe von der königlichen Ge— walt, und nur politiſche Rückſichten und die drin— genden Vorſtellungen feiner Miniſter konnten ihn ab— halten, daß er die Niederländer nicht öffentlich für Rebellen erklärte, wie er ſie gewöhnlich in ſeinen Pribatgeſprächen zu nennen pflegte. ren 111 e Den Generalſtaaten war die Abneigung Ja— cobs des Erſten, gegen die Union nicht unbekannt. Deſto eifriger dewarben ſie ſich um ſeine Gunſt, und ließen es an keiner Aufmerkſamkeit fehlen, die ſeinem Stolze ſchmeicheln konnte. Sie wünſchten ihm daher nicht nur ſchriftlich (1605, 8. Aprill) zu ſeiner Thronbeſteigung Glück, ſondern thaten es auch durch eine Geſandtſchaft, welche aus dem Gra— fen Heinrich Friedrich von Naſſau, Walrave von Brederode, Johann von Oldenbarneveld und Jacob Falk, Pfennigmeiſter von Seeland, beſtand. Die Ge— ſandten erſchienen mit einem glänzenden Gefolge in London, und hatten am 27. May (1605) ihr er— ſtes Gehör. Sie bathen den König, nach Beobach— tung der gewöhnlichen Förmlichkeiten, um die Fort— dauer der freundſchaftlichen Geſinnungen und des Beyſtandes, deren ſich die vereinigten Provinzen von feiner erhabenen Vorgängerinn zu erfreuen gebabt hätten, damit man das gute Werk, die Spanier gänzlich aus den Niederlanden zu vertreiben, end— lich vollenden könne. Des Königs Antwort war un— beſtimmt, und enthielt nur in allgemeinen Ausdrü— cken ſeinen Wunſch nach Frieden. Neben der niederländiſchen erſchien zu London auch eine ſpaniſche Geſandtſchaft und eine von den Erzherzogen. Beyde hatten den Auftrag, einen Frie— den mit dem engliſchen Monarchen einzuleiten, und ihr Geſchäft gewann einen ſo glücklichen Fortgang, daß ſchon am 50. May die Friedensunterhandlungen, zwiſchen Spanien und den Erzherzogen auf einer, und der brittiſchen Regierung auf der andern Seite, riesen 112 row zu London eröffnet wurden, fo wenig auch der grös ßere Theil des engliſchen Publicums dafür geſtimmt war. Die niederlandiſchen Geſandten, außer Stande, die Unterhandlung hintertreiben zu können, ſuchten wenigſtens den Abſchluß verſelben fo lange als möge lich aufzuhalten. Oldenbarneveld ſtellte dem Könige vor, daß, wenn man bey dem Friedensgeſchäft vorſichtig und ohne Übereilung verfahre, die ſpaniſche Regierung endlich dahin gebracht werden würde, den vereinigten Niederlanden die Unabhängigkeit zu bewilligen. Er berief ſich dabey auf ein Schreiben des Herzogs Julius von Braunſchweig, worin es unter andern hieß: der Kaiſer habe dem Verfaſſer des Briefs im Vertrauen eröffnet, daß der König von Spanien nicht abgeneigt ſey, unter gewiſſen Bedingungen die Independenz der vereinigten Provinzen anzuerkennen. Jacob ſchien jedoch wenig auf dieſe Bemerkungen zu achten, und eben fo wenig erklärte er ſich auf eine kategoriſche Art auf die wiederhohlten Anträge der niederländiſchen Geſandten, zur Erneuerung der zwiſchen beyden Mächten beſtehenden Allianz. Seine Antworten auf dieſen Punct waren ſtets unbeſtimmt, und ſchloſſen ge— wöhnlich mit der Ermahnung, daß die unirten Pro— Zinzen ihrer langen Fehde eln Ende machen möchten, weil er herzlich wünſche, die ganze Welt in Frieden zu ſehen. Die Vorſtellungen der Generalſtaaten fanden indeß einen eifrigen Befoͤrderer an dem franzsſiſchen Geſandten am londoner Hofe, dem Marquis von Rhosni, nachherigem Herzog von Sülly, der ſie auf Befehl feines Hofes nachdrücklich unterſtützte. Dieſer | : be⸗ 4224 1 1 3 PR berühmte Staatsmann brachte es durch ſeine politi— ſchen Künſte dahin, daß zwiſchen den Kronen Eng⸗ land und Frankreich zu Hamptoncourt (2003, 3. Jul.) ‚2 ein geheimes Bündniß geſchloſſen ward, worin beyde Mächte ſich verpflichteten, den König von Spanien zu einem billigen Frieden mit den vereinigten Niederlän— dern zu bewegen, und, wären ihre gemeinſchaftlichen Bemühungen, die ſe Abſicht zu erreichen, fruchtlos, eine Anzahl Truppen zur Unterſtützung der vereinigten Provinzen ins Feld zu ſtellen, welche in England ge: worben, und von Frankreich befolder werden ſollten. Dieſe ungewiſſe Ausſicht auf den Beyſtand ih⸗ rer bisherigen Verbündeten war alles, was die Ge— neralſtaaten erlangen konnten, und ſie überzeugten ſich immer mehr, daß ſie von dem neuen engliſchen Monarchen wenig oder nichts zu erwarten hätten. Er ſetzte, ungeachtet des eben erwähnten mit Frankreich geſchloſſenen Vertrags, die Friedensunterhandlungen mit dem madrider Hofe fort, und am 18. Auguſt 1604 ward der Friede zwiſchen den drey pacidcirens den Theilen, den Königen von England und Spanien, und den Erzherzogen als Souveräns der Niederlan— de, zu London abgeſchloſſen und unterzeichnet. Unter den Artikeln des Friedenstractats hatten folgende auf die vereinigten Niederländer Bezug: Kein Theil ſoll den Feinden oder Rebellen des andern, von welcher Art ſie auch ſeyn mögen, directen oder indirecten Beyſtand leiſten, und jeder von ihnen entſagt den Bündniſſen, welche er zum Nachtheil des andern ein— gegangen iſt. Außer dem verpflichtet ſich Jacob, daß ſeine Beſatzungen in den an England verpfändeten Schillers Niederl. 8, Bd, 0 ren 114 won 2 bolländiſchen und ſeeländiſchen Plätzen den Miederlän⸗ dern keinen Beyſtand leiſten ſollen, und da ihm die zwiſchen der Königinn Eliſabeth und den Niederlän⸗ dern geſchloſſenen Verträge nicht erlauben, die er⸗ wähnten Plätze dem Erzherzog zu überliefern, fo wird er den vereinigten Niederländern einen Termin zur Ausgleichung ihres Zwiſts mit dem Erzherzog be— ſtimmen, nach deſſen Ablauf er ſich von den ebemah: ligen Verpflichtungen frey achten und über jene Plä⸗ tze beſchließen wird was recht und billig iſt, und thun was einem frommen Fürſten eignet und gebühret, woven ſeine geliebten Brüder, der König von Spanien und der Erzherzog, ſich überzeugen ſollen. — Der be: rühmte Geſchichtſchreiber Hume macht in Rückſicht dieſes letzten Puncts, welcher in dem 4. 5. und 7. Ar⸗ tikel des Friedensinſtruments enthalten iſt, die Be— merkung, man habe dieſe Artikel nur deßhalb zur Publicität gebracht, um die Generalſtaaten deſto eher zu einer Ausſöhnung mit Spanien zu bewegen, ein geheimer Artikel aber habe fie. für ungültig erklärt, oder ihnen doch eine veränderte Bedeutung gegeben. Und dieſe Behauptung erſcheint um ſo wahrſcheinli— cher, da kein Artikel des Londoner Friedens, der den Generalſtaaten nachtheilig war, zur Vollziehung gebracht ward, ohne daß die Spanier ſich darüber be- klagt hätten, und auf der andern Seite die General— ſtaaten über den Abſchluß dieſes Friedens ſo wenig Beſorgniſſe äußerten. Als fie ihrem Geſchäftsträger in England, der ſchon länger an dem dortigen Hofe ge: weſen war, den Charakter eines Ambaſſadeurs ertheil— ten, um in dieſer Würde die Union bey dem engli— DZ wer 1130 see ſchen Monarchen zu repräſentiren, führte der ſpani⸗ ſche Geſandte, Johann Baptiſta Taſſis, Beſchwerde beym Könige, daß er einen Abgeordneten von den re— belliſchen Unterthanen ſeines Herrn annahme, und drang auf deſſen Entfernung. Aber der König erwies derte: er könne die freundſchaftliche Verbindung, welche er bey feinem Regierungsantritt zwiſchen Eng⸗ land und den vereinigten Niederländern gefunden ha- be, nicht zerreiſſen und deßhalb auch ihren Bevoll— mächtigten nicht zurückweiſen, unter welcher, Charakter er auch an ſeinem Hofe erſcheinen möge. Die Generalſtaaten waren vor dem Abſchluß des londoner Friedens von den paciscirenden Mächten aufgefordert worden, demſelben beyzutreten, aber ſie hatten die Einladung abgelehnt, feſt entſchloſſen nur dann die Waffen nieder zu legen, wenn ſie es mit voller Sicherheit für die Unabhängigkeit und Selbſt— ſtändigkeit des Staats thun könnten. Übrigens war die Beendigung des Kriegs jetzt mehr als je der all: gemeine Wunſch, vorzüglich in den erzherzoglichen Provinzen, welche am meiſten die ſchrecklichen Folgen desſelben empfunden hatten. Doch gab es auch in den vereinigten Landſchaften nicht wenige, welche die Wünſche ihrer Nachbarn theilten, weil fie der haus figen Abgaben, welche die Unterhaltung des Kriegs erforderte, müde waren, und die Früchte ihres uner⸗ meßlichen Handels gern in ungeſtörter Ruhe genie⸗ ßen wollten. Eine Menge Flugſchriften aller Art, worin die— ſer Gegenſtand abgehandelt ward, beſchäftigten die Aufmerkſamkeit des Publicums in den beyderſeitigen | | 22 . 116 . Provinzen, und fanden überall zahlreiche Leſer. Ihrs Tendenz war ſehr verſchieden, nach der Verſchieden⸗ beit der Anſichten und Verhoͤltuiſſe der Verfaſſer. In einigen derſelben, welche in den katholiſchen Provin- zen erſchienen, ſuchte mon den vereinigten Nieder- ländern zu beweiſen, daß es ihr Intereſſe erfordere, ſich der Herrſchaft der Erzherzoge zu unterwerfen, wenn fie nicht Gefahr laufen wollten, endlich noch ein Raub Englands oder Frankreichs zu werden, weil es ihnen an Lintracht und Gemeingeiſt fehle, und ihre Conſtitution äußerſt fehlerhaft ſey. Andere riethen da— gegen den gehorchenden Provinzen, ſich unter die Herrſchaft des franzöſiſchen Monarchen zu begeben, um ihre Religion und Freyheiten zu retten, welche bey dem geringen Schutze, den ſie von der Ohnmacht Spaniens zu erwarten hätten, leicht in Gefahr gera⸗ then könnten, wenn das Glück fortfahre, die Waffen der vereinigten Niederländer zu begünſtigen. Ein ans derer Verfaſſer bemerkte: daß da die Erzherzoge nur dem Nahmen nach Souveräne der Niederlande wären, und gänzlich von Spanien abhingen, ſo müſſe man den ſpaniſchen Monarchen, durch Mitwirkung der Höfe von London und Paris, zu zwingen ſuchen, daß er allen ſeinen Rechten und Anſprüchen auf die belgiſchen Provinzen feyerlich entſage, und ſie ohne al— len Vorbehalt an die Erzherzoge und ihre Nachkom— men abtrete, und zwar mit der Beſtimmung, daß im Fall des unbeerbten Abſterbens der letzteren die Nies derlande weder an Spanien noch an den Kaiſer, ſon— dern an eine andere Linie des Hauſes Oſtreich fallen ſollten. Endlich ward auch von einem dritten der ſon⸗ ren 11 A er derbare Vorſchlag gethan, man ſollte, um dem Krie— ge ein Ende zu machen, den eb Bundesgenoſſen die Freyheit verkaufen, eine Operation, welche kei- neswegs den Häuſern Oſtreich und Burgund unanſtän⸗ dig ſeyn würde, da ſie mehrere der niederländiſchen Landſchaften ebenfalls durch Kauf acquirirt hätten. Unter ſo vielen literäriſchen Producten dieſes Zeitraums, worin die Frage über Krieg und Frieden beleuchtet ward, ſcheint mir ein kleiner Aufſatz, wel— cher ohne Nahmen des Verfaſſers in den vereinigten Provinzen an das Licht trat, feinen Gegenſtand am richtigſten darzuſtellen, und am meiſten zu erſchöpfen. Dieſer Tractat, worin die Niederländer vor der Arg— fit und Treuloſigkeit der Spanier und Oſtreicher ge⸗ warnt werden, iſt mit fo viel Scharfſinn und ge— ſunder Beurtheilungskraft und mit ſo richtigen An— ſichten geſchrieben, daß ich mir das Vergnügen nicht verſagen kann, meinen Leſern einige Stellen daraus mit den eigenen kräftigen Worten des Verfaſſers mit zutheilen. „Es ſcheint, o geliebtes Niederland, — ſo heißt es im Eingange, — als ſollteſt du in dieſem Jahre nicht allein mit Waffen und Gewalt, ſondern auch durch liſtige Anſchläge hart angegriffen werden, und als wollte der Erzherz og Albert, gleichwie er einſt Stand und Kleidung verändert, und anſtatt des römiſchen Papſtes Feldzeichen und rothen Cardinals— rocks den brabantiſchen Herzogsmaͤntel angethan hat, auch mit dir auf eine veränderte Weiſe verfahren und ſich begnügen, gedachten Mantel mit Fuchspelz ausz: füttern, da die Löwenhaut zu kurz 1 fallen. Zwe nun 11 8 ren vor der Löwenhaut und Klauen, das iſt vor feiner Macht und Gewalt biſt du auch ſonder Zweifel un⸗ erſchrocken, da du bereits feine äußerſte Macht geprüft und männlich abgewandt haſt; aber vor dem Fuchs— balg bich zu warnen, habe ich für nöthig erachtet, vor welchem du dich um fo forgfaltiger zu büthen haſt, weil ſolcher nicht öffentlich, ſondern heimlich und tü— ckiſcher Weiſe gebraucht werden wird.” In dieſem Tone und mit ſehr derben Ausdrücken fährt der Mer: faſſer fort die Niederländer zu warnen und zu ermah— nen, den ausgeſprengten Gerüchten von den milden und toleranten Geſinnungen des Erzherzogs nicht zu trauen, weil er ihnen, wenn ſie ſich ihm unterwor⸗ fen batten, weder die Religionsfreyheit zugeſtehen, noch ihre alten Rechte und Privilegien reſpectiren werde. Er zaͤhlt als Beweiſe für dieſe Behauptung eine Menge Thatſachen auf, und klagt zugleich das ganze Haus Oſtreich, — Kaiſer Maximilian den Zwehten allein ausgenommen — wegen feiner Un— duldſamkeit an. „Ihr müßt euch, fahrt er fort, nicht daran kehren, wenn man ſagt, der Erzherzog ſey kein Spanier, ſondern aus deutſchem Blute entſproſ— fen. Denn von einem Deutſchen, der von einer ſpa— niſchen Mutter in Spanien geboren, der in der Schule der ſpaniſchen Inquiſition und in ſpaniſchen Geundſätzen auferzogen und dem Könige von Spanien ſo nahe verwandt iſt, der nach den Farben und Feld— zeichen des Papſtes riecht, alle Nächte eine Spanier rinn, die ihrem Vater an Starrſinn nichts nachgibt, in den Armen hält, und von ihr und feinem ſpaniſch- jeſultiſchen Rathe geleitet und aufgereitzt wird — — 119 — von einem ſolchen habt ihr weit weniger Nachſicht und Gunſt zu hoffen, als ſelbſt von einem gebornen Spanier. Er ſchließt endlich mit dem Raͤthe an feine Landsleute, die Waffen nicht eher aus ver Hand zu legen, als bis ſie durch Siege einen vollkommenen und dauerhaften Frieden erfochten hätten, weil außer— dem keine Sicherheit für ſie zu hoffen ſey. Dieſe intereſſante Schrift war ganz im Geiſte der Regierung und des größeren Theils des Publis cums in den vereinigten Provinzen geſchrieben. Die meiſten theilten hier des Verfaſſers Anſichten und Be⸗ ſorgniſſe. Daher machten auch die oben erwähnten Piecen, welche zum Frieden und zur Unterwerfung riethen, und, wie man glaubte, zum Theil auf Ver⸗ anlaſſung des Erzherzogs ſelbſt verfaßt ſeyn mochten, wenig Eindruck auf die Gemüther, obgleich ſie ſolche in mancher Hinſicht auf die zwey Jahre ſpäter eröffne— ten Unterhandlungen vorbereiteten. Wie wenig Nei⸗ gung zum Frieden die Generalſtaaten für jetzt noch hatten, oder vielmehr wie mißtrauiſch ſie gegen jeden Vorſchlag des Hauſes Hſtreich zu einer Ausſöhnung waren, davon gibt ihr Benehmen bey einem aber— mahligen Zwebensantrag des Kaiſers einen Beweis. Im Anfange des Jahrs 1608 erſchien der kaiſerliche Rath Maximilian Cocchi im Haag, und erſuchte die Generalſtaaten um Päſſe für eine anſehnliche deutſche Geſandtſchaft, welche vom Kaiſer zur Vermittlung eines Friedens zwiſchen dem Erzherzog und den verei— nigten Provinzen, bevollmächtigt ſey. Erſt unterm 31. Mah erfolgte die Antwort der Generalſtaaten, welche keineswegs den Erwartungen des Kaiſers ent⸗ win 120 — ſprach. Sie hätten leider ſchon oft, — ſo lautete der Beſcheid, welchen ſie dem kaiſerlichen Rath ertheil— ten, — die nachtheiligen Folgen ſolcher Unterhand— lungen erfahren. Einen wahren und aufrichtigen Frie— den dürften ſie weder von dem ſpaniſchen Hofe, noch von den Erzherzogen, welche von jenem durchaus ab— hängig wären, erwarten, und einem Scheinfrieden würden ſie ihre von Königen und Fürſten bereits an— erkannte Freyheit nicht aufopfern. Der Kaiſer for— derte hierauf Erſatz für den von den niederländiſchen Truppen auf dem Reichsboden verübten Schaden, und die Räumung der von ihnen beſetzten deutſchen Plätze. Darauf erklärten die Generalſtaaten: eine billige Ent— ſchädigung zu leiſten, wären ſie nicht abgeneigt; aber die verlangte Räumung der Feſtungen würden ſie auf keinen Fall bewilligen, am wenigſten jetzt, da der feindliche Oberfeldherr ſich zu einem Kriegszuge an den Rhein rüſte. überdieß ſey die Beſetzung dieſer Platze ein offenbarer Gewinn fur Deutſchland, welches ſich erinnern möge, was für Leiden ihm ehemahls die Truppen des Admirals Mendoza zugefügt hätten. So wurden die Anträge des Kaiſers zurück ge— wieſen, und der ſchwache Schimmer des Friedens, welcher den Horizont der Niederlande einen Augenblick erheitert hatte, ging aufs neue in der fortdauernden Nacht des Krieges unter. oe 121 * 1 e. Dr e rere ere. 17. N f Feldzuͤge des Marcheſe Spinola. 1605 bis 1607. Ven jetzt an ſehen wir den Eroberer Oſtende's an der Spitze der ſpaniſch- erzherzoglichen Truppen in den Nie— derlanden. Er hatte ſeinen Ruhm in jener berühmten Belagerung für immer gegründet, und ſich das unbe— grenzte Zutrauen des Königs erworben, der ihn nach und nach zum Oberfeldherrn in den Niederlanden, zum Grand von Spanien und zum Ritter des goldenen Vließes erhob. Niemand ſchien geſchickter, die ſchwere Aufgabe, die abgefallenen Provinzen nach ſo langen fruchtloſen Verſuchen endlich zum Gehorſam zurück zu bringen, glücklich aufzulöſen als dieſer Mann, deſſen wunderbare Erſcheinung auf dem Schauplatz des Kriegs, in der Vollkommenheit des vollendeten Feldherrn, ei⸗ ner Sendung vom Himmel, zur Verherrlichung des ſpa— niſchen Rahmens und zur Vernichtung des Reichs der Ketzer, glich. Man empfing ihn zu Madrid, wohin er ſich im Winter 1604 bis 1605 begab, mit ausgezeich— neten Ehrenbezeigungen. Der König billigte den von ihm überreichten Plan für den nächſten Feldzug, und die Miniſter, denen er geradehin erklärte, daß man rr 1 2 2 4 entweder den Erzherzog kraͤftiger als bisher mit Gelde unterſtützen oder dem Kriege ein ſchleuniges Ende ma— chen müſſe, verſprachen trotz des großen Verfalls der ſpaniſchen Finanzen, anſehnliche Geldſummen, ein Re— giment Spanier und mehrere italläniſche Regimenter nach den Niederlanden zu ſenden. Nach Beendigung ſeiner Geſchäfte am ſpaniſchen Hofe, kehrte er nach Brüſſel zurück, und verabredete mit dem Erzherzog die Maßregeln zu dem bevorſtehenden Feldzug. Sein Plan war: zwey verſchiedene Heere ins Feld zu ſtellen, wos von das eine durch Friesland und Oberyſſel in das Herz der vereinigten Provinzen eindringen, und das ande— re die erzherzoglichen Provinzen gegen des Feindes Un— ternehmungen ſchützen ſollte. Große Zurüſtungen wur: den getroffen, und überall Werbungen zur Verſtaͤr— kung des Kriegsheers angeftellt. In der Lombardey wurden zwey Regimenter unter Alconato und dem Grafen Guido Aldobrandini de Sangiorgio organiſirt, im Neapolitaniſchen zwey und zwanzig Fahnen unter Alexander de Monte und Camillo Caraccioli Prinzen von Avellino, im Luxenburgſchen zwey Regimenter Deutſcher unter Chriſtoph von Emden und dem Baron von Mansfeld, und in den Ardennen ein Regiment Wallonen unter Claude Barbanſon. Sogar auf den brittiſchen Inſeln wurden, mit Erlaubniß des Königs von England, einige Corps Engländer, Schotten und Irläͤnder unter dem Ritter Markham, dem Oberſten Studdar und dem Grafen Arundel errichtet. Während dieſer Anſtalten zur Ergaͤnzung des feindlichen Heers, rückte Prinz Moriz an der Spitze (1605. Map) eines zahlreichen Truppencerps ins Feld. . 123 , Die Generalſtaaten hatten ihre Kriegsmacht durch neue Werbungen in England, Deutſchland und Frankreich bedeutend verſtärkt, ſo daß ſie hundert Fahnen mehr als im vergangenen Jahre zahlte, und auf den Rath des Königs von Frankreich, den Feldzug zu eröffnen ehe der Feind ſeine Rüſtungen zu Stande gebracht, und die neugeworbenen Truppen an ſich gezogen habe, er— hielt Prinz Moriz Befehl, nach der Schelde zu mar— ſchiren, und Antwerpen anzugreifen. Dieſen ſchwieri— gen Auftrag auszuführen, beſchloß der Prinz durch Offnung der Dämme die Gewäſſer der Schelde über das umliegende Land auszugießen, ſich des flandriſchen Ufers zu bemaͤchtigen, und die Stadt Antwerpen ſelbſt mit einer nicht zahlreichen Mannſchaft, die er zu Waſ- ſer dahin ſenden wollte, einzuſchließen. Aber Spinola errieth zu früh die Abſicht des niederländiſchen Feld berrn, und traf ſchleunige Anſtalten fie zu vereiteln. Er verſtärkt die Beſatzung Antwerpens mit einer An— zahl Reiter, und ſendet ein Obſervationscorps von 3000 Mann unter Inigo de Borgia und Alfonfo de Luna in die Waas. Prinz Moriz war indeß mit 7000 Mann zu Fuß, 2500 Reitern und 9 Feuerſchlünden von Bergenopꝛeom zu Lande gegen Antwerpen aufge— brochen, während Graf von Naſſau mit 80 Fahnen Fuſtvolk auf Schiffen die Schelde hinaufging, um den Damm auf der flandriſchen Seite des Strom anzugreifen. Er kam glücklich durch das heftige Kanonenfeuer der beyden feindlichen Uferforts, Ordam und die Perle, aber ein widriger Wind warf die Flottille an das barbanti— ſche Ufer. Dennoch gelang es ihm, 400 Mann in Kaͤh⸗ nen über den Strom auf die flandriſche Seite zu ſen— ee 1 24 2 deu. Der ſtaͤrkere Feind aber warf fie mit einem Ver⸗ luſt (1605, 1. May) von 100 Mann zurück, und ver⸗ ſchaffte dem Marcheſe Spinola Zeit, in eigener Perſon ein Corps nach der Schelde zu führen. Dieſer Feld⸗ herr ließ eine Brücke über den Strom ſchlagen, um ſchnell von einem Ufer auf das andere übergehen, und den Niederländern überall entgegenwirken zu können, und feine Wachſomkeit und Thätigkeit vereitelten das Vorhaben des Prinzen. Moriz ſah ſich genöthigt, nach Bergensszoom zurück zu gehen. Auf dem Wege dahin ereberte er, nach einer fünftägigen Belagerung, (1609, 25. Mey) das eine Meile von Bergenopzoom in einem Sumpfe gelegene Schloß Wouw, und dieß war die ein⸗ zige Frucht einer großen und koſtbaren Expedition. Graf Ernſt von Naſſan ſegelte mit feiner Flotte die Schelde hinsb nach Plieſſingen, nicht ohne Verluſt bey der Durchfahrt zwiſchen den feindlichen Uferforts. Der Geſchichtſchreiber van der Vinkt äußert die Ver— muthung: das Geheimniß der Unternehmung auf Ant: werpen ſey vielleicht ſelbſt von einigen Mitgliedern der Generalſtaaten durch vorſätzliche Verbreitung zur Kennt— niß des Feindes gebracht worden, um das Gelingen derſelben zu hindern, aus Beſorgniß, daß, wenn Ant— werpen erobert würde, der Handel aus den nördlichen Provinzen ſich dahin ziehen werde. Wenn man erwägt, daß ein handeltreibendes Volk jedes andere Intereſſe ſeinem mercantiliſchen Vortheil aufopfert, ſo ſcheint die— ſe Vermuthung nichts weniger als unwahrſcheinlich zu ſeyn. Nach dieſer mißlungenen Unternehmung ſchlug Prinz Moriz vor, eine defenſive Stellung am Rhein * nen 125 wem zu nehmen, aber die Generaſtagten hielten für zweck⸗ mäßiger, die flandriſchen Eroberungen zu decken, und, wenn ſich eine günſtige Gelegenheit darböthe, Sas van Gent anzugreifen. Moriz mußte wieder ſeine beſſere Überzeugung ihrem Befehl gehorchen. Er ſetzte daher in Kähnen über die Schelde nach Flandern über, und lagerte ſich bey dem Dorfe Waterfliet unweit Yſen⸗ dik. Spinola folgte ihm von Antwerpen dahin, und nahm eine Stellung zwiſchen Sas van Gent und dem niederländiſchen Lager.“ Beyde Heere beobachteten ein: ander eine Zeit lang, und Spinola hinderte durch ſeine Stellung und Manövres den Prinzen, irgend etwas zu unternehmen; dabey litt das niederländiſche Heer durch Deſertion und Krankheiten, welche der feuchte moraſtige Boden erzeugte. N Indeß waren die neugeworbenen Regimenter aus Deutſchland und Italien angelangt, und Spinola hielt ſich jetzt für ſtark genug, ſeinen Plan gegen die nie— derländiſchen Provinzen jenſeit des Rheins auszufüh— ren, wo ſeiner Meinang nach der ſchwächſte Punct des niederländiſchen Bundesſtaats war. Er hatte das Ge— heimniß dieſes Plans bisher auf das forgfaltigfte be— wahrt, und um den Feind über ſeine Abſichten zu täu— ſchen, ließ er durch Alfonſo de Lung Brede, durch Giuſtiniani Bergenopzoom und durch Inigo Borgia Grave bedrohen. Während durch dieſe Maßregeln die allgemeine Aufmerkſamkeit getheilt, und zuf die bedrohe— ten Puncte gezogen ward, brach der Graf von Bouc— quoi mit einem Corps, in deſſen Gefolge ſich ein Zug von Pontons und Brückenſchiffen befand, nach den Rheingegenden auf. Wahrend des Marſches dahin vers DAR 126 e. einigten ſich mit ihm der Graf Sangiorgio und Pom- peo Giuſtiniani mit ihren Regimentern. Zwiſchen Deutz und Cöln ging der Graf über den Rhein, und der päpſtliche Legat ertheilte ſeinen Truppen den apo— ſtoliſchen Segen, und ermahnte ſie zur Tapferkeit, weil fie nicht nur für die Sache, ihrer Fürſten, fonts dern auch für die ihrer Altäre beraubten Heiligen kämpf— ten. Um die Gemeinſchaft mit dem linken Ufer zu er⸗ halten, ließ Boucquoi unweit Kaiſerswerth eine Brü— cke über den Strom ſchlagen, und auf beyden Ufern zu ihrem Schutze eine Schanze anlegen. Prinz Moriz, der jetzt in Erfüllung gehen ſah was er befürchtet hatte, und wegen Rheinbergen in Beſorgniß gerieth, ſandte ſeinen Bruder Heinrich Frie— drich und den Grafen Ernſt von Naſſau mit 4000 Mann zu Fuß und 2000 Reitern dahin, welche die Stadt mit neuen Außenwerken verſahen, und eine Communicationsbrücke über den Rhein ſchlagen ließen. Indeß war Spinola ſelöſt mit dem Hauptcorps bey welchem ſich der Herzog von Oſſuna, Ludwig Ve— lasco, der Prinz von Caſerta, Simon Melzi und an⸗ dere Befehlshaber befanden, dem Grafen Boucquoi ge— folgt; Graf Friedrich von Berg mit 6000 Mann zu Fuß und 500 Reitern blieb in Flandern zurück. Bey Rörort, wo Theodor Trivulzio mit der ſpaniſchen Rei— terey ein niederländiſches Detaſchement in die Flucht ſchlug, vereinigte ſich Spinola mit VBoucquoi. Seine Abſicht war, unverzüglich vor Lingen zu gehen, ohne ſich erſt mit der Belagerung von Rheinbergen aufzu— halten, welches jetzt von allen durch die Niederländer beſetzten Feſtungen am meiſten mit Außenwerken ver— . 127 797 27. ſehen war, und deßhalb einen langen Widerſtand er warten ließ. Lingen, hoffte er, ſollte ihm weniger Hin— derniſſe entgegenbiethen, wenn es ihm nur gelänge, den Ort eher zu erreichen, als Prinz Moriz Anſtalten zu ſeiner Sicherung treffen könne; und ſey erſt Lingen erobert, ſo werde es nicht ſchwer ſeyn, Rheinbergen, Grol und andere feſte Plätze, die er jetzt in ſeinem Rücken liegen laſſe, zu nehmen. Graf Boucquoi blieb mit 4000 Mann bey Kaiſerswerth zurück, um die an⸗ gefangenen Brückenwerke zu vollenden, und wenn ſie angegriffen würden, zu vertheidigen. Der Oberbefehls⸗ baber ſelbſt beach an der Spitze von 11000 Mann nach Lingen auf. Die Infanterie war in drey Diviſionen von gleicher Stärke, und die Reiterey in zwey große Schwadronen getheilt, wovon die erſte, bey welcher Spinola ſelbſt ſich befand, von Ludwig Velasco ge- führt ward. Der Marſch geht mit der größten Schnel— ligkeit durch das Cleviſche nach Oberyſſel. Große Vor: rathe von Mehl, welche in Cöln aufgekauft waren, wurden dem Heere zu Waſſer nachgeführt. Auf dem Marſche wird die ſtrengſte Kriegszucht beobachtet, und jeder Marodeur mit dem Tode beſtraft. Alle Lebens— mittel und andere Bedürfniſſe werden in den neutralen Ländern bar bezahlt. Die Folge dieſer Ordnung war, daß es den Truppen nie an dem nöthigen Unterbalt fehlte; denn alle Bedürfniſſe wurden ihnen im Übers fluß zugefühet. Der Graf von Solte mußte im Nah: men des Erzoerzogs den nothwendigen Durchzug bey den Fürſten, deren Lander das Heer auf ſeinem Mar— ſche berührte, entſchuldigen. Am vierten Tage nach ſeinem Aufbruch ging Spi⸗ . 128 24. nola bey Dorſten über die Lippe auf einer Vrücke, welche der niederländiſche Hauptmann Willers verge— bens in Brand zu ſtecken verſucht hatte. Hierauf ward das Städtchen Oldenſeel in Oberyſſel angegriffen. Man ng hier einen Spion auf, von dem man erfuhr, daß Lingen an allem Mangel litte, und daß „ darin nur ſchwach ſey, aber täglich Verſtärkung erwar te. Auf dieſe Nachricht mußte Trwulzio ſogleich mit ei— nem Theile der Reiterey dahin aufbrechen, um der er⸗ warteten Verſtärkung den Eingang in die Stadt zu verſchließen. Den folgenden Tag (1605, 5. Auguſt) ergab ſich Oldenſeel nach einer dreytägigen Belagerung, welche die Velagerer 400 Todte koſtete, unter welchen ſich der Hauptmann Graf Malateſta befand. Nach ab- geſchloſſener Capitulation brach 4 unverzüglich nach Lingen auf. Lingen liegt an der Ems in einer Ebene, welche ſich gegen die Stadt hin immer tiefer ſenkt, ſo daß die achtzig Fuß breiten Gräben ſtets mit Waſſer angefüllt ſind. Sie hat fünf große Außenwerke und einen ſchö— nen Wall, wozu Prinz Moriz ſelbſt den Riß entwor— fen hatte. Befehlshaber in der Feſte war Martin Kob— be, und die Beſatzung beſtand aus 600 Mann unter den Hauptleuten Itterſum, Mellinga, Rüſch und Jo— hann Dik. Glücklicher Weiſe fand Spinola, wie er ſelbſt in ſeinem Bericht von dieſer Belagerung ſagt, in dem Befehlspaber einen alten verzagten Mann, der ſein Handwerk nicht verſtand, und ihm daher weit we— niger Hinderniſſe in den Weg legte, als er bey der Be— ſchaffenheit der Feſte zu finden befergt hatte. Nach drey Tagen waren die Belagerer, welche durch keinen Aus⸗ „ 129 ven Ausfall geſtört wurden, mit ihren Arbeiten ſben k bis an den Graben vorgerückt. Da die Ableitung des Waſ— ſers aus demfelben ; zu viel Zeit gekoſtet hatte, ließ Pom⸗ peo Tarjone zum übergang auf der einen Seite eine Brücke aus Tonnen verfertigen, während Giuſtiniani auf der andern den Graben mit ſtarken Schanzkoͤrben, aus grünen Zweigen geflochten, anfüllen ließ. Die Schanz⸗ körbe wurden der Länge nach neben und auf einander geſtellt, ſo daß das Waſſer d da; wiſchen durchfließen konn⸗ te, und aus Faſchinen und Gurten, womit ſie bedeckt wurden, ward ein Weg zum Übergang gemacht. Schon iſt das Belagerungsheer in Schlachtordnung aufgeſtellt, und im Begriff, von allen Seiten zu ſtürmen, als ein Parlamentär am Thore erſcheint, und im Nahmen des Befehlshabers Kobbe eine Unterredung fordert. Nach einer kurzen Unterhandlung übergab er (18. Aua.) die Stadt, und ward dafür nebſt den übrigen Dfficieren, welche in die Cäpitulation gewilligt hatten, in der Fol⸗ ge mit Gefängniß und dem Verluſt feiner Charge bes ſtraft. / Prinz Mori; war auf diefe erſte Nachricht von dem Zuge ſeines Gegners an den Rhein mit 25 Fah⸗ nen (4. Auguſt) dahin gefolgt, und hatte in Flandern den Oberſten von der Noot mit fünfzig Fahnen zurück⸗ gelaſſen. Er ging zuerſt nach Deventer, wo er noch mehrere Truppen an ſich zog, und dadurch etwas aufs gehalten ward. Endlich als er eben im Begriff war, nach Lingen aufzubrechen, erfuhr er den Verluſt dieſes Orts. Zum Glück verweilte Spinola bey Lingen, um wegen des Ausbaues und der Vermehrung der noch unvollendeten Feſtungswerke Verfügungen zu treffen. Schillers Niederl, 3. Bd. 5 he e. 130 r. Hätte er die erlangten Vortheile urch ein raſches Vordringen verfolgt, fo würde er wahrſcheinlich Koe— verden, Gröningen, und vielleicht ſelbſt Emden in ſei— ne Gewalt gebracht haben. Sein Verweilen verſchaffte Moriz Zeit, die Beſatzungen der gefährdeten Plätze zu verſtärken, und ſie in beſſeren Vertheidigungsſtand zu ſetzen. Vielleicht feblte es Spinola noch an Localkennt— niß, um die ihm ſo günſtige Lage der Dinge gehörig zu benutzen; ſonſt beging er einen großen Fehler durch ſein Verweilen bey Lingen. Er verſah dieſen Platz und Oldenſeel mit einer Beſatzung von 2500 Mann und fünf Cornetten Reiter unter Felipo de Torres, und zog ſich darauf in der Mitte des Herbſtmonaths nach Röhrort zurück. Von hier aus detaſchirte er den Gra- fen Boncgnoi mit 5000 Mann zu Fuß und 1000 Rei: tern nach Geldern, um Wachtendonk zu belagern. Moriz, welcher bey Koeverden geſtanden hatte, verließ ebenfalls ſeinen dortigen Poſten, und ſtellte ſich am Rhein in der Nachbarſchaft von Weſel auf. Hier erfuhr er, daß die neugeworbenen engliſchen, ſchottiſchen und irländiſchen Truppen auf dem Marſch wären, ſich mit Spinola zu vereinigen. Dieſe Truppen hatten auf der Überfahrt von der engliſchen Küſte nach Flandern große Hinderniſſe gefunden, und mehrere Transportfahrzeuge waren von den niederländiſchen Schiffen aufgebracht worden, welche die darauf befind- lichen Soldaten entweder nach England zurückſandten, oder ſie überredeten, in die Dienſte der Generalſtaaten zu treten. Diejenigen, welche Flandern glücklich er- reichten, wurden angewieſen, ſich mit dem Heere des Marcheſe Spinola zu vereinigen. Prinz Moriz, von een 131 uw dieſer Beſtimmung unterrichtet, beſchloß, fie auf dem Marſch zu überfallen, und eilte in dieſer Abſicht mit 25 Cornetten Reiter und 5000 Mann zu Fuß, wel⸗ che auf Wagen gefahren wurden, über den Rhein. Aber das Gerücht von ſeinem Vorhaben ging vor ihm her; die feindlichen Truppen vertheilten ſich ſchnell in die feſten Plätze, und er mußte, ohne ſeinen Zweck er— reicht zu haben, wieder zurückkehren. Bald darauf zeig⸗ te ſich ihm eine neue Gelegenheit, dem Feinde Abbruch zu thun. Spinola hatte ſein duch den Abgang det Bous, quoiſchen Corps geſchwächtes Heer an der Röhr in Cantonirungsquartiere verlegt. Sechzehn Cornetten Reiter und acht Fahnen Fußvolk unter Theodor Tri— vulzio ſtanden in dem Flecken Mühlheim am Ausfluß der Röhr in den Rhein. Dieſer Poſten war von den übrigen zu weit entfernt, um im Fall eines Angriffs ſchnelle Unterſtützung erhalten zu können. Moriz, dem dieſer Fehler nicht entging, beſchloß, ihn zu benutzen, und das feindliche Heer zu überfallen. Der erſte An— griff ſollte Mühlheim treffen. Am 8. October gegen Abend ſetzten ſich die dazu beſtimmten Regimenter und Schwadronen in Marſch. Graf Heinrich Friedrich und Marcellin Bax bildeten jeder mit 8 Cornetten die Avantgarde, ihnen folgte Moriz mit der geſammten übrigen Reiterey und mit 2400 Mann Fußvolk, wel— che auf Wagen fortgeſchafft wurden. Nach der entwor— fenen Dispoſition ſollte Bax mit ſeinen Schwadronen durch die Röhr ſetzen, den Flecken Mühlheim umgehen, um dem Feinde den Rückzug abzuſchneiden, und fi. zugleich des beſetzten Schloſſes Broich bemächtigen, u. 32 seen 132 N während Graf Heinrich Friedrich den Flecken überfal⸗ len, und mit feinen Reitern hineinbrechen würde. Ein günſtiger Erfolg ſchien nicht zweifelhaft, aber alles hing von der Schnelligkeit und Überraſchung ab. Un glücklicher Weiſe ſäumte die Reiterey vor Mühlheim, um erſt das nachfolgende Fußvolk abzuwarten. Dieſer Feh— ler verdarb alles; die in dem Flecken liegenden feindli— chen Schwadrenen erhielten dadurch Zeit, ſich auf das benachbarte Bruch heraus zu ziehen, wo ſie ſich mit ei⸗ nigen andern in der Nachbarſchaft gelegenen Reiterhau— fen vereinigten. Als endlich Graf Heinrich Friedrich in Mühlheim eindrang, fand er den Ort leer, und der unerwartete Anblick der zum Kampfe aufgeſtellten ſpa— niſchen Reiterey verbreitete einen ſolchen Schrecken über ſeine Reiter, daß ſie nach einem kurzen Gefecht um⸗ wandten, und, ohne verfolgt zu werden, ſo übereilt da— von flohen, daß Moriz ſelbſt, der mit dem Fußvolk in der Entfernung folgte, ſie kaum aufhalten, und wieder zum Stehen bringen konnte. Nur eine kleine Anzahl Braver hielt bey dem Grafen Heinrich Friedrich Stand, und mit dieſen eilte der Graf dem Oberſten Bax zu Hülfe, welcher mit der feindlichen Reiterey, die ſich nach und nach bis auf 1000 Pferde verſtärkt hatte, in ein Gefecht gerathen war. Bax ſtand eben im Begriff, ſich vor der Übermacht zurück zu ziehen, als der Graf zu ſeiner Unterſtützung anlangte. Der Kampf fing jetzt mit erneuerter Heftigkeit an, und der ſpaniſche Ritt⸗ meiſter Auria ward von den Niederländern gefangen genommen; aber die Ankunft einer neuen feindlichen Verſtärkung, welche Don Luis de Velasco herbeyführ— te, ſchlug den Muth der erſtern plötzlich wieder zu Bo⸗ U een 133 e den, und ſie flohen abermahls mit verhängtem Zügel davon, obue ſich durch die Vorſtellungen des Prinzen, welcher auf der andern Seite der Röhr ſtand, aufhal— ten zu laffen. Heinrich Friedrich und die wenigen, wel: che den Kampf fortſetzten, geriethen durch die feige Flucht der Entwichenen in die äußerſte Gefahr. Schon hatte ein ſpaniſcher Hauptmann die Feldbinde des Grafen gefaßt, um ihn vom Pferde zu reiſſen, als je⸗ ner von dem entſchloſſenen Bax durch einen Zu ſchuß zu Boden geſtreckt ward. Prinz Moriz gab jetzt alle Hoffnung auf, dem Feinde etwas abzugewinnen, weil der erſte Stoß, auf welchen alles ankam, mißlungen war. Er ſandte daher ein Paar Regimenter Fußvolk mit drey Feldſtücken über die Röhr, um die auf dem jenſeitigen Ufer befinde lichen Truppen zu retten und aufzunehmen. Horatio Veere und der franzöſiſche Oberſt Dommarville waren die erſten über den Fluß. Das nieberländifche Fußvolk ging in dichtgeſchloſſenen Reihen und mit gefällten Speeren auf die feindliche Reiterey los, und warfufie nach einem blutigen Kampfe bis gegen Broich zurück. Spinola, der indeß auch angelangt war, ließ, da er die für ſeine Truppen nachtheilige Wendung des Ge— fechts wahrnahm, an mehreren Orten die Trommel ſchlagen, als ob ſein ganzes Heer im Anzuge wäre. Dieſe Kriegsliſt wirkte. Seine Truppen faßten Muth und die aufs neue vorgerückte niederländiſche Reiterey wich abermahls zurück. Moriz machte endlich dem un— nützen Kampfe ein Ende, und zog ſich über die Röhe in ſeine vorige Stellung. Die Niederländer verloren Boo, und die Spanier 200 Mann in dieſem fonder- 2 . 194 esse baren Treffen. Unter den niederlͤndiſchen Todren be- fand ſich der Oberſt Dommartin, und unter den ipa= niſchen der Oberſt Trivulzio. Beyde wurden erſchoſſen. Der niederländiſche Feldherr verwies feiner Reiterey ihr feiges Betragen in dem Treffen, wodurch ſie ihn um die Frucht eines gewiſſen Siegs gebracht hatte, mit ſehr ernſten und harten Worten, und Spinola verbeſ— ſerte den begangenen Fehler, welcher ihn der Gefahr einer Niederlage ausgeſetzt hatte, und zog feine Trup⸗ pen enger zuſammen. Moriz wollte ſich für den bey Mühlheim erlitte— nen Verluſt durch einen Überfall auf die Stadt Geldern entfhadigen, welche nur vier Meilen von feinem Lager entfernt war: In der Nacht vom 24. auf den 25. Oc tober geſchah der Angriff, wobey der Prinz in eigener Perſon zugegen war. Aber die zur Sprengung der Thore angehefteten Petarden thaten keine Wirkung, und ein heftiges Feuer von den Wällen zwang die Nie⸗ derländer zum Rückzug. Philipp von Mornai, ein hoff⸗ nungsvoller Jüngling, der Sohn des berühmten fran— zoͤſiſchen Staatsmanns Düpleſſis-Mornai, ward bey dieſer fruchtloſen Unternehmung erſchoſſen, als er eben die Sturmleiter beſteigen wollte. Wenige Tage nach derſelben bemächtigte ſich Boucquoi, (28. Oct.) nach einer zwanzigtägigen Belagerung des Schloſſes Wach— tendenf, worauf er nach dem Moeursſiſchen ging, und das Schloß Krakau, unter deſſen Beſatzung Uneinig— keit herrſchte, den Niederländern (8. November) ents riß. Mit dieſen Eroberungen endigte Spinola den Feldzug, worin er Antwerpen geſchützt, Oldenſeel, Lingen und Wachtendonk erobert, einem feindlichen — rin 1 35 e Angriff bey Mühlheim glücklich BEN den Schauplatz des Kriegs wieder auf Feindesgebieth ver: ſetzt, und den berühmteſten Feldherrn ſeiner Zeit ver— hindert harte, ihm irgend etwas abzugewinnen. Der häufige Regen bewog ihn, feine Truppen in die Wins terquartiere zu verlegen, und fein Gegner folgte ſeinem Beyſpiel. Die niederländiſche Reiterey ſtieß bey dieſer Gelegenheit auf eine Fahne von Grobbendonks Rei⸗ tern, welche (15. December) angegriffen, und größten Theils aufgerieben ward. Spinola begab ih nach Brüſſel, wo ihn der Erzherzog mit großen Lobſprü— chen empfing. In Flandern war ſeit dem Abzug der beyderſeiti— gen Hauptcorps nach dem Rhein nichts von Bedeu— tung vorgefallen. Dagegen verſuchten Grobbendonk, der Befehlshaber von Herzogenbuſch, (1605. Augnſt) einen Überfall auf Grave, und der Parteygänger DU Terrail, ein geächteter Franzoſe, eine gleiche Uuter— nehmung auf Bergenopzoom. Beyde miflangen, und die Feinde mußten ſich mit Verluſt zurückziehen. In der Nacht vom 21. aaf den 22. November machte Dü Terrail einen zweyten Verſuch, Bergenov: zoom zu überrumpeln. Von dem tiefen nächtlichen Dunkel und einem ungeſtümen Schlackerwettee be— günſtigt, greift er plötzlich die Stadt auf fünf verſchie— denen Puncten zugleich an. Aber der Befehlshaber der Feſte, Paul Bax, war von feinem Vorhaben untererich— tet, und Beſatzung und Bürger ſtanden auf den Wäl— len zur Vertheidigung bereit. Angezündete Heubunde und brennende Wachsfackeln am Steenbergſchen Thore verriethen in der Stadt jede Bewegung des angrei— fenden Feindes. Dennoch ſetzten die Stürmenden mits ten unter einem Kugel- und Granatenregen von den Wällen ihre Anſtrengungen fort. Es gelingt ihnen, durch Petarden zwey Thore und eine Zugbrücke zu ſprengen, und ſchon rauſchen ihre Trommeln innerhalb des Walles. Nur noch eine Palliſadirung und das letz⸗ te Thor, welches die Beſatzung mit Balken und Wa⸗ gen verrammelt hat, trennen ſie jetzt von der Stadt. Aber dieſe letzten Riegel zu öffnen, waren alle ihre. Anſtrengungen vergebens. Ihre Petardiere lagen todt zu Boden geſtreckt, und ſie konnten daher keinen Ge— brauch mehr von ihren Petarden machen. Ein dichter Ha- gel von Musketenkugeln ſchlug von den Wollen auf fie herab, und während ſie einander Muth einſprachen, rie— fen ihnen die Niederländer ſpottend zu: Nur heran, ihr Schurken, wir haben fär euch zugekocht! Hier gilt es eure Haut, denn die liebe Frau von Scherpenheu⸗ vel hört eure Gebethe nicht, und wird euch nicht ret= ten! Die ganze Stadt war in Bewegung. Bürger und Soldaten, Proteſtanten und Katholiken, alle leg— ten Hand zur Vertheidigung an. Selbſt die Weiber trugen Pechkraͤnze, Steine und Kugeln auf den Wall. Die furchtſamſten lagen in den Straßen auf den Knieen und riefen Gott um Beyſtand an. Endlich gab Dü Terrail ſein Vorhaben auf, und zog ſich beym Anbruch des Tags mit einem Verluſt von 100 Todten zurück. In der Stadt waren nur vier Mann gefallen. Ehe wir die Geſchichte des dießjährigen Feldzugs beſchließen, müſſen wir noch ein paar Begebenheiten mittheilen, welche ſich im Laufe desſelben auf der Nord— ſee ereigneten. Die ſpaniſche Regierung hatte dem num 197 wre Marcheſe Spinola, bey feiner Anweſenheit in Madrid, verſprochen, ein Regiment Spanier zur Verſtärkung der erzherzoglichen Armee nach den Niederlanden zu ſenden. Die Truppenverſendungen aus Spanien nach den niederländiſchen Provinzen waren bisher mit gro⸗ ßem Koften = und Zeitverluſt zu Lande über Italien ges ſchehen. Auf Spinola's Rath ward jetzt der erſte Ver— ſuch gemacht, die Truppen zur See gerade nach Flan— dern zu ſenden, weil man ſeit dem londoner Frieden die engliſche Marine nicht mehr zu fürchten hatte. Der Oberſt Don Pedro de Sarmiento mußte ſich daher mit 1200 alten ſpaniſchen Soldaten, welche ehemahls in Irland gedient hatten, am Bort einer Transportflotte begeben, und der Admiral Don Pedro de Cubiera er— hielt Befehl, ſie nach Flandern zu führen. Als die Generalſtaaten ven dieſer Verfügung Nachricht bekamen, ertheilten fir dem Admirallieute- nant von Seeland Wilhelm de Zete-Hautain Befehl, mit einer Escadre nach dem Cancl zu ſegeln, die feind— lichen Schiffe aufzufangen, und, um die Spanier von künftigen Truppenverſendungen zur See abzuſchrecken, die Gefangenen ohne Gnade in das Meer werfen zu laſſen. Der Admiral ſtach in See. Er hatte ſtrengen Befehl, keine befreundete ode neutrale Flagge zu belei— digen. Auf der Höhe von Dover tagte die feindliche Transportflotte vor ihm auf. Da fie größten Theils aus deutſchen Fahrzeugen betand, ſo hielten die Nie— länder ſie anfangs für eine däniſche oder hanſeatiſche Kauffahrteyflotte, bis der blick der ſpaniſchen Sol— daten am Vort der Schiffe ſie (1605, 12. Jun.) aus ihrem Irrthume riß. Jetzt eifolgte der Angriff, und nach — 138 — A, einem kurzen Gefecht war die Hälfte der feindlichen Schiffe erobert, verbrannt oder verſenkt. Zwey hun— dert Gefangene wurden paarweiſe Rücken an Rücken gedunden, und in das Meer geworfen; doch retteten ſich viele an die engliſche Küſte. Vier feindliche Fahr— zeuge flohen nach Dover. Die Seelaänder festen ihnen nach, da rſie ſich aber dem Lande zu ſebr näherten, gab das Caſtell zu Dover Feuer auf ſie. Überhaupt wurden die Spanier bey dieſem Vorfall ſo ſehr von den Eng— ländern begünſtigt, daß die Niederländer bittere Kla⸗ gen über ihre ehemahligen Bundesgenoſſen führten, denen ſie ihres blühenden Handels wegen ein Gegen— ſtand des Neides geworden waren. Die Spanier hat⸗ ten in dem Gefecht faſt die Hälfte ihrer Mannſchaft verloren. Der Überteſt, welcher ſich auf die engliſche Küſte flüchtete, blieb dort bis zum Wintermonath, und wohnte unter Baraken. Aber viele wurden ein Opfer der empfangeren Wunden oder des rauhen Him— mels. Selbſt der Adnital Cubiera ſtarb. Nur wenige dieſer braven und unglücklichen Kriegsleute wurden in der Folge heimlich nach Flandern übergeſetzt. Das Treffen bey Dover war nicht der einzige Vor⸗ theil, welchen die niederündiſche Marine in dieſem Jah— re in der Nordſee erfodt. Im November hatte der holländiſche Admiral Gerbrantſon ein glückliches Ge— fecht mit drey dünkircher Schiffen unter dem Admiral Ti: rikſon. Das dünkircher Wmiralſchiff ward genommen, die beyden andern entflohn. Sechzig Gefangene wur- den nach der alten grauſanen Gewohnheit aufgehängt, die übrigen ließ man entrinnen; denn die barbariſche Strenge, welche unausgefeßt gegen die Duͤnkircher ausgeübt ward, erregte eidlich das Mitleid des Volks. eh 159 1 Im Januar des folgenden Jahrs (1606) reiſete Spinola abermahls nach Madrid, um dem ſpaniſchen Staatsrat den Operationsplan für den nächſten Feld⸗ zug in den Niederlanden vorzulegen, und die nothigen Fends dazu auszuwirken. Der König empfing ihn mit Außerungen des vorzüglichſten Wohlwollens, indeß der Neid und die Eiferſucht der Großen ihn insge— heim verfolgten. Philipp der Dritte war freygebiger in Bewilligung von Geld und Truppen zur Fortſe⸗ tzung des niederläͤndiſchen Kriegs, als ſein Vater; aber die Erfüllung ſeiner Verſprechungen fand deſto großes re Schwierigkeiten. Des Herzogs von Lerma ſchlechte Staatswirthſchaft hatte die öffentlichen Caſſen ausge: leert, und die Hülfsquellen waren ſo erſchöpft, daß es dem Herrn der reichſten Länder in der Welt oft an den nöthigen Mitteln zur Beſtreitung der dringendſten Aus⸗ ö gaben fehlte. Dabey war der Credit der Krone derge— ſtalt geſunken, daß die Kaufmannſchaft ſich weigerte, auf die noch nicht angelangte weſtindiſche Flotte Geld vorzuſchleßen. Das länge Ausbleiben dieſer Flotte hat⸗ te einen ſolchen Mangel an barem Gelde, beſonders an Realen in Spanien veranlaßt, daß die Regierung ſich genöthigt ſab, Kupfermünzen prägen zu laſſen, und in Umlauf zu bringen. Wollte Spins ſeinem Plane, in dem nächſten Feldzuge abermabls zwey Hee⸗ re aufzuſtellen, und die Niederländer mit dem größten Nachdruck zu bekriegen, nicht entſagen, ſo mußte er die nöthigen Summen dazu durch ſeinen und ſeiner Freunde Credit aufbringen, und für die von der Re⸗ gierung gemachten Anleihen, durch Verpfändung ſeiner italiöniſchen Güter, Bürgſchaft leiſten. Nach ſeiner „ 140 um Rückkehr in der Hauptſtadt der katholiſchen Nieberlan— de wurden die Rüſtungen zum nächſten Feldzuge mit Eifer betrieben, aber die in Deutſchland, England und Italien angeſtellten Werbungen hatten wegen der Un⸗ ruhen / welche damahls in dieſen Ländern Statt fans den, einen ſchlechten und langſamen Fortgang, ſo daß erſt ſpät im Jahre die erzherzoglichen Heere ins Feld ziehen konnten. Während Spinola ſich zur Führung eines Anz griffskrieges vorbereitete, batten die Generalſtaaten aus Verdruß über den nachtheiligen Erfolg des vori- gen Feldzuges, deſſen Reſultate der zahlreichen Macht, die ſie auf den Beinen hatten, keineswegs entſprachen, und aus einer vielleicht febr unzeitigen Sparſamkeit beſchloſſen, im gegenwärtigen Jahre weniger Truppen zu unterhalten, und ſich nur auf die Vertheidigung ih⸗ rer Grenzen einzuſchränken. Ehe der Feldzug eröffnet ward, verſuchte der kühne Parteygänger Dü Terrail, der ſchon im vergangenen Jahre ſeinen Nahmen durch den wiederhohlten Angriff auf Bergenopzoom bekannt gemacht hatte, ein paar ähnliche Unternehmungen. Die erſte war ein Überfall der Stadt Brevoort, den er an der Spitze von 1200 Mann am Faſtnachts⸗ abend (1605, 14. März), da eben Soldaten und Bür— ger nach alter niederländiſcher Sitte bey fröhlichen Ge— lagen verſammelt waren, und keine Gefahr ahndeten, glücklich ausführte. Während die eingedrungenen Sie- ger ſich jede Art von Ausſchweifung erlaubten, und beſonders das weibliche Geſchlecht auf das ärgſte miß⸗ handelten, rettete ſich der größte Theil der Beſatzung aufs Schloß, in welches ſich auch ein Detaſchement — l ann dbveryſſelſcher Truppen warf. Nach wenigen Tagen er: ſchien Graf Heinrich Friedrich mit einem kleinen Corps vor der Stadt, griff ſie an, und zwang ſie nach einer kur⸗ zen Beſchießung (22. März) zur Übergabe. Dü Ter⸗ rail und feine Leute erhielten, gegen Zurückgabe der Gefangenen und der gemachten Beute, freyen Abzug, womit die meiſten Niederländer unzufrieden waren, weil fie für die von den Feinden in der Stadt began⸗ genen Gewaltthätigkeiten gern Rache geübt hätten. Die Spanier beſchuldigten Velasco, der zu Röhrort lag, daß er Schuld an dem Verluſt von Breevoort ſey, weil er ſie nicht unterſtützt habe. Velasco ward bald darauf mit einem Corps an die franzöſiſche Grenze geſchickt, um die südlichen Niederlande zu decken, weil der da— mabls entſtandene heftige Zwiſt zwiſchen dem König von Frankreich und einem ſeiner Vaſallen, dem Her⸗ zog von Bouillen, den Ausbruch eines Kriegs zwiſchen beyden fürchten ließ. Doch dieſes Beſorgniß ging nicht in Erfüllung; denn die Streitigkeiten des Herzogs mit dem Könige wurden friedlich ausgeglichen. V Du Terrails an Planen unerſchöpflicher Geiſt hat— te indeß die Idee zu einer neuen Unternehmung auf⸗ gefaßt und entwickelt. Zwey ſpaniſche⸗ Überläufer von der niederländiſchen Beſatzung in Sluis hatten ihm er⸗ zählt, daß auf der Oſtſeite dieſer Stadt, wo die Wacht⸗ häuſer abgebrannt wären, gar keine Wache gehalten werde, und daß der Befehlshaber überhaupt in der größten Sicherheit lebe, weil es ihm gar nicht einfal— le, daß jemand auf den Gedanken fallen könne, eine mit ſo vielen Außenwerken verſehene Stadt zu über⸗ fallen. Eine genauere Unterſuchung beftätigte biefe or 142 wre Nachrichten, und Du Terrail gründete arent den An⸗ ſchlag, einen nächtlichen Angriff auf Sluis zu wagen. Spinola billigte diefe Idee, und ertheilte dem Grafen Friedrich von Berg, welcher in Flandern ſtand, Befehl, den Parteygänger mit den Mitteln zur. Ausführung derſelben zu verſehen. In der Nacht vom 12. auf den 15. des Brad: monaths erſcheint Dü Terrail mit ſeinen Truppen vor der Stadt, und die Anſtalten zum Angriff werden ge— troffen. Ein paar ausgeſandte Detaſchements ſollen durch Scheinangriffe auf der Süd- und Weſtſeite die Beſatzung täuſchen, damit der Hauptangriff gegen das Oſtthor deſto weniger Schwierigkeiten finde. Die Uhr auf dem großen Skadtthurm ſoll den Detaſche— ments auf der Süd- und Weſtſeite das Signal zum Angriff geben. Alle Hinderniſſe der Localitar wurden beſiegt, und Sluis wäre verloren geweſen, hätten ſich nicht mehrere, höchſt ſonderbare Umftande zu ſeiner Rettung vereinigt. Einer davon war, daß die Uhr auf dem Stadtthurm dieſe ganze Nacht nicht ſchlug. Die Detaſchements an der Süd- und Weſtſeite erwarteten daher vergebens das verabredete Signal, und da die: 5e nichts von ſich hören ließen, geriethen auch die Trup— pen vor dem Oſtthore in Beſorgniß. Indeſſen waren 25 franzöſiſche, und einige irländiſche Petardier über den Graben geſchwommen, und hatten in einem Au— genblick ihre Petarden angeheftet, welche ſo glücklich wirkten, daß ein Thor geſprengt, und zwey Aufzieh⸗ brücken herabgeworfen wurden. Sogleich drangen die bereitſtehenden Truppen über die Brücke an das Thor. Aber hier zögerten ſie, weil ſie kein Feuergewehr, ſon— U wu 143 Sn dern nur Pieken hatten, und ihre Kameraden auf der Weſtſeite noch immer ruhig blieben. Auch in der Stadt herrſchte eine tiefe Todtenſtille; kein Menſch erſchien zur Vertheidigung, und denen am Thore ſchien dieß fo außerordentlich, daß ſie anſingen, irgend eine Kriegsliſt zu befürchten. Die Petarde hatte eine Offnung in das Thor geſchlagen, durch welche zwey Mann neben einander kriechen konnien, und von bier war es leicht, den Wall zu erſteigen, aber die Petardier riefen ver— gebens den Soldaten ju, muthig vorzudringen; ſie fuhren fort, zu zoͤgern, und verloren unter eitein Be denklichkeiten eine koſtbate Zeit. g 2 21 Keine Gefahr ahndend lag in der Städe vom Be⸗ fehlshaber an, noch alles in tiefem ſicherem Schlafe be⸗ graben, als der Feind ſchen am Fuße des Walles ſtand. Erſt der Knall der Petarden ſchreckte einige Soldaten von der Beſatzung aus der Ruhe auf. Sie eilten nach dem Walle, ſahen die Gefahr, und erfüllten die ganze Stadt mit dem Geſchrey: der Feind iſt da, auf zu den Waffen! Jetzt kommt alles in Bewegung. Der Befehlshaber ſelbſt eilt halb angekleidet herbey, und der Wall füllt ſich mit Bewafneten an, welche ſogleich ihre Feuerröhre auf die zögeinden Feinde abſchießen. Dieſe tödtliche Begrüßung vermehrte die Veſtürzung unter den Zögernden. Sie fingen an, in Unordnung zurück zu weichen, und der Befehlshaber van der Noot, welcher dieß bemerkte, ließ das Geſchütz auf die Brü— cke richten, welches unter der dichtgedrängten Maſſe der Zurückweichenden große Verheerungen anrichtete. über 500 wurden von den Kugeln zerſchmettert, oder ertranken im Waſſer und Moraſt. Der Überreſt eilte se mn 144 in Schneller Flucht, und von den Beſatzungen der bee nachbarten Schanzen verfolgt, davon. Unter den Ges fangenen befand ſch auch ein Jeſuit, der es ſich aus: gebethen batte, die erſte Meſſe in der Stadt zu leſen, wenn ſie erobert wäre. Dü Terrail legte das Mißlin⸗ gen des uͤberfalls der Unentſchloſenheit und Zaghaf⸗ tigkeit der Officiere zur Laſt. Auf ſeine Anklage zog der Kriegsrath zu Brüſſel verſhiedene derſelben zur Verantwortung, und ließ die walloniſchen Hauptleute Krukenburg und Raſoir enthaupten. Die Wallonen wurden darüber äußerſt aufgebracht, und führten bit— tere Klagen, daß man an ihren Landsleuten allein ein Vergehen beſtrafe, deſſen ſich doch die Spanier und Italiäner nicht minder ſchuldig gemacht hatten. Der den Belgiern äußerſt verhaßte Dü Terrail verließ bald darauf die Dienſte des Erzherzogs, und ging nach Frankreich, wohin ihm der König zurück zu kehren er⸗ laubt hatte. Aber ſein unruhiger Kopf verwickelte ihn bald in neue Abenteuer. Er begab ſich zum Herzog von Savopen, und ließ ich in einen Anſchlag ein, die Stadt Genf durch Verrätherey in die Gewalt des Her: zogs zu bringen. Zum Uiglück für ihn wurden feine Arts ſchläge den Genfern bekamt; ſie bemächtigten ſich feiner, und er verlor ſeinen KRosf zu Genf auf dem Blutgerüſt. Die niederlaͤndiſche Reiterey hatte während der ebenerwähnten Unternehmungen der ſpaniſch-erzher— zoglichen Truppen wider Breevoort und Sluis einige glückliche Handſtreiche ausgeführt. Sie ſchlug ein Des taſchement oſtfrieſiſcher Reiter unter dem Grafen Jo⸗ hann von Rittberg, brandſchatzte die Gegend um Me— cheln, und nahm zwep mit Geld für den Marcheſe ER Spi⸗ 0 Spinola beladene Mauleſel. Da durch die Streife⸗ reyen der Beſatzungen der beyden Schlöſſer Wouw und Hochſtraaten die Agricultur in den umliegenden Gegenden außerordentlich litt, ohne daß einer oder der andere Theil irgend einen Vortheil davon gehabt hätte, ſo wurden die Werke derſelben durch ein ge- genſeitiges Übereinkommen zwiſchen den Erzherzogen und den Generalſtaaten geſchleift; die erſte Maßre⸗ gel der Menſchlichkeit zur Verminderung der Verhee⸗ rungen des Kriegs, deren in der Geſchichte dieſer gro⸗ ßen Fehde Erwähnung geſchieht. 5 Schon am letzten May (1606) war Spinola, wie oben bereits erwähnt ward, von feiner fpanifchen Reife wieder zu Brüſſel angelangt. Er brachte Geld und ſehr ausgedehnte Vollmachten des Königs mit. Alle niederländiſchen Angelegenheiten waren feiner Reis tung übergeben, und ſein Wirkungskreis war fo auss gebreites, daß er die Unzufriedenheit der Großen am Hofe zu Brüſſel und ſelbſt die Eiferſucht des Erzher— zogs erregte. Er verſtärkte die Kriegsmacht durch ein paar neugeworbene ſpaniſche und italiäniſche Regi⸗ menter und einige tauſend entlaſſene braunſchweigſche und oſtfrieſiſche Soldaten, die er in Sold nahm, bis auf 24000 Mann, traf verſchiedene nützliche Einrich— tungen zur Verminderung des ungeheuern Troſſes bey der Armee, um ſie leichter und beweglicher zu mas chen, und befahl, zur Schonung der mit jedem neuen Kriegsjahre ſeltner werdenden Lebensmittel, batz alle Soldatenfrauen in den Beſagzungsplätzen bleiben, und nur zwey bey jeder Fahne als Wäſcherinnen mit ins Feld gehen ſollten. Der Operationsplan, welchen Schillers Niederl. 8. Bo 7 . 8 1 — 146 — er für den gegenwärtigen Feldzug entworfen hatte, war folgender. Mit 11000 Mann zu Fuß, 2000 zu Roß und 8 Feuerſchlünden wollte er entweder nach Friesland, oder über die Yſſel rechts durch die Velau— zach Utrecht vordringen, während der Graf von Bouc⸗ quoi mit 10000 Mann zu Fuß, 1200 Reitern und 12 Feuerſchlünden links durch die Betau ziehen ſollte. Beyde Corps ſollten an den Grenzen der Provinz Holland zuſammen treffen, gemeinſchaftlich in das Herz derſelben einzubrechen ſuchen, und indem ſie hier Eroberungen machen würden, zugleich den Grenz⸗ und Hauptfeſtungen die Zufuhr und Gemeinſchaft mit dem Innern des Landes abſchneiden. Dieſem Plan zu Folge zog ſich die ſpaniſch-erzherzogliche Kriegsmacht am Rhein zuſammen; und am ıo. des Heumonaths. brach Spinola von den Ufern dieſes Stromes auf, und ging am 12. bey Dorſte über die Lippe. Aber alle Elemente ſchienen zur Vereitlung ſeiner Plane mit⸗ einander verſchworen. Ein heftiger und anhaltender Regen bielt feinen Marſch auf. Der Paß durch die Bourtange nach Friesland war wegen des aufgeweich— ten Bodens ungangbar, und der auf Koeverden ſtand unter Waſſer. Überdieß machten die angeſchwollenen Ströme und vorzüglich der hohe Wafferſtand der Yſel, welche nirgends durchwatet werden konnte, den Über: gang in die Velau unthunlich. So ſah ſich der Feld— herr auf dem moraſtigen Boden der Landſchaft Twente feſtgehalten, wo ſeine Soldaten, von dem unauf— hörlichen Regen durchnäßt, nicht einmahl Feurung fanden, um ſich zu trocknen und zu erwärmen, weil das einzige Brennmaterjal in dieſen holzarmen Ge nn 147 on genden von der Näſſe durchdrungen, nur Rauch und weder Gluth noch Wärme gab. i nag Das Ungemach und die Widerwärtigkeiten, mit welchen Spinola zu kämpfen hatte, verſchafften dem Prinzen Moriz Zeit den Entwürfen feines Gegners entgegen zu wirken. Die Organiſirung der niederfäns diſchen Truppen war ſehr langſam betrieben worden, Erſt am 4. des Heumonaths konnte der Prinz die ver⸗ ſchiedenen Corps bey Arnhem zuſammenziehen, von wo er am 15. mit 10000 Mann zu Fuß und 2500 Reitern, über Doesburg an der Yſſel nach Deventer vorrückte. Er verſah ſogleich dieſe beyden Plätze nebſt Zütphen mit ſtärkeren Beſatzungen, und ſetzte ſie in den beſten Vertheidigungsſtand. Darauf detaſchirte er den Oberſten Dü Bois mit 68 Fahnen zu Fuß und zu Roß, die feſten Plätze zwiſchen Gorcum und der Schenkenſchanze wider die. Unternehmungen des Gra⸗ fen Boucquoi zu decken. Dieſer Feldherr hatte ſich mit 7000 Mann bey Mock an der Maas (16. Jul.) gelagert, und während er von bier aus Nimegen und Grave bedrohete, den Oberſten Giuſtiniani mit 4500 Mann, 2 Kanonen und 35 Brückenſchiffen, die auf Wagen gefahren wurden, an die Waal geſandt, um in die Betau einzubrechen. Durch zweckmaͤßige Maß⸗ regeln und ein glückliches Scharmützel verhinderte Dit Bois den Oberſten Giuſtiniani über die Waal zu ſe⸗ ben, worauf ſich der letztere nach Mock zurückzog. Prinz Moriz aber ließ die Ufer der Waal und der Dfel vom Bommelerwaard bis an die Schenken⸗ ſchanze, und von Arnhem bis Hattem herab durch eine, Kette von Verſchanzungen decken. f | K 2 2. &pinola, hatte fih am 18. bey Goor aufgeſtellt. Pon hier rückte er nach Borchele an der Yſſel, Lucas Cairo und Johann von Medicis aber blieben mit ei⸗ nem Corps bey Goor zurück, wo die Magazine für das- Heer angelegt wurden. Vell Ungeduld harrte der königliche Feldherr auf günſtigeres Wetter, und blickte überall nach einer Gelegenheit aus, dem Feinde Schaden zu thun. Er ließ durch Inigo de Borgia, Guevara und de Torre die Stadt Lochem in der Graf⸗ ſchaft Zütphen angreifen. Der Graf von Emden mit ſeinem deutſchen Regimente und fünf Feuerſchlünden bedeckte den Angriff. Die Stadt iſt von. weniger Ber deutung, aber ihr Beſitz dem, welcher in dieſen Ge; genden Krieg führt, von Nutzen. Sie ergab ſich, nachdem ‚fie nur einen Tag (25. Jul.) belagert ge⸗ weſen war, und die Beſatzung erhielt freyen Ab zug. Trotz dieſer Eroberung aber gab Spinola nach und nach die Hoffnung auf, durch die Velau und Betan in Utrecht und Holland einzudringen. Doch wollte er noch einen Verſuch zum Übergang über die Yſſel ma⸗ chen. Er rückte zu dem Ende gegen Zütphen vor, und ließ hier, um den Prinzen Moriz zu täuſchen, die Tiefe des Stroms unterſuchen, als wollte er in dieſer Gegend den Übergang verſuchen. Indeß eilte der Graf von Solre mit einem Corps an die Vechte. Seine Abſicht war, Zwol an der Niederyſſel wegzu⸗ nehmen. Aber der Befehlshaber dieſer Sradt, War- melo Droſſard von Salland, hatte zwey bewoffnete Fahrzeuge und drey Fahnen Fußvolk in der Vechte aufgeſtellt, welche den übergang des Grafen, (2. Aus: gufi) hinderten. So ſcheiterte auch dieſer Plan, und a 149 * Spinola zog ſich darauf von der Yſſel zurück, um Grol zu belagern; Boucquoi aber erhielt Befehl, zu glei⸗ cher Zeit Nimegen anzugreifen, um die Aufmerkſam⸗ keit der Niederländer nach der Waal zu ziehen. Den 3. Auguſt eröffnete Spinola die Belage⸗ rung Grols. Am ſiebenten T Tage derſelben griffen die Belagerer die in Geſtalt eines Halbmondes angeleg⸗ ten Außenwerke an, und bemächtigten ſich ihrer nach einem hartnäckigen und blutigen Kampfe, der ſie über 500 Todte und Verwundete koſtete, worunter ſich die beyden Brüder Johann und Chriſtoph Grafen von Rittberg befanden. Nach der Eroberung der Außen— werke ward der Angriff gegen die Hauptwerke ge— führt, und als die Belagernden den Graben ausge— füllt hatten und bis an die Courtine vorgedrungen waren, ließ Spinola ſein Heer in Schlachtordnung ausrücken und die Stadt zur Übergabe auffordern, mit der Bedrohung, wenn dieſe nach einer Stunde nicht erfolgt fey, die Stadt ſtürmen, und alles dar⸗ in niederhauen zu laſſen. Die Einwohner, durch dieſe Drohung geſchreckt, umringten mit Weib und Kind den Befehlshaber Vandorth, einen jungen und uner— fahrnen Mann, und bewogen ihn durch Bitten, Klar gen und Vorſtellungen, daß er in die Übergabe wil⸗ ligte, obgleich er das Verſorechen vom Prinzen hatte, daß in zwey Tagen, der Entſatz (15. Auguſt) erfolgen ſollre. Die 1500 Mann ſtarke Beſatzung erhielt freyen Abzug. Nach dem Inhalt der Capitulation war die Wiedereinführung des katholiſchen Cultus feſtgeſetzt, den Einwohnern dagegen die Erlaubniß, ſich. wegzube⸗ geben, bewilligt; doch ſie machten keinen Gebrauch von dieſer Begünſtigung und es ſchien, daß jede Mer gierung und jede Religion ihnen gleichgültig ſey. Der- ſelbe bürgerliche und veligiofe Indifferentismus äu⸗ ßerte ſich auch unter den Bewohnern anderer auf gleis che Bedingungen übergebenen Grenzplätze, und war ohne Zweifel eine Folge der häufigen Veränderungen des Gouvernements, denen ſie unterworfen waren. Spinola erwartete indeß vergebens eine günſtige Veränderung des Wetters; der Regen dauerte fort, und er gab endlich alle Hoffnung auf, den beſchloſſe⸗ nen Übergang über die Waal und Yſſel zur Aus füh- rung zu bringen. Jetzt faßte er den Entſchluß, die ſumpfigen Gegenden, wo ſeine Krieger ſo viel Unge— mach erduldet hatten, zu verlaſſen, und ſich nach den ‚höheren Rheingegenden zu wenden. Der Erzherzog hatte eine Belagerung Nimegens in Vorſchlag ges bracht, aber Spinola hielt für zweckmäßiger, Rhein⸗ bergen anzugreifen. Er ertheilte dem Grafen Bouc⸗ quoi in Geldern Befehl, ſich dahin zu ziehen, und. folgte ihm, nachdem er die Grafen Solre und Hein— rich von Berg bey Grol zurückgelaſſen hatte. Schon am 22. Auguſt berennte Boucquoi Rheinbergen, und kurz nach ihm langte auch Spinola an. Doch ehe die Stadt gänzlich eingeſchloſſen werden konnte, gelang es dem Grafen Heinrich Friedrich, die Beſatzung noch ‚mir 14 Fahnen zu verſtaͤrken, wodurch die Anzahl der Vertheidiger bis auf 3000 Mann zu Fuß und 200 Rei⸗ ter vermehrt ward. Verſchiedene franzöſiſche Freywil⸗ lige, zum Theil aus den vornehmſten Geſchlechtern, unter andern ein Prinz von Rohan, Soubiſe und der Marquis von Varennes, ſchloſſen ih mit in die Fe⸗ — 151 — Me ein, um die Belagerungskunſt practiſch zu erler⸗ nen. Der Oberſt Uittenhofen war Befehlshaber der Stadt, und der ſchottiſche Oberſt Edmund Comman⸗ dant des Forts auf dem Wert, einer Rheininſel, welche durch eine Schiffbrücke mit dem feſten Lande zus ſammen hing. Spinola umſchloß die Stadt auf der linken und Boucquoi auf der rechten Seite des Rheins. Pom, peo Giuſtiniani ſetzte ſich mit einem beſondern Corps auf der Straße nach Moeurs. Die Belagerten ſtör⸗ ten und unterbrachen durch häufige Ausfälle ihre Ar⸗ beiten. Bey einem der erſten gerieth Spinola ſelbſt in Gefahr, von den niederländiſchen Reitern gefangen zu werden; ein anderer auf das boucquoiſche Quartier koſtete (35. Sept.) dem Baron de Fleches, einem franzöſiſchen Freywilligen von der Beſatzung, die Freyheit, und bey einem dritten ward der ſpaniſche Oberſt de Torre erſchoſſen. Nach einem ſehr heftigen Kampfe bemächtigten ſich die Belagernden des Forts auf dem Wert, in deſſen Vertheidigung der tapfere Schotte Edmund fiel, der ſich durch Muth und Ver— dienſte aus einem geringen Stande vr Befehlshaber emporgeſchwungen hatte. Während die Belagerung hierauf nat der ge⸗ wöhnlichen Weiſe, durch Feuer, Minen und Stür— me, fortgeführt ward, hatte Prinz Moriz ſeine Stel— lung bey Doesburg verlaſſen, und ſich zwiſchen Weſel und Bispik gelagert, wo er eine Brücke über den Rhein ſchlagen ließ. Er war von den Generalſtaaten mit unumſchränkter Vollmacht verſehen, für Rhein— bergen zu thun, was er für gut fände, und allenfalls r 152 Ee ſelb eine Schlacht zu liefern. Seine Anſtalten ließen auch vermuthen, daß er den Entſatz der Stadt mit Gewalt verſuchen werde; doch es war ihm damit kein Ernſt, denn er hielt es weder für zweckmäßig, dem Feinde eine Schlacht zu liefern, noch ſich in eine an— dere Belagerung einzulaſſen. Das letztere hätte ihn zu weit von der Vffel entfernt, und dem Feinde Gele⸗ genheit verſchafft, den jo lange vergebens beabſichtig⸗ ten Übergang auszuführen; und eine Schlacht war wegen der zahlreicheren Mannſchaft und vortheilhaften Stellung des Feindes, und wegen der äußerſt nachthei— ligen Folgen, wenn ſie unglücklich ausfiel, allen ſtra— tegiſchen Grundfügen zuwider Er beſchloß daher, uns bekümmert um das fade Räſonnement unberufener Kritiker, keinen unvorſichtigen Schritt zu thun, ſon⸗ dern nur ſolche Maßregeln zu treffen, daß ſein unter— nehmender Gegner wo möglich den Überreſt des Feld— zugs hindurch vor Rheinbergen feſtgehalten würde. Um ſeinen Soldaten eine Beſchäftigung zu geben, und ſie in Thätigkeit zu erhalten, bemächtigte er ſich eines Forts, welches die Spanier am Ausfluß der Lippe in den Rhein zu bauen angefangen hatten, und ließ es vollenden. Die Belagerung ven Nbrbergen ward indeß mit großer Thätigkeit und Anſtrengung fortgeſetzt. Die Belagerten vertheidigten ſich mit Muth und Ein— ſicht, wobey vorzüglich die Franzoſen ſich rühmlich auszeichneten. Dennoch konnten ſie den Verluſt ihrer zahlreichen Außenwerke nicht hindern, und da Spinola das Leben ſeiner Kriegsleute nicht ſchonte, ſo trieben die Belagerer ihre Arbeiten trotz aller Hinderniſſe bis an den Graben vor. Ohne Pulver, ohne Hoffnung entſetzt zu werden, und den Feind in dieſer Nähe, hielt es der tapfere Uitenhofen für keine Schande mehr, eine Capitulation anzubiethen, welche auf ehren— volle Bedingungen (2. October) abgeſchloſſen ward. Rheinbergen kam dadurch wieder in die Gewalt der Spanier, und die Beſatzung erhielt freyen Abzug. Sie hatte im Laufe der Belagerung gegen 500 Mann verloren. Der Verluſt der Belagerer war weit be— trächtlicher. Die beyden italiäniſchen Regimenter San— giorgio und Pompeo Giuſtiniani hatten zwey Drit- theile ihrer Mannſchaft eingebüßt. Die Nachricht von dem Verluſt einer ſo ſtar— ken Feſte, wie Rbeinbergen war, ward von den Ge— neralſtaaten mit großen Unwillen aufgenommen. Überhaupt waren ſie äußerſt unzufrieden mit dem Gange des dießjährigen Feldzugs, obgleich die Ver— anlaſſung dazu größten Theils in ihrer übertriebenen Sparſamkeit lag. Graf Heinrich Friedrich machte ei— nen fruchtloſen Verſuch, Venloo (2. October) zu über— willen, und keinen beſſern Erfolg hatten die Ent: würfe der Niederländer, ſich einiger Plage in See— flandern zu bemächtigen. Aber auch Spinola ſah ſich nach der Eroberung Rheinbergens in ſeinen Fort— ſchritten gehemmt. An derſelben Klippe, woran ſo oft die Unternehmungen ſeiner Vorgänger geſcheitert waren, gingen auch ſeine Eroberungsplane unter, und er mußte den letzteren entſagen, weil er jene nicht vermeiden oder entfernen konnte. Die aus Spa— nien mitgebrachten, und verſchiedene ſchon nachher wieder aufgeborgte Summen waren yerfchwunden? . 1 54 wre bie änifien Rimeſſen blieben aus, weil die weſtin— diſchen Flotten nicht ankamen; mehrere Bangquiers, welche ihm oder der ſpaniſchen Regierung ſtarke Vor— ſchüſſe gethan hatten, machten Bankerott, weil kei— ne Wiederbezahlung erfolgte. Dadurch verlor er al— len Credit und zugleich die Mittel, feinem Geldman- gel abzuhelfen. Die Soldaten empfingen ihren Sold nicht mehr, und die Folge davon war ein Aufſtand, ſpelcher nach der Eroberung Rheinbergens zum Aus: bruch kam. Viele von den Mißvergnügten nahmen Dienſte bey den Truppen des Prinzen Moriz, andere begaben ſich unter dieſes Feldherrn Schutz, und durch— ſtreiften in zahlreichen Banden unter der Anführung ſelbſtgewählter Eletto's das platte Land. Spinola bes ſtrafte anfangs die Schuldigen mit der Landesverwei⸗ fung, und ließ die Nahmen von 456 Rebellen, wor— unter drey Hauptleute und einige andere Officiere waren, zu Rheinbergen an den Galgen heften. Aber die große Menge der S Strafbaren machte bald keine Strafe mehr anwendbar, und Drohungen und Verſprechun— gen fruchteten nichts. Sechshundert Reiter zogen nach Hochſtraaten, aber ſie fanden hier keinen Schutz, denn die Fortification dieſes Platzes war geſchleift. Sie wondten ſich daher, auf die Nachricht daß Spi⸗ nola ſie angreifen wolle, an Juſtin von Naſſau, den Befehlshaber von Breda, und bathen ihn um Bey— ſtand; aber die ganze Unterſtützung, welche man ih— nen zukommen ließ, beſchraͤnkte ſic auf einen kleinen Vorrath von Proviant. Spinola ſah mit dem tiefſten Kummer ſich aller Früchte des Feldzugs durch dieſes unglückliche Ereig⸗ — 155 — niß beraubt. Um der weiteren Verbreitung des Übel Einhalt zu thun, verlegte er feine treueſten Negimen: ter in die nächſten Plätze, und die übrigen, nach dem Beyſpiele Mendoza's, in das Erzſtift Cöln. In dems ſelben Verhöltniſſe wie die Streitkräfte des ſpaniſchen Heers durch dieſe Empörung vermindert wurden, wuchs die Stärke der niederländiſchen Kriegsmacht, fo daß Prinz Moriz jetzt über 15000 Mann zu Fuß und 3000 Reiter gebiethen konnte, was während dem gan— zen Feldzuge der Fall noch nicht geweſen war. Dieſe den Angelegenheiten der Republik ſo günſtigen Um— ſtände machten den Generalſtaaten Hoffnung zur Wie— dereroberung der im Laufe desſelben verlornen feſten Platze. Sie ertheilten dem Prinzen Moriz Befehl da— zu, und verſahen ihn zugleich mit unumſchränkter Vollmacht, alles zu thun, was er zur Ausführung dieſes Auftrags für zweckmäßig halten würde. Der Prinz ſandte hierauf den Grafen Ernſt von Naſſau (24. October) mit einem Corps nach Lochem, weis ches von 500 Mann unter Diaz vertheidigt ward, und ſich nach einer fünftägigen Belagerung ergab. Er ſelbſt rückte am 1. November vor Grol, aber die Arbeiten vor dieſer Feſte wurden nicht mit der dem Prinzen ſonſt eigenen Energie betrieben, vielleicht weil ihn der Aufruhr im feindlichen Kriegsheer kein Hinderniß von Seiten ſeines Gegners beſorgen ließ. Eine ſehr unangenehme Erfahrung belehrte ihn, daß er ſich in ſeinen Vorausſezungen geirrt habe. Ein ans haltender Regen verzögerte die Arbeiten der Belagerer und erzeugt Krankheiten unter ihnen, und endlich eve ſcheint ganz unerwartet der Marcheſe Spinola an der „ 156 — Spitze von 7000 Mann zu Fuß und 1200 Reitern zum Entſatz der Stadt. Dieſer thätige und unterneh⸗ mende Feldherr hatte die Nachricht von dem Verluſt Lochems mit Gleichgültigkeit aufgenommen; aber als er die Gefahr vernahm, von welcher Grol bedrohet ward, beſchloß er, dieſe Stadt zu retten, was es auch koſten möge. Es gelingt ihm durch Verſprechun— gen, Bitten und Vorſtellungen, einen Theil der ems pörten Soldaten zu bewegen, ihm auch ohne Bezah⸗ lung dieſen kleinen Ritterdienſt zu leiſten. Mit ihnen vereinigt er die treu gebliebenen Regimenter. Das nöthige Geſchütz wird herbeygeſchafft, und nach we⸗ nigen Tagen ſieht man ihn ſchon im vollen Marſch nach Grol. Auf einem weiten Umwege nähert er ſich dem Lager der Niederländer auf der ſchwächſten Seite desſelben, da wo es nur durch einen Moraſt geſchützt war, den man bis jetzt für ungangbar gehalten hatte. Drey Kanonenſchüſſe unterrichten die Belagerten von ſeiner Ankunft, und das frohe, mit Ungeduld erwar— tete Signal begeiſtert ihren Muth. Prinz Moriz fand nicht für gut, eine Swlacht zu wagen, obgleich ſein Heer ſtärker an Mannſchaft war, als das feindliche, und die bey demſelben ftehens den Franzoſen eifrig darauf drangen. Er hob, um nicht zwiſchen zwey Feuer zu kommen, (8. Nov.) die Belagerung auf, und zog ſich, verfolgt von der feindz lichen Reiterey, nach Does burg zurück. Spinola warf hierauf eine Verſtärkung von 2000 Mann und einen großen Pulvervorrath in die Feſte, worin Graf Heinrich von Berg Befehlsbaber war, und begab ſich darauf, ohne weiter etwas zu unternehmen, nach me 187 mem Rheinbergen, zufrieden, feinen berühmten Gegner zur Aufhebung der Belagerung gezwungen zu haben. Behde feindlichen Heere bezogen hierauf die Winterquartiere, und während ſich Spinola bemühte, den Aufſtand unter ſeinen Truppen zu dämpfen, vers abſchiedeten die Generalſtaaten ein deutſches Regiment, welches ſtärkeren Sold als die übrigen erhielt, und dadurch Veranlaſſung zum Neid und Miß vergnügen gab. So endete dieſer Feldzug, worin zwar Spinola ſeinen großen Plan, im Innern der vereinigten Pro— vinzen Eroberungen zu machen, nicht realiſiren konn— te, den er aber doch trotz aller Hinderniſſe, welche ihm ungünſtige Witterung, ein feindſeliger Boden, Geldmangel und Empörung unter ſeinen Truppen entgegenbothen, rühmlich und ſiegreich endigte. Aber den Geiſt des Aufruhrs zu beſchwören, der das Kriegsvolk ergriffen hatte, gelang ihm nicht, weil die kräftigſte Zauberformel, das Geld, ihm fehlte. Eine Bande Rebellen, über 1000 Köpfe ſtark, durch⸗ ſtreifte das cöllner, lütticher und jülichſche Gebieth, dieſe unglücklichen Länder, welche die Geißeln eines ihnen fremden Kriegs ſo oft und ſchmerzlich fühlen mußten. Sie führten Strohwiſche auf den Hüten, als Symbole ihres Handwerks; denn wer ihren Forde— rungen nicht genuͤgte, dem ward ſeine Hütte über dem Kopf angezündet. Es gab keine Ausſchweifung und Gewaltthätigkeit, welche dieſes heilloſe Geſindel nicht verübt hätte, und der Schrecken, welcher vor ihm herging, bereicherte es mit dem lebten Nothgelde des friedlichen Landmanns. | s Das Jahr, welches fih mit A a einer — 158 — grauſenvollen Geſetzloſigkeit endigte, war zugleich“ das Todesjahr zweyer in der niederländiſchen Revolu⸗ tionsgeſchichte ausgezeichneter Männer. Am 5. März. 1606 ſtarb auf dem Schloſſe Iſſelſtein Graf Philipp von Hohenlohe, welcher den Generalſtaaten vier und dreyßig Jahre gedient hatte. Er war ein tapferer und kühner Soldat, aber weder ein großer noch glücklicher Feldherr. Dennoch leiſtete er dem Staate ſehr nützli⸗ che Dienſte, beſonders in dem kritiſchen Zeitraum nach dem Tode feines Schwagers des Prinzen von Oranien und während der Minderjährigkeit des Prin— zen Moriz. Als Privatmann war er außerordentlich human, freygebig und ein ſehr angenehmer Geſell⸗ ſchafter, dem es an keiner geſelligen Tugend fehlte, obgleich fein heftiges Temperament ihn oft zu überei— lungen hinriß. Als er nicht mehr beym Heere gebraucht ward, artete ſeine Jovialität in Liebe zur Schwelge— rey und zum Trunke aus. Die Folge dieſer Lebe art war eine ſchmerzhafte Gicht, welche ihn an Händen und Füßen gelähmt auf die Bahre ſtreckte. Sieben Monath fpäter am 8. October ſtarb zu Dillenburg, in einem Alter von ein und ſiebzig Jahren, Graf Johann von Naſſau, älteſter Bruder, des großen Wilhelms von Oranien. Er unterſtützte nicht nur im Anfange der Revolution feinen Bruder treulich mit Geld und Rath, ſondern nahm auch ſelbſt unmittelbaren Antheil daran, denn er verwal⸗ tete eine Zeitlang die Statthalterſchaft von Geldern, und der utrechter Bund war größten Theils ſein Werk. Den liberreft feiner Tage verlebte er in Deutſchland in ſeiner Grafſchaft Dillenburg. Er hin« e 159 * terließ eine zahlreiche Nachkommenſchaft, und fünf: ſeiner Söhne fochten für die Freyheit des niederlän⸗ diſchen Staatenvereins. Zu den berühmten Todten dieſes Jahrs gehb⸗ ren auch der gelehrte Juſtus Lipſius, öffentlicher Leh⸗ rer der Beredſamkeit auf der hohen Schule zu Löwen, und der große Seeheld Andreas Doria, welcher zu. Genua im drey und neunzigſten Jahre ſtarb. Verſchiedene kleine kriegeriſche Scenen, welche ſich während des Winters und in den erſten Frühlings⸗ monathen des Jahrs 1607 ereigneten, ſchienen wie gewöhnlich das Vorſpiel zu wichtigeren Vorfällen zu ſeyn. Glücklicher Weiſe waren fie, es dieſes Mahl nicht, denn endlich ſchien die Zwietracht zu ermüden, die aufgebrachten Gemüther gaben der Stimme der Verſöͤhnung Gehör, und ein friedliches Geſtirn ging. freundlich hervor, aus der langen Sturmnacht eines faſt vierzigjährigen Kriegs. Im Januar (1607. 7. Januar) verbrannten und zerſtörten Grobbendonkt Reiter eine niederländiſche Schanze auf dem Bomme— lerward. Eine andere feindliche Partey umringte den jungen Grafen von Falkenſtein, als er eben auf einer Reiſe nach ſeinem, Schloſſe Broich begriffen war. Er war ein Sohn deſſen, welcher einſt als ein Opfer der Treuloſigkeit Mendoza's fiel, und ſtand im Dienſte der Generalſtaaten. Die Spanier forderten ihn auf, ſich zum Gefangenen zu ergeben, und da er es ver- weigerte, hieben fie ihn kaltblütig (März), nieder. Graf Friedrich von Berg überfiel das von den Nieder— ländern beſetzte Städtchen Aardendurg in Flandern, und Graf Heinrich Friedrich von Naſſau das Schloß were 160 N f Erkelen in Obergeidern. Jener erreichte feinen End: zweck nicht, aber Graf Heinrich Friedrich ſetzte ſich durch Sprengung des Thors mit einer Petarde in den Beſitz von Erkelen, wo er den Grafen Heinrich von Berg gefangen nahm. Bald darauf ereignete ſich ein ſonderbarer Vorfall im Bentheimiſchen. Der Erzher— zog ſandte eine ſchwache Reiterſchar mit einer Sum— me Geldes nach Lingen zur Bezahlung der dortigen Beſatzung. In der Grafſchaft Bentheim ſtießen die Erzherzoglichen auf eine ſtärkere Partey niederländi— ſcher Reiter, und wurden von ihr in das Städtchen Steinfurt verfolgt, wohin ſich jene eilend zurückzo⸗ gen. Schon waren die Schwerter zum Kampfe aufge— hoben, als von den Bürgern, welche die nachtheili— gen Folgen eines Gefechts in ihren Mauern fürchke— ten, ein Vergleich zwiſchen beyden Theilen vermittelt ward. Die Niederländer erhielten von ihren Gegnern 5000 Albertusthaler, worauf jeder Theil feine Stra- ße (Aprill) ruhig weiter zog. Die wichtige und entſcheidende Katastrophe, wele che um dieſe Zeit im Haag vorbereitet ward, unters brach zum Wohl der leidenden Voͤlker den Lauf des Landkriegs; nur auf dem Elemente des Meers dauerte das Blutvergießen noch eine Zeitlang fort, und die Darſtellung der Ereigniſſe, welche dort unſere Auf: merkſamkeit anziehen, mag der Erzählung jener merk— würdigen Unterhandlungen vorangehen, wodurch die Revolution ihr Ziel erreichte, und das Schickſal der ver- einigten niederlandiſchen Provinzen für eine faſt ang“ pundertjährige Dauer beſtimmt ward. Rai⸗ erw 161 N rr NN 18. Rainier Klaasſon und Jacob von Heemskerk. 1606 und 160 7. D. Nahmen diefer beyden Heroen, welche ihr e⸗ N ben der Ehre und dem Vortheil des Vaterlandes auf— opferten, dürfen nicht vergeſſen werden in der Geſchich— te dieſes Kriegs, auf daß ihre Thaten den Nachkom— men zu großen Muſtern dienen, und die Jugend der Völker ſich durch ihr erhabenes Beiſpiel zur edlen Nach— eiferung erwärme. Der eine zog, wie ein echter Re— publikaner, den Ruhm eines freywilligen Todes der Schmach, überwunden zu werden, vor, und den andern nahm das Schickſal hinweg, als er im Feuer ſeines Hel— denmuths ſeine Waffengefaͤhrten in den Kampf führte, und ſein Ende war der Anfang eines glänzenden Siegs. Die Veranlaſſungen zu dem rüh l alichen Tode der beyden Helden waren folgende: Im Jahre 1605 bemächtigte fich der ſpaniſche Admiral Don Luis de Fatzardo einiger niederländi— ſchen Schiffe, und ließ die Mannſchaft derſelben zum Theil in das Meer werfen, zum Theil durch Strick und Feuer hinrichten. Dieſe Grauſamkeit zu rächen, Schillers Niederl. 8. Vd. — „ 162 mm i und zugleich den ſpaniſchen Handel zu ſtören, um den in Spanien herrſchenden Geldmangel zu vermehren, ward im Anfange des folgenden Jahrs auf Befehl der Generalſtaaten, in den niederländifhen Häfen eine Kriegsflotte ausgerüſtet. Die oſtindiſche Geſellſchaft, welche ſehr dadurch gewann, wenn die Portugieſen verhindert wurden, ihr die indiſchen Waaren durch Con- currenz beym Einkauf zu vertheuern oder mit Waffen in der Hand ſie bey ihren mercantiliſchen Unterneh— mungen einzuſchränken, trug 150000 Gulden zu den Koften der Ausrüſtung bey. Der Admiral Wilhelm Haultein ward zum Oberbefehlshaber der Flotte er— nannt, und Rainier Klaasſon zum Admiral. Am 25. Januar (1606) ging ſie vier und zwanzig Segel ſtark in See. Sbre Beſtimmung war, nach den ſpaniſchen Küſten zu ſegeln, die weſtindiſchen Schiffe aufzufan⸗ gen und das Auslaufen der portugieſiſchen Oſtindien⸗ fahrer zu verhindern. Die Flotte hatte mit widri⸗ gen Winden zu kämpfen, und ihre Fahrt war lang— ſam und beſchwerlich, doch bemächtigte fie ſich auf ders felben verſchiedener feindlicher Fahrzeuge. Auch erfüll⸗ te ſie einen Theil ihrer Beſtimmung, denn es gelang dem Admiral, die nach Oſtindien beſtimmten portu— gieſiſchen Schiffe ſo lange im Hafen von Liſſabon feſt— zuhalten, bis die Zeit des Auslaufens verſtrichen war, — und die Reiſe nach der öſtlichen Hemiſphäre in dieſem Jahre nicht mehr unternommen werden konnte. Aber weniger glücklich war er in Rückſicht der weſtindiſchen Flotten die ihm keine Priſen lieferten, weil ſie theils ſchon in Amerika durch Stürme verunglückt, theils nach der Havannah zurück gekehrt waren. Er trat end⸗ { 163 * lich, da die ihm nachgeſandten Transportſchiffe durch widrige Winde zurück gehalten wurden, und die Flotte anfing Mangel an Lebensmitteln zu leiden, die Rück— fahrt an, und lief im Brachmonath ganz unerwartet in den holländiſchen Häfen ein. Aber ſchon im Sep— tember mußte die Flotte, nachdem ſie aufs neue mit allen nöthigen Bedürfniſſen verſehen worden war, ei⸗ ne neue Reiſe nach den ſpaniſchen Küſten machen, weil die Generalſtaaten Nachricht erhalten hatten, daß die ſpaniſch-portugieſiſchen Retourflotten aus Weſt -und Oſtindien in dieſem Monath anlangen würden. Die niederländiſche Flotte war abermahls vier und zwanzig Segel ſtark doch, als ſie kaum in See geſtochen war, wurden ſechs Schiffe durch Sturm von ihr getrennt. Sie kreuzte hierauf eine Zeitlang auf der Höhe des Vorgebirgs St. Vincent, ohne ein feind liches Fahrzeug wahrzunehmenz bis ſie endlich, da eben nur dreyzehn Segel beyſammrn waren, plötzlich auf die ſpaniſche Armada des Admirals Faizardo ſtieß, welche aus acht großen Gallionen und verſchiedenen kleineren Fahrzeugen beſtand. So unerwartet und un- vorbereitet war dieſes Zuſammentreffen, daß der Ad— miral von Seeland Rainier Klaasſon ſchon mit einem ſpaniſchen Schiffe im Kampfe begriffen war, als die übrigen niederländiſchen Schiffe noch keine Ahndung von der Nähe eines Feindes hatten. Überraſcht, ge⸗ ſchreckt durch den Anblick der koloſſalen Gallionen und ohne genaue Verhaltungsbefehle auf den Fall eines Zuſammentreffens mit einer feindlichen Kriegsflotte, hielten ſich die letzteren außer dem Kanonenſchuß und wichen in der nächſten Nacht zurück. wa wo... 1 6 4 6 Nicht wie dieſe Feigen dichte und handelte der heldenmüthige Klaasſon. Die Ehre der niederländiſchen Flagge und der Ruhm des Vaterlandes galten ihm mehr als ſein Leden. Von feinen Waffengefahrten ver: laſſen, unterhält er allein mit ſeinem Schiffe zwey Tage lang den ungleichen Kampf mit der ganzen feind— lichen Flotte, und ſchlagt alle Aufforderungen, zu ſtrei— chen und ſich zu ergeben ab; bis der größte Theil ſei— nes Volks erſchoſſen, ſein Schiff von Kugeln durchlö— chert it, die Maſten uber Bort geſtürzt find und das Waſſer überall eingedrungen iſt. In dieſer Noth und um nicht lebend dem granfamen Feind in die Hände zu fallen, thut er feiner noch übrigen Mannſchaft den Vorſchlag, als freye Männer eines ſeldſt gewahlten Todes zu ſterben. Die tapferen Gefährten feines Muths nehmen ihn einſtimmig an. Sie werfen ſich ſechzig an der Zahl mit ihrem Anführer auf die Knie nieder, be— then zu Gott, daß er ibnen die ſchreckliche That, wel— che ſie zu thun im Begriff ſind, verzeihen wolle, — werfen Feuer in die Pulverkammer und ſprengen ſich ſammt dem Schiffe in die Luft. Nur zwey der Aufgeflo— genen wurden von den Spaniern noch lebend aus den Wellen gezogen, aber fie waren fo beſchaͤdigt, daß fie nach wenigen Stunden ftarben. Die übrigen niederländiſchen Schiffe nr alle glücklich in Holland an, und Rainiers große That ward erſt in der Folge in feinem Vaterlande bekannt. Kaum hatte Faizardo die niederländiſche Flotte von den ſpaniſchen Küſten verſcheucht, fo liefen die oſtindiſchen Schiffe in Liſſabon, und die weſtindiſchen in San Luear ein. Es waren die Retourflotten von den — 165 — Jabren 1605 und 1606, welche für den König 2, und für die Kaufleute gegen 6 Millionen Thaler an Gold und Silber und eine Menge koſtbarer Waaren mitbrach⸗ ten, wodurch der Geldmangel des Mutterlandes, wel— cher noch nie ſo drückend geweſen war, gemindert und der Credit wieder hergeſtellt ward. So ſahen die Se: neralſtaaten mit großem Verdruß den Zweck ihrer Ex⸗ pedition verfehlt, und die darauf verwandten großen Koſten verloren. | Die Eyre der niederfändifhen Flagge und die dringenden Vorſtellungen der oſtindiſchen Compagnie, welche die gänzliche Zerſtörung ihrer Navigation ber ſorgte, wenn die ſpaniſche Marine durch keinen Geg— ner in ihren Unternehmungen beſchränkt würde, mach⸗ ten eine neue Seeräftung nöthig. Sie geſchah im fol— genden Jahre, (1607) zu einer Zeit, wo den Gene⸗ ralſtaaten ſchon von Seiten des Erzherzogs die erſten ernſtlichen Friedensvorſchläge gemacht worden waren, deren Aufrichtigkeit ſie jedoch noch immer in Zweifel zogen. Die neu ausgerüſtete Flotte ward beſtimmt, einen Kreuzzug an den ſpaniſchen Küſten zu machen, die Oſtindienfahrer der Republik unter ihren Schutz zu nehmen, und den Feinden ſo viel Schaden als mög— lich zu thun. 2 Zum Oberadmiral der Flotte ward, auf ſein ei⸗ genes Anerbiethen der Expedition deyzuwohnen, Ja— cob von Heemskerk, einer der tapferſten und erfah⸗ renſten Seeleute der Republik, ernannt, und dieſe Wahl konnte nicht glücklicher ſeyn. Heemskerk hatte einſt der gefährlichen Reiſe nach Novazembla zur Aufſuchung emer nördlichen Durchfahrt nach Oſtindien, wre 166 mn beygewohnt, ſeitdem in Indien glückliche Kriege ge: führt, und im Jahre 1604 eine reich beladene portu— gieſiſche Karacke von 1500 Tonnen erobert. Er war Beſitzer eines großen Vermögens; auch hatte der Eis gennutz keinen Theil an ſeinen Unternehmungen. Ein edleres Motiv, Liebe zum Vaterlande und Ruhmbe— gierde, entflammten ihn zu kühnen und gefahrvollen Thaten; aber er verbarg ſeinen brennenden Ehrgeitz unter einem beſcheidenen Zlußeren, und ſelbſt feine Klei⸗ dung hatte nichts Ausgezeichnetes. Als er am Bort des Admiralſchiffs ging, rief er aus: „das Vaterland ſoll mir todt oder lebendig danken!“ und ſo groß war fein Vertrauen auf einen glücklichen Erfolg, und ſei— ne Uneigennützigkeit, daß er keinen Sold, ſondern nur den achten Theil der Beute, welche er über Boocoo Gulden machen würde, verlangte. Die übrigen Be— fehlshaber waren: Lorenz Jacobſon Alteras Unterad— miral von Seeland, Lambert Henrichſen Unteradmi⸗ ral von der Maas, und die Hauptleute Peter Wil- belmſon Verhoef, Adrian Röſt, Paw, Lehenar, Janſ— ſen, Quaſt, Evertſen und der durch ſeine Reiſen nach beyden Indien berühmte Georg Spilberg. Die Flotte lichtete, 26 Kriegs- und 4 Trans⸗ portſchiffe ſtark, am 25. März (1607) die Anker, und lief aus dem Texel. Heemskerk ließ ſeine Flagge von dem Aeolus wehen. Am 10. Aprill bekam fie die fpa= niſche Küſte ins Geſicht. Des Admirals Abſicht war, die im Hafen von Liſſabon liegenden Oſtindienfahrer anzugreifen, aber er erfuhr von feinen als Kaufleute ausgeſandten Spionen, daß dieſe größten Theils die Rehde von Liſſabon bereits verlaſſen hätten. Dieſelbe . ; aaa 165 narra Nachricht erhielt er von verſchiedenen engliſchen und franzöſiſchen Schiffen, die ihm zugleich meldeten, daß in der Bay von Gibraltar eine ſpaniſche Kriegsflotte vor Anker läge. Jetzt änderte er feinen Plan und bes ſchloß die feindliche Flotte aufzuſuchen. Ein ſeeländi⸗ ſcher Schiffer brachte ihm die Nachricht, daß die par niſche Flotte wahrſcheinlich nach Cadix gegangen ſey. Er wandte ſich daher wieder um das Vorgebirge St. Vincent und ſegelte bey San Lucar und Cadix vors über, ohne den Feind zu treffen, der noch immer ru— hig in der Bay von Gibraltar lag, wie der Admiral von einem franzöſiſchen Schiffe erfuhr. Dahin richtete er jetzt ſeinen Lauf, indem er ſich bald an die ſpani⸗ ſche bald an die afrikaniſche Küfte hielt, und erreichte endlich die Meerenge, wo er die feindliche Flotte ins Geſicht bekam. Sie beſtand aus 9 großen Gallionen und 10 an⸗ deren Fahrzeugen, a hatte Befehl, die niederlän⸗ diſchen Handelsſchiffe aufzufangen, welche aus dem mittelländiſchen Meere durch die Straße nach dem at⸗ lantiſchen ſegeln wollten. Don Inan Alvarez d'Avila, ein alter erfahrner Seemann, der ſchos unter Don Juan d' Auſtria gedient hatte, war Oberadmiral der Flotte, welche mit Geſchütz und Mannſchaft reichlich verſehen wor. Der St. Auguſtin, das Admiralſchiff, hatte 700 Soldaten und Freywillige ohne die Matro⸗ ſen am Bort, und von faſt gleicher Stärke und Be⸗ mannung waren die Nueſtra Sennora de Veja und die Madre de Dios. Eine große Anzahl von Edelleu ⸗ ten und andern Freywilligen hatte ſich, um einen Be⸗ weis von Anhänglichkeit an 8 und Vaterland zu voran 186 . geben, am Bort der ſpaniſchen Schiffe W als man von Cadix und San Lucar aus die niederlaͤndi⸗ ſche Flotte bemerkte. | Sobald die letztere die Meerenge erreicht hatte, rief Heemskerk die Befehlshaber der Schiffe zuſammen, machte ihnen feinen Entſchluß, die Spanier anzugrei— fen, bekannt, und ertheilte die ihnen nöthigen Ver— haltungsbefehle. Es ward beſtimmt, daß der Admiral und der Contreadmiral von der Maas das feindliche Ad— miralſchiff, der Unteradmiral von Seeland und Haupt— mann Bras von Hoorne den ſpaniſchen Viceadmiral, und von den übrigen Schiffen immer zwey und zwey eine feindliche Gallione angreifen ſollten. Alle Be— fehlshaber billigten das Vorhaben, und die Maßre— geln des Admirals, und jeder leiſtete ihm ein theu⸗ res Verſprechen: nichts wider die Ehre der nieder— ländiſchen Flagge zu thun, und keine Gefahr zu ſcheu— en! Sie kehrten darauf am Bort ihrer Schiffe zu— rück, verſammeln das Schiffsvolk und ermahnen es zur Tapferkeit. Dann wird auf den Knieen ein feyer— liches Gebeth um Sieg geſprochen, der Eid des Ge— horſams erneuert und der Pokal herum gegeben, den Trunk der unerſchütterlichen Treue im Leben und im Tode zu thun, nach altniederländiſcher Sitte. Nach dieſer herzerhebenden Scene eilt jeder auf ſeinen Po- ſten, alles wird zum Kampf gerüſtet und alle Segel werden aufgezogen. Es war der 25te Aprill (1607). Das Licht des Morgens beleuchtete freundlich die Bay und ihre Ufer und den wunderbaren Felſen an der Spitze Europa's. | Der ſpaniſche Admiral, fein einziges Flaggen— ſchiff für ſtärker haltend als die ganze niederländiſche Flotte, glaubte nicht, daß die letztere die Kühnheit haben werde ihn anzugreifen. Als er ſie daher mit vollen Segeln heran ſchweben ſah, fragte er einen niederländiſchen Gefangenen, den er am Bort hatte, den Schiffer Gottfried Engliſchmann, was die Abſicht ſeiner Landsleute ſeyn möchte, und ob ſie wohl das Herz haben würden, ihn unter den Kanonen des Schloſ⸗ ſes Gibraltar anzugreifen? Ganz gewiß werden fie das, erwiederte jener, denn alle ihre Bewegungen zei— gen es! Die Antwort des ſtolzen Spaniers war ein verächtliches Lächeln, doch bald überzeugten ihn die Manövres der Niederländer, daß fein Gefangener Recht habe. Jetzt ließ er die Anker feines Schiffs kap pen und legte ſich näher unter die Stadt, hinter den Viceadmiral und drey andere Gallionen, um dieſen die Gefahr des erſten Angriffs zu überlaſſen. Aber Heems— kerk, feinen Plan verfolgend, ſegelte den letzteren vorbey, und ging gerade auf die feindliche Capitane los. Er befahl ſeinem Schiffer, nicht eher den Anker fallen zu laſſen, als bis er auf ſie geſtoßen ſey und fie Babe krachen hören, dem Conſtabler, nur dann erſt Feuer zu geben, wenn man ganz nahe beran ſey⸗ und dem Steuermann, daß er mit eigener Hand das Steuer führen ſolle. Hundert Thaler Belohnung vers ſprach er dem, welcher die feindliche Flagge herabhoh— len würde, und wer das Schiff überwältigte, ſollte die ganze Beute behalten. Der ſpaniſche Admiral gab ihm die erſte Lage, doch ohne große Wirkung. Jetzt donnern auch die Feuerſchlünde des Aeolus, der ſich in dem Augenblick mama 170 *. dem Spanier zur Seite legt, ſich feſt an deſſen Bort klammert und den Anker fallen läßt. Heemskerk ſteht mitten auf dem Verdeck, allen Gefahren ausgeſetzt, und ertheilt unerſchrocken und kaltblütig ſeine Befeh⸗ le. Aber der Moment, der ſo viel trefflihe Eigene ſchaften vernichten, und dieſes ruhmvolle Leben in ſeiner ſchönſten Blüthe enden ſoll, iſt da. Mit der zwepten feindlichen Lage nimmt eine Kugel dem Ad— miral das linke Bein hinweg, reißt einen jungen Mae troſen mitten von einander, und zerſchmettert einem Konſtabler den Arm als er eben im Begriff iſt, ein Stück abzubrennen. Zu Boden ſtürzend ruft der tödt⸗ lich verwundete Admiral: „Nur fortgekämpft Brüder! rächt mich durch die Niederlage des Spaniers!“ und nach wenigen Minuten iſt er verſchieden, wie ein echter ritterlicher Held mit dem Harniſch angethan, den Helm auf dem Haupte und das Schwert in der Hand. Der Hauptmann des Aeolus, Peter Wilhelmsſon Ver— boef von Annſterdam, verſchwieg den Tod des Admi— rals den übrigen Schiffen und ſezte den Kampf mus thig fort, unterſtützt durch den Viceabmiral, der ſich auf der andern Seite an das ſpaniſche Admiralſchiff geklammert hatte. | Das Treffen ward jetzt allgemein. Die nieder— ländiſchen Schiffe aber griffen nicht nach der gegebenen Dispoſition an, ſondern wie ſich ihnen dazu die Ger legenheit darboth. Vier derſelben umringten den ſpani⸗ ſchen Viceadmiral. Seine Gallion gerieth waͤhrend des Gefechts in Brand, und das Feuer theilte ſich den ſie bekämpfenden Niederländern mit „ welche ſich eilig mit brennenden Segeln zurück zogen. Der Spanier brann— „ 171 wa te bis auf das Waſſer ab, doch rettete ſich ein Theil der Mannſchaft durch Schwimmen. Dasſelbe Schick— ſal traf eine zweyte Gallion, h deren Angriff der niederländiſche Hauptmann Heinrich Jansſon erſchoſſen | mee war; und eine dritte ſank von Kugeln durch⸗ löchert in den Abgrund. Verſchiedene niederländiſche und ſpaniſche Schiffe, die es nicht wagten Bort an Bort zu kämpfen, feuerten auf Kanonenſchußweite auf einander, und zu gleicher Zeit donnerte auch das Geſchütz der Stadt und des Forts auf die Niederlän⸗ der herab. Ein dichter ſchwarzer Pulverdampf umhüllt die ganze Bay, und eine infernaliſche Nacht verſchlingt das Licht des hellen Nachmittags. Plötzlich ereignet ſich eine entſetzliche Scene. Eine der größten Gallio— nen fliegt mit fo ſchrecklichem betäubendem Krachen in die Luft, daß Stadt und Strand wie von einem Erd— beben gerüttelt werden, und ſtarres Entſetzen beyde kämpfenden Flotten ergreift. In einem Augenblick war die ganze Meeresfläche mit Leichnamen und dampfenden Trümmern bedeckt. Die näͤchſten ſpaniſchen Schiffe fin— gen Feuer, und geriethen darüber in ſolche Beſtür— zung, daß ſie die Anker kappten, und auf den Strand liefen. Das ſpaniſche Admiralſchiff allein fuhr fort ſich auf das tapferſte gegen drey Niederländer zu ſchlagen, obgleich der Admiral d'Avila das Schickſal ſeines Geg— ners getheilt hatte, und gleich jenem beym Anfange der Schlacht erſchoſſen worden war. Endlich enterten es die Niederländer, und ein Trompeter hohlte die Flagge vom Hauptmaſt herab. Ein ſchreckliches Geme⸗ Bel entſtand auf dem feindlichen Verdeck. Viele Spa: rn — ara 172 PP nier warfen ſich, um dem Blutbade zu entfliehen, in das Meer, aber auch dadurch entgingen ſie ihrem Schickſale nicht, und wurden mit den Wellen ringend erſtochen oder erſchoſſen. Die auf dem Schiffe befind- lichen niederländiſchen Gefangenen wurden in Freyheit geſetzt. Sie hatten ihr Leben einem ſonderbaren Zu⸗ fall zu danken. Zwey ſpaniſche Soldaten, welche während des Treffens nach einander in den Raum ber- abgeſchickt wurden, um ſie nieder zu ſtoßen, wurden beyde erſchoſſen, wenn ſie eben im Begriff waren, ihr blutiges Geſchaft zu vollziehen, und ein dritter Schuß zerſprengte die Feſſeln der Gefangenen. Die Schlacht dauerte bis nach Untergang der Sonne, und die Niederländer erfochten einen vollſtän— digen Sieg. Fünf Gallionen und verſchiedene kleinere feindliche Schiffe waren verbrannt, eine in den Grund gebohrt und zwey andere zu bloßen Wraks geſchoſſen. Das eroberte Admiralſchiff, welches die Sieger in der Verwirrung zu beſetzen verſäumt hatten, ward mit einigen darin verſteckten Spaniern an das Land getrie— ben, und von der Stadt aus in Brand geſteckt. Über: haupt hatten die Sieger großen Ruhm, aber nur ge⸗ ringe Beute erworben. Auf ſpaniſcher Seite waren der Admiral d' Avila, der Viceadmiral Don Juan Ponce de Leon, die Haupt⸗ leute Terrierxos und Chiavillos, eine Menge anderer Officiere und faſt die Hälfte der Mannſchaft durch Feuer, Schwert und Waſſer umgekommen. Die Nie- 1 verloren nur 100 Todte und 60 Verwunde— e; aber der Tod ihres tapfern Admirals war ein un⸗ ih Verluſt. 6 ee 175 een 4 In der Nacht nach der Schlacht ſchloſſen ich die niederläandiſchen Schiffe enger zuſammen, und ze⸗ gen ſich etwas weiter vom Lande zurück, weil aus der Stadt und dem Fort noch unmer auf ſie geſchoſſen ward. Zwey Tage verweilten ſie noch in der Nähe des Schlachtfeldes und die ganze benachbarte Küſte und Ca⸗ dir ſelbſt ſahen voll Furcht und Schrecken einer Plün⸗ derung entgegen. Doch die niederländiſchen Befehls⸗ haber ließen ſich an der Ehre des Sieges begnügen, ohne ihn zu benutzen. Sie ſegelten nach den afrikani⸗ ſchen Küſte und beſſerten zu Tetuan den erlittenen Schaden aus. Darauf vertheilte ſich die Flotre Ein Geſchwader blieb unter dem Viceadmiral Alteras an der portugieſiſchen Küſte. Das andere unter dem ta— pfern Verhoef, welcher zur Belohnung für ſein ent— ſchloſſenes und muthvolles Betragen in der Schlacht bey Gibraltar, von den Generalſtaaten eine goldene Ehrenkette empfing, ſegelte nach den kanariſchen und azoriſchen Inſeln. Die Leiche des Admirals und die Verwundeten wurden auf zwey Transportſcheffen nach Holland geſaͤndt, und dem gefallenen Helden wider⸗ fuhr hier eine Ehre, die vor ihm noch keinem zu Theil geworden war. Er ward am 8. des Brachmonaths (1607), auf Koften des Staats, in der alten Kirche zu Amſterdam, mit einem Gefolge von 800 Perſonen aus ßer dem Miltrör auf das feyerlichſte beerdigt. Auch ließ ihm das dankbare Vaterland ein Denkmahl errichten, auf welchem die Geſchichte ſeiner Reiſen und Kriegsthaten verewigt iſt. Der tapfere Seemann war in dem blüs henden Alter von neun und dreyßig Jahren gefallen. Auf die wiederhohlten dringenden Vorſtellungen — 174 ern 9 des Paters Ney, der im Haag im Nahmen des Erz⸗ berzogs Friedensanträge gemacht hatte, riefen endlich die Generalſtaaten ihre Flotte zurück, und der zwiſchen beyden kriegenden Theilen bereits abgeſchloſſenen Waf— fenſtillſtand , welcher bisher nur auf dem Lande gegol⸗ ten hatte, ward nun auch auf die europäiſchen Meer re ausgedehnt. Ein kleines Gemählde von den Unternehmun— gen der niederländiſchen Flotten in Oſtindien, wäh- rend der letzten Jahre und von der Lage, worin ſich die Angelegenheiten der oſtindiſchen Geſellſchaft in je— nen Ländern zu der Zeit befanden, als man endlich anfing über den Frieden ernſtlich zu unterhandeln, mag dieſen Abſchnitt beſchließen, und zugleich dem fol- genden als Einleitung dienen, weil es vorzüglich die Navigation und der Handel nach Indien waren, wel⸗ che die Friedensunterhandlungen, von denen wir bald ſprechen werden, ſo ſchwierig machten. Die Macht und das Anſehen der oſtindiſchen Ge— ſellſchaft in der öſtlichen Welt, hatten ſeit ihrer Stif⸗ tung im Jahre 1602 außerordentlich zugenommen. Ihre Geſchäfte gewannen täglich an Umfang und Ers folg, und dieſes berühmte Inſtitut blühte mit wun— derbarer Schnelligkeit zu hoher Vollkommenheit auf. Im Jahre 1605 ſandte die Geſellſchaft den Admiral Stephan van der Hagen mit dreyzehn Schiffen nach Oſtindien, der den holländiſchen Nahmen durch Ta— pferkeit und Entſchloſſenheit den Spaniern und Por⸗ tugieſen furchtbar und durch Humanität und Mäßigung den indiſchen Völkern beliebt machte. Er ſchloß mit dem Beherrſcher der malabariſchen Küſte ein Bündniß, new 175 . und verſchaffte ſich die Erlaubniß von ihm, in ſei— nem Gebiethe ein Fort anzulegen. Mit raſtloſer Thä— tigkeit arbeitete er für das Intereſſe der Geſellſchaft, vertrieb die Portugieſen (1605, Februar) von der Ins ſel Amboina und nahm ihnen verſchiedene Schiffe ab. Darauf eroberte er (May) das portugieſiſche Fort auf Tidor, einer der moluckiſchen Inſeln, und gewann der Geſellſchaft den Handel mit Gewürznelken, der köſt⸗ lichſten Frucht dieſer Inſeln. In demſelben Jahre ſandte die Geſeuſchaft aber⸗ mahls eine Flotte von eilf Schiffen, deren Ausrü— ſtung und Befrachtung mehr als neunzehn Tonnen Goldes koſtete, nach Oſtindien. Der Befehlshaber der— ſelben, Cornelius Matelief de Jonge, einer von den Vorſtehern der Geſellſchaft, belagerte (1606) die von den Portugteſen beſetzte, und mit einer Cittadelle ver— ſehene Stadt Malacca, auf dem Vorgebirge gleichen Nahmens, welches die Meerenge Suicapura von der Inſel Sumatra ſcheidet. Schon vier Monath hatte die mit geoßen Schwierigkeiten verknüpfte Belagerung gedauert, als der ſpaniſche Vicekönig von Indien, Don Alfonſo de Caſtro mit einer Flotte von vierzehn ſtark bemannten Gallionen auf der Höhe von Malac— ca erſchien. Er hatte Befehl von ſeiner Regierung, Johor, Paham, Patane, Bantam, Amboina und alle übrigen Länder und Plätze, wo die Niederländer ihre meiſten Handelsgeſchaͤfte machten, feindlich zu behandeln, und war, als er die Nachricht von der Belagerung Malacca's erhielt, unter Segel gegangen, um die unbeſetzten Schiffe der Niederländer und ihre durch das Land zerſtreute Mannſchaft zu überfallen. ren 176 e Mateliefs Wachſamkeit vereitelte dieſen Plan; die Erſcheinung der ſpaniſchen Flotte war für ihn das Sig⸗ nal zur Aufhebung der Belagerung Malacca's. Er ſchiffte ſich ein, und ging (17. Auguſt) ſogleich in See. Gegen Mittag ſtieß er auf den Feind. Das Treffen dauerte mehrere Tage. Zwey niederländiſche Schiffe, der Naſſau und der Middelburg, wurden ein Raub der Flammen, und zwey ſpaniſche ſanken in den Abgrund. Endlich ſegelte Matelief, der Mangel an Schießpul⸗ ver batte, und deſſen Mannſchaft mißvergnügt war, nach Johor, um dieſe Stadt zu decken, und die feindliche Flotte ging nach der Rehde von Malacca. Als er etwa einen Monath bey Johor vor Anker ge— legen hattte, erhielt er Nachricht, daß der ſpaniſche Admiral mit dem größeren Theile ſeiner Flotte Ma: lacca wieder verlaſſen und nur 7 Gallionen und 3 Ga- leeren dort zurück gelaſſen habe. Sogleich iſt ſein Ent— ſchluß gefaßt, und ſeine aufrühriſchen Matroſen werden durch Drohungen und Verſprechungen bewogen ihm nach Malacca zu folgen, um dem Vaterlande einen wichtigen Dienſt zu leiſten. Ein günſtiger Wind be— flügelte feine Fahrt. Er erreicht die Rehde, findet das feindliche Geſchwader und umringt (1606, 22. Sep⸗ tember) mit feinen Schiffen den San Nicolo das vor— derſte der ſpaniſchen Schiffe. Nach einigen mörderiſchen Lagen längs dem Verdeck der Gallion, auf welchem die zahlreiche Mannſchaft in dichten Maſſen zuſammen⸗ gedrängt ſtand, ward das Schiff mit ſolcher Wuth und Erbitterung geentert, daß faſt alle Spanier am Bort desſelben niedergehauen wurden. Dennoch ent: ging es den Niederländern, weil das Schlepptau zer— a riß/ — 77 — riß, an welchem es befeſtigt war. Indeß hatte das ganze feindliche Geſchwader die Anker gelichtet, und das Treffen ward allgemein. Ein ſpaniſches Schiff ging im Feuer auf, zwey andere ergaben ſich, und die übri— gen, welche zum Theil ſehr beſchädigt waren, verlie— ßen den Kampfplatz, und flüchteten auf die Rehde von Malacca zurück, wo ſie aus Beſorgniß eines neuen Angriffs von den Spaniern angezündet wurden. Die Niederländer hatten in dieſem glücklichen Treffen nur wenige von den ihrigen verloren. Zwey hundert feind— liche Gefangene wurden gegegen 10 Holländer, die zu Malacca und an andern Orten in Indien gefangen ſaſ— ſen, ausgewechſelt, und die eroberten Schiffe ließ der Admiral verbrennen, weil ihm der Transport der— ſelben zu beſchwerlich fiel. Er nahm in der Folge den Feinden noch mehrere Schiffe ab, ſegelte nach Poule— bonton und Bantam, und von da, nachdem er einen Theil ſeiner Flotte nach Europa zurück geſandt hatte, nach Amboina, um dieſe Inſel gegen einen feindlichen Angriff zu ſchützen (1607). Die Einwohner derſelben waren der Niederländer Freunde, und Matelief er— laubte ſe inen Soldaten und Matroſen, welche auf derſelben zurück blieben, ſich mit den dortigen Wei— bern zu verheirathen. Er ließ darauf den Flecken Ma— laya auf der Inſel Tidor befeſtigen, und trat mit den Einwohnern von Ternate in ein Bündniß; aber ſeine Verſuche, einen Commerztractat mit der chineſiſchen Re— gierung zu ſchließen, fanden unüberſteigliche Hinderniſſe, und die Erſcheinung einer überlegenen portugieſiſchen Flotte zwang ihn, die Küſten von China zu verlaſſen. Nach der Ankunft des Admirals Paul von Kaar— Schillers Niederl. 3. Bd. M 17 3 e den mit ſieben Schiffen zu Bantam trat der unter⸗ nehmende Matelief, begleitet von fünf mit Gewürz beladenen Schiffen und von einigen ſiamiſchen Geſand⸗ ten, welche dem Prinzen Moriz' Geſchenke überbrach— ten, die Rückreiſe nach Holland an wo er im Herbſt⸗ monath 4608 glücklich ankam, und von den Generals ſtaaten und den Staaten der Prodinz Holland eine feyerliche Dankſagung für ſeine dem Vaterlande ger leiſteten wichtigen Dienſte empfing. f f Noch vor Mateliefs Rückkehr, als die Friedens unterhandlurgen- ſchon eröffnet waren, fandte die oſt⸗ indiſche Geſellſchaft eine neue ſtarke Flotte nach den indiſchen Meeren, zu Beweiſe, wie wenig man in den Niederlanden daran dachte, der Schifffahrt und dem Handel nach jener Weltgegend zu entſagen. Die ebenerwähnte Flotte beſtand aus zwölf Schiffen von 200 bis 1000 Tonnen. Befehlshaber derſelben war Peter Wilhelmſon Verhöf, der ſich in der Schlacht bey Gibraltar ſo rühmlich ausgezeichnet hatte. Er ließ feine Flagge von dem Admiralſchiff Hollandia wehen. Am Weihnachtsabend 1607 ging die Flotte in See, und erreichte nach einer glütklichen Fahrt das Ziel ih⸗ rer Reiſe. Die Kile emacht der Geſellſchakt in den indiſchen Gewäſſern beſtand jetzt aus vierzig großen Schiffen, wel— che mit 5000 herzhaften Seeleuten bemannt waren, und 150 metallene und 500 eiſerne Feuerſchlünde führten. Sie beſaß verſchiedene Forts und große und reiche Waa— renlager in Indien, ſtand mit mehreren dortigen Für— ſten und Völkerſchaften, welche der Spanier und Porz tugieſen Feinde waren, in engen, mercantiliſchen Ver— bindungen, und der größte Theil des fo einträglichen Gewürzhandels war in ihren Händen. über 180 Schiffe und 8000 Menſchen beſchaͤftigte das indiſche Commerz, deſſen reinen Gewinn man ſchon jetzt auf 4, 500000 Gulden berechnete. In einem ſo blühenden Zuſtande befanb ſich dieſer Handel, als die Spanier in den Discuſſionen, welche die große Frage über Krieg und Frieden veranlaßte, darauf drangen, daß die Nieder⸗ laͤnder ihm für immer entſagen ſollten! | 19. 1 Ka Asa Pier Friedensunterhandlungen und zwoͤlfjaͤhriger Waffenſtillſtand. 1606 bis 160g. Oft waren im Laufe des niederländiſchen Revolu⸗ tionskriegs, theils von neutralen Fürſten, theils von den Feinden der vereinigten Niederländer ſelbſt, Ver⸗ ſuche gemacht worden, ſeinen Verheerungen durch ei— ne friedliche Ausgleichung ein Ziel zu ſetzen; aber ſie blieben ohne Erfolg, weil bey allen dieſen Friedens— vorſchlägen die Rückkehr der vereinigten niederländi⸗ ſchen Provinzen unter die Herrſchaft Spaniens als Grundſatz und abſolute Bedingung vorausgeſetzt ward. Zwar vor der feyerlichen Entſetzung Philipp des Zweyten, als Souverän der Niederlande, ſchienen die Wünſche der utrechter Bundesgenoſſen nur auf die Erhaltung der Religionsfreyheit und ihrer alten Vor— rechte beſchränkt zu ſeyn; und hätte ihnen damahls der ſpaniſche Monarch dieſe Forderungen mit voller Sicherheit bewilligt, ſo würden ſie vielleicht die Waf— fen niedergelegt, und ſich ihrem alten Herrn aufs neue unterworfen haben. Doch wie konnten ſie hoffen, daß . 181 naar Philipp der Zweyte ihnen die Glaubensfreyheit zuger Reben werde, da er vor dem Crucifix geſchworen bat» te, nie zu verſtatten, daß die niederländiſchen Rebel: len von der heiligen katholiſchen Religion ſich trenn⸗ ten. Und als in der Folge einmahl der entſcheiden⸗ de Schritt des feyerlichen Abfalls von der ſpaniſchen Krone gethan war, betrachteten ſie ſich als einen ſelbſt⸗ ſtändigen Staat, und jede noch beſtandene Verbindung mit ihrem ehemahligen Souverän als zerriſſen. Von jetzt an ſind ihre Anſprüche und Forderungen nicht mehr dieſelben, welche ſie im Anfange des Kriegs ge— weſen waren. Ihr Zweck iſt größer und umfaſſender geworden; eine vollendete Freyheit und Unabhängige keit ſoll die ſchöne Frucht des Kampfes mit ihren Ty— rannen ſeyn. Dieſes erhabene Ziel verfolgten ſie ſelbſt in den gefährlichſten Perioden des Kriegs mit uner— ſchütterlicher Standhaftigkeit; und da der mächtige ſpaniſche Monarch ſeinen Rechten auf ſeine abgefallenen Unterthanen nicht entſagen wollte, fo mußte die Aus ſicht auf Frieden immer trüber und zweifelhafter wer⸗ den, je mehr die günſtigeren Erfolge ihrer Waffen und ein immer ſteigender Handel die Wahrſcheinlichkeit, ſich doch endlich des ausgeſteckten glänzenden Ziels zu bemächtigen, erhoben. Selbſt jetzt, da der ſo lang entbehrte Friede beyden Theilen zum dringenden Be— dürfniß geworden war, und Spanien nicht mehr bloß zum Schein die Hand zur Ausſöhnung both, bereite— ten Argliſt von der einen, und Mißtrauen von der ande— ren Seite dem Verſöhnungsgeſchäft ſo viel Schwierig— keiten, daß ſchon über der bloßen Einleitung der Un⸗ rerbandlungen eine geraume Zeit verfloß, und daß es 4 — 182 — zweyer voller Jahre bedurfte, bis man ſich entfchlie- ßen konnte, einem Kriege von beyſpielloſer Dauer nicht durch einen definitiven Frieden auf immer ein Ende zu machen, ſondern ihn nur durch eine tempo— relle Waffenruhe zu unterbrechen, eine Kataſtrophe von fo ſonderbarer Art, daß fie die Eigenthümlichkei— ten vollendet, welche dieſem Kriege einen Platz in der Kategorie der hiſtoriſchen Phaͤnomene erworben haben. Wenn es je den Feinden der vereinigten Pro— vinzen ernſtlich darum zu thun geweſen war, der langen Fehde mit dieſem glücklichen und beharrlichen Gegner ein Ende zu machen, ſo war dieß jetzt der Fall. Was erſtens den Erzherzog betrifft, fo iſt wer der irgend ein rationeller noch factiſcher Grund vor⸗ handen, welcher die Aufrichtigkeit ſeines Verlangens nach einer Ausſöhnung verdächtig machte. Er war. überhaupt kein Freund des Kriegs, und die Fortdauer des gegenwärtigen konnte um ſo weniger ſeinen Wün— ſchen zuſagen, da fie ihn in der drückendſten Abhaͤn⸗ gigkeit von dem ſpaniſchen Hofe erhielt. Über dieß war er kinderlos und ohne Erben, und mußte daher mehr einen ruhigen Genuß ſeiner gegenwärtigen Beſitzun— gen als eine Vergrößerung derſelben durch die Waf— fen wünſchen, da doch nach ſeinem Tode das Ganze wieder an die ſpaniſche Krone zurück fiel. Dazu kam der traurige Zuſtand der unterworfenen Provinzen ſelbſt, weſche verarmt und ausgeſogen waren, mehr noch durch die Räubereyen der unbezahlten ſpaniſchen Soldaten, als durch die Abgaben, welche ſie der Re— gierung zu den Kriegskoſten bezahlen mußten, und de- ren Einwohner ihn daher täglich mit Klagen über den ; 185 — Druck, unter welchem ſie ſeufzten, und mit Bitten, ihre Leiden zu endigen, beſtürmten. Auch ging das Gerücht, daß der König von Frankreich die. vereinig⸗ ten Niederlande unter gewiſſen Bedingungen mit ſei— nem Reiche zu vereinigen ſuche. Endlich gab allen die: ſen Gründen das größte, und alle übrigen Rückſichten überwiegende Gewicht, der Ausſpruch Spinola's, der ſich entſchieden für den Frieden erklärte und dringend dazu rieth; und wie wunderbar auch die friedliche Stimmung dieſes Feldherrn, bey feiner Liebe zu den Waffen, bey ſeinen bisherigen rühmlichen Unterneh— mungen, und bey der brennenden Ruhmbegierde, wel: che ihn beſeelte, anfangs erſcheinen mag, ſo finden wir doch das Naͤthſel leicht gelöſt, wenn wir erwägen, daß ſelbſt in feiner Ruhmbegierde die Motive lagen, wel: che ihn mehr als irgend einen andern das Ende dieſes unglücklichen Krieges wünſchen ließen! Er ſah vorher, daß das von ihm übernommene Gefchäft, die verei— nigten Provinzen mit den Waffen zum Gehorfam zu⸗ rück zu bringen, bey der verhältniß mäßig nur geringen Maſſe von Kräften, welche man darauf verwenden konnte, nicht ausführbar ſey, und daß alle ſeine Be— mühungen, die aufgelöſte Kriegszucht in dem ſpani— ſchen Kriegsheere wieder herzuſtellen, an der Unmög⸗ lichkeit, dem Soldaten richtige Zahlung zu leiſten, ſchei⸗ tern mußten. Überdietz hatte er ſich durch die der ſpa— niſchen Regierung gemachten Vorſchüſſe mit einer drü— ckenden Schuldenlaſt bedeckt; ſein Credit war verloren, und die bitterſte Armuth ward ſein unvermeidliches Loos, wenn bey der Fortſetzung des Kriegs die weſt— indiſchen Schätze und mit ihnen der einzige Fond, aus t — 184 — welchem er die Wiederbezahlung der vorgeſchoſſenen Summen erwarten konnte, ein Raub der Zufälle des⸗ ſelben wurden. Vielleicht hoffte auch der ſchlaue Ita— liäner, daß der Friede den vereinigten Niederländern verderblicher ſeyn werde, als der Kreg, und daß bey den zahlreichen eigenthümlichen Vorrechten jeder ein— zelnen Provinz unfehlbar die Totalität derſelben in dem widerſprechenden Intereſſe der Einzelnen unter— gehen müſſe, wenn die gemeinſchaftliche Gefahr nicht mehr das Band ihrer bisherigen Eintracht befeſtige. Bey Philipp dem Dritten und feinem Minifter bedurfte es keiner großen Überredung, fie einer Aus: ſöhnung geneigt zu machen, wenn fie auch mit be: deutenden Aufopferungen erkauft werden mußte. Der König von Spanien beſchaftigte ſich lieber mit Luſt— barkeiten, als mit Staats- und Kriegsangelegenhei— | ten, und wünſchte ſchon deßhalb den Frieden. Übers dieß fühlte der ſpaniſche Staatsrath die Unmöglichkeit, bey dem erſchöpften Zuſtande der Monarchie die Laſt der Ausgaben, welche der niederländiſche Krieg ver— ſchlang, und die ſich monathlich auf 500000 Kronen be⸗ liefen, noch länger zu tragen. Die reichen weſtindi— ſchen Flotten waren ſtets der Gefahr ausgeſetzt, eine Beute der Feinde zu werden, und die Portugieſen führten die bitterſten Klagen über den Ruin ihrer Handlung und den Verluſt ihrer oſtindiſchen Beſitzun— gen. So wichtige Rückſichten, wozu in dieſem Augen- blick noch die Beſorgniß eines neuen Kriegs in Italien kam, verſchafften am ſpaniſchen Hofe den Anträgen der Erzherzoge, wegen einer friedlichen Ausgleichung ihres Streits mit den vereinigten Provinzen, einen 0 185 . leichten Eingang, und es ward ihnen verſtattet, die erſten Schritte dazu in ihrem und des Königs Nah— men zu thun, obgleich vorherzuſehen war, daß man in der gegenwärtigen Lage weder einen ehrenvollen nach vortheilhaften Frieden erhalten werde. Nach dieſem mit dem ſpaniſchen Staatsrath ge— troffenen Übereinkommen war der Hof von Brüſſel be⸗ müht, eine Unterhandlung mit der Regierung der vers einigten Provinzen einzuleiten. Aber dieſes Geſchäft war äußerſt ſchwierig, und erforderte die höchſte Vor— ſicht. Es wurden daher anfangs nur einige ganz entfernte Schritte gethan. Die erſten geſchahen ſchon im May 1606, wo der Droſt des Ländchens Keſſel, Wallrave von Wittenhorſt, auf Verlangen des Erzherzogs eine Reiſe durch Geldern und Holland machte, um die Stimmung der Gemüther über Krieg und Frieden in den vereinigten Provinzen zu erforſchen. Aber einige rechtliche und friedlich geſinnte Perſonen in Holland, denen er insgeheim die Abſicht ſeiner Reiſe eröffnete, gaben ihm den Rath: nicht eher etwas zu unterneh— men, als bis Prinz Moriz und verſchiedene der vornehm— ſten Mitglieder der Generalſtaaten, welche ſich mit ihm als Deputirte bey der Armee befanden, zurück gekehrt ſeyn würden. Er befolgte dieſen Rath, kehrte nach Bel— gien zurück, und kam im Chriſtmonath (1606), in Be: gleitung des Secretärs von Turnhout, Doctor Johann Gevaarts, wieder nach dem Haag. Jetzt ließen ſich bey⸗ de dem Prinzen Moriz, dem Advocaten Oldenbarneveld und einigen andern angeſehenen Staatsbedieuten vor- ſtellen, und eröffneten dieſen: Sie wären von den Erz⸗ herzogen Kraft einer Vollmacht vom 6. December be en. ARE: ae auftragt, die Provinzen zu verfichern , daß ihre 7 heiten keinen angelegentlicheren Wunſch hätten, als dem langen und blutigen Kriege ein Ende zu machen, und ihnen den Frieden zu ſchenken; die Rechte, wel⸗ che den Erzherzogen auf die Provinzen zuſtönden, wä⸗ ren den Generalſtaaten ſelbſt vollkommen bekannt, es käme daher, wenn fie von gleicher Neigung zur Wie: herſtellung der friedlichen Verhältniſſe beſeelt wären, nur darauf an, zu beſtimmen, welche Vertheile und Freyheiten ſie zu erhalten wünſchten; auch hätten ſie ſich vor allen Dingen darüber zu erklären, ob ſie einen definitiven Frieden oder einen temporären Waffenſtill— ſtand, eine geheime oder öffentliche eee ih⸗ rem Intereſſe angemeſſener hielten? Dieſe confidentielle Eröffnung machte einen ſehr verſchiedenen Eindruck auf diejenigen, denen ſie mit⸗ getheilt ward, und die Generalſtaaten ſelbſt waren an⸗ fangs zweifelhaft, was ſie bey der Sache thun, und ob fie ſich auf die Vorſchläge der erzherzoglichen Ge ſchäftsträger einlaſſen ſollten. Endlich ward beſchtoſſen, den letztern Gehör zu ertheilen, wenn ſie mit einem Creditio von ihren Committenten verfehen wären. Ge⸗ vaarts hohlte ſelbſt das verlangte Creditiv von Brüſſel, und am 15. Januar (1607) wurden die Bevollmaͤch⸗ tigten bey den Generalſtaaten zur Audienz gelaſſen. Sie überreichten ihr Beglaubigungsſchreiben, und wieder— hohlten darauf öffentlich den oben erwähnten Antrag: Nach viertägigen Berathſchlagungen ward ihnen (2). Januar) ein zweytes Gehör und folgende Antwort voll echt republikaniſchen Stolzes ertheilt: Die Gene: ralſtaaten müßten großes Bedenken tragen, ſich mit — 187 — den Erzherzogen in eine Unterhandlung über die fried⸗ liche Ausgleichung ihrer Streitigkeiten einzulaſſen, da dieſe noch immer ihrer ſegenchmten; Rechte und Anſprü⸗ che auf die unirten Provinzen gedachten. Die Erzher⸗ zoge hätten durchaus kein anderes Recht auf dieſe Pro⸗ vinzen, die ſich durch einen heiligen und unverletzlichen Bund frey gemacht, und in einen ſouveränen Staats— körper vereinigt hätten, als ein ſolches, welches ihnen der Sieg geben könne. Im Gegentheil wären die ver— einigten Provinzen berechtigt, die durch Intriguen oder Gewalt von ihrem Bunde abgeriſſenen Landſcheften zurück zu fordern. Andere Fürſten erkennten die nie— derlaͤndiſche Union für einen freyen und unabhängigen Staat; und ſo lange ihnen die Erzherzoge, dieſen Vor⸗ zug ſtreitig machten, und ſich auf eine Übertragung vermeintlicher und nicht anerkannter Rechte beriefen, wäre weder an Frieden noch Waſſenſtillſtand zu denken. Dieſe Antwort brachte Wittenhorſt nach Brüſſel, und ſie zeigte dem dortigen Hofe beſtimmt genug die Baſis, worauf die vereinigten Niederländer die Frie— densunterhandlungen gründen würden. Aber welche Selbſtverläugnung auch den Erzherzogen die Anerken— nung der verbundenen Provinzen für einen freyen und unabhangigen Staat koſten mochte, wie viel Schwie— rigkeiten fie auch vorher ſahen, die ſpaniſche Regie— rung zu gleicher Nachgiebigkeit zu bewegen, ſo waren ſie doch entſchloſſen, im aͤußerſten Fall auch dieſes Opfer der Nothwendigkeit zu bringen; und Witten⸗ horſt mußte auf ihr Verlangen den Generalſtaaten in ſeinem Nahmen ſchreiben: daß er überzeugt ſey, die Erzberzoge hätten keineswegs die Abſicht, bey der Un: — — 186 — terhandlung etwas zu gewinnen, ſondern fie wären bereit, alles in dem Zuftande zu laſſen, worin es jetzt ſey. j | Bey dieſen Erörterungen blieb es für jetzt. In den vereinigten Provinzen waren die Meinungen über den Frieden ſehr getheilt. Prinz Moriz und alle ho⸗ hen und niederen Officiere, die Kaufmannſchaft in Holland und Seeland, welche befürchteten, der Frie— de möchte den Handel wieder nach Antwerpen und den ſüdlichen Provinzen ziehen, und die Handwerker, wel— che für die Armee lieferten, waren größten Theils ent- ſchieden für die Fortſetzung des Kriegs geſtimmt. Ein anderer Theil der Nation ſehnte ſich zwar nach dem En— de der langen Fehde, aber er hegte noch immer das alte, von den Vätern ererbte Mißtrauen, daß der Spa— nier geheimer Zweck bey ihren Verſöhnungsanträgen die Wiederunterjochung der Republik ſey. Andere be— fürchteten, was Spinola hoffte, daß der Friede das Band der Eintracht unter den verbundenen Provinzen zerreiſſen, oder auch dem Flor des oſtindiſchen Han— dels weniger zuträglich ſeyn möchte als der Krieg. Der Advocat Oldenbarneveld, die meiſten Mitglieder der Generalſtaaten und die Mehrzahl der Einwohner in den Provinzen Geldern, Utrecht, Oberyſſel, Grönin— gen und Friesland waren dem Frieden geneigt. Der größere Theil unter den Mitgliedern der Generalſtaaten hatte den ſpaniſchen Druck nicht mehr ſelbſt gefühlt, und der glühende Haß der erſten Stif— ter der Revolution wider ihre ehemahligen Tyrannen war in der zweyten Generation weniger leidenſchaft— lich, und viele von ihnen wünſchten, die erworbenen „ 189 mm Reichthümer in Sicherheit zu genießen. Oldenbarne⸗ veld und die übrigen friedlich geſinnten Staatsmänner fanden daber wenig Schwierigkeiten, die Pluralität der Mitglieder für ihr Syſtem zu gewinnen, und das Collegium faßte, nach mancherley Debatten über die Anträge des Erzherzogs, folgenden Beſchluß: Da Eng⸗ land gar keinen Theil mebr an dem Kriege wider Spa⸗ nien nehme, und die Unterſtützung, welche der Staat von Frankreich erhalte, unzureichend, auch keine Hoff⸗ nung vorhanden ſey, die von der Union getrennten Provinzen dem Feinde wieder zu entreiſſen, ſo müſſe man den angebothenen Frieden annehmen, wenn man ihn mit Anerkennung der Freyheit und Unab⸗ hängigkeit erhalten könne. Freyheit und Unabhängig⸗ keit müffe daher die erſte und abſolute Bedingung ſeyn, und ehe dieſe nicht ohne alle Einſchränkung zugeſtan⸗ den wäre, müſſe man ſich in keine weitern Unterhand— lungen einlaſſen. a | Die Generalſtaaten fanden für nöthig „ dieſen Beſchluß ihrem Feldherrn Moriz mitzutheilen, der aus Mißtrauen gegen das ſpaniſche Cabinet, und aus ans dern Gründen eine große und entſchiedene Abneigung gegen eine Friedensunterhandlung hatte. Die Verei⸗ nigung der verſchiedenen Meinungen der Staatsbürger über dieſen Punct war ein äuferft delicates Geſchäft, weil die geringſte Unvorſichtigkeit und übereilung leicht die gefährlichſten Spaltungen in der Republik zur Fol⸗ ge haben konnte. Bey Erwägung dieſer Rückſichten und des tiefgewurzelten, nur zu gerechten Mißtrauen gegen die Argliſt der ſpaniſchen Regierung wird man ſich nicht wundern über den langſamen Ganz der nach⸗ W 190 e folgenden Unterhandlungen, und über die Umſtänd⸗ lichkeit und ſtrenge Förmlichkeit der Niederländer da- bey, worin ſich abermahls die ganze Eigenthümlichkeit des Volkscharakters ausſpricht. Oldenbarneveld wußte endlich den Prinzen Moriz zu überreden, daß er ſich wenigſtens zum Schein die Einleitung einer Friedens» unterhandlung mit dem Feinde gefallen ließ. Am 2. März (1697) langte im Dorfe Riswik unweit dem Haag, mit Genehmigung der General— ſtaaten, ganz insgeheim ein neuer Geſchäftsträger der Erzherzoge zur Fortſetzung der angefangenen Unter— handlungen an. Dieſes war der Pater Johann Ney⸗ en Provinzial: und Generalcommiſſär des Francisca⸗ ner = Ordens, ein kluger, gewandter und erfahrner Mann. Er war aus Antwerpen gebürtig, und hatte in Spanien ſtudiert. Sein Vater, Martin Neyen, ſtammte aus Seeland her, war ein warmer Anhänger des großen Prinzen von Oranien geweſen, und hatte ſich oft um deſſen Perſon befunden. Dem Sohne er— warben ſeine vorzüglichen Talente und eine ſcheinbare Offenheit und Geradheit überall Beyfall und Zutrauen. Der Erzherzog war ſein großer Gönner; auch in Spa⸗ nien ſtand er in mancherley wichtigen Verbindungen, und ſelbſt in Holland ſchätzte man ihn, beſonders Prinz Moriz, der ihm, als einem alten Bekannten ſeines Hau⸗ ſes, gewogen war. Dieſe perſömlichen Verhältniſſe des Paters erklären das ſonderbare Phänomen, daß der brüſ⸗ ſeler Hof einen Mönch von einem der ſtrengſten Orden zum Unterhändler in einer äußerſt ſchwierigen Angele⸗ genheit mit den e Bekennern des ah mus ernannte. | 1 N inter 191 Ne. Pater Neyen hielt ſich anfangs ſehr eingezogen zu Riswik. Bald nach ſeiner Ankunft ward er nach dem Haag, zu einer Unterredung mit dem Prinzen Moriz und Oldenbarneveld, eingeladen. Sie fand am ſpäten Abend bey verſchloſſenen Thüren Statt. Der Pater Commiſſär, welcher in weltlicher Kleidung er— ſchien, ward durch den Kanzler Aerſens eingeführt, und mit ausgezeichneter Achtung empfangen. Prinz Moriz reichte ihm nach niederländiſcher Sitte die Hand, und fragte ihn lächelnd: wie er ſich ohne irgend eine andere Sicherheit, als fein Wort, nich Holland unter die Geuſen (Gueux) habe wagen können? Neyen er⸗ wiederte: er ſey von der höchſten Achtung für fo erha⸗ bene Geuſen, als Seine Excellenz, durchdrungen! Man kam hierauf zu dem Gegenſtand ſeiner Sendung, und der Prinz forderte ihm ſeine Papiere ab, indem er ihm zugleich erklärte, daß an keine Communication wegen eines Friedens zu denken ſey, wenn nicht die Erzherzoge vorläufig die Freyheit der vereinigten Provinzen bes ſtimmt erklärten, und ſich entſchlöſſen, mit ihnen als mit einem ſouveränen Volke zu unterhandeln. Nach dieſer erſten hatte der erzherzogliche Ge— ſchäftsträger noch mehrere folgende Conferenzen mit dem Prinzen, dem Advocaten Oldenbarneveld und dem Kanzler Aerſens. Sie wurden immer des Nachts und mit Beobachtung des tiefſten Geheimniſſes gehalten, und Neyen machte dabey unzählige Erfahrungen von dem grenzenloſen Mißtrauen der Miederländer gegen die Aufrichtigkeit der gemachten Friedensanträge. Selbſt die Dogmen der katholiſchen Kirche und der alte Grund— ſatz: Haerelicis non est servanda fides, gaben * 192 we den Stoff zu neuen Zweifeln von der einen, und zu Widerlegungen von der andern Seite. Der Agent begab ſich hierauf nach Brüſſel, und ſtattete den Erzherzogen Bericht von den mit dem Prin— zen Moriz und Oldenbarneveld gehabten Conferenzen ab. Nach einer viertägigen Abweſenheit kehrte er wie⸗ der (1). März) nach dem Haag zurück, und überreich- te den Generalſtaaten eine von den Erzherzogen aus⸗ geſtellte Depeſche vom 13. März, deren Inhalt fols gender war: Die Erzberzoge verſichern, daß fie bereit ſind, um den Leiden des Kriegs ein Ende zu machen, mit den vereinigten Niederländern, als mit einem freyen und ſouveränen Volke, auf welches ſie keine Rechte und Anſprüche haben, über einen ewigen Frie⸗ den, oder, wenn die Generalſtaaten lieber wollen, über einen Waffenſtillſtand von funfzehn, zwanzig und meh: reren Jahren auf den gegenwärtigen Beſitzſtand bey⸗ der Theile zu unterhandeln; fie wollen zu ihren Bes vollmächtigten bey den Unterhandlungen gebohrne Nie⸗ derlander wählen, und ſchlagen zur Beförderung der— ſelben einen achtmonathlichen Waffenſtillſtand in Spa⸗ nien und den Niederlanden vor; endlich erwarten ſie, daß die Generalſtaaten ſich über die zu eröffnenden Un⸗ terhandlungen noch vor dem 1. des Herbſtmonaths müs her erklären, und Zeit und Ort derſelben beſtimmen. Dieſe Erklärung übertraf die Erwartung der Generalſtaaten, und veranlaßte deßhalb große Freu⸗ de; aber weit entfernt, ſich dadurch blenden zu laſ— ſen, fanden ſie vielmehr in der Bereitwilligkeit des Gegners, ihre Forderungen zu befriedigen, einen neuen Grund zum Argwohn, ſo wie zur höchſten Vorſicht. Sie Sie ſtellten daher in ihrer Antwort auf die von dem Agenten überreichte Depeſche folgende neue Forde— rungen auf: Fürs erſte ſollte der Erzherzog ſich vers pflichten, die Einwilligung des Königs zu dem abzu— ſchließenden Waffenſtillſtandstractat und zu der ge— ſchehenen Anerkennung der Unabhängigkeit der vereie nigten Provinzen binnen drey Monathen herbeyzu⸗ ſchaffen, welches die Sicherheit derſelben um fo mehr erfordere, da die von dem Könige beſoldeten Truppen in den Niederlanden als ſpaniſche betrachtet würden, da die feſten Plätze noch immer ſpaniſche Befehlshaber hätten, ünd in der Ceſſionsurkunde Philipp des Zwey— ten ausdrücklich beſtimmt ſey, daß die niederländiſchen Provinzen niemahls veräußert oder getrennt werden ſollten, welches mit der Entſagung und Saouveräni— täts⸗ Erklarung der Erzherzoge im offenbaren Wider- ſpruch ſtehe. Ferner verlangten ſie, daß der abzu— * ſchließende achtmonathliche Waffenſtillſtand, deſſen An— fang auf den 24. May feſtgeſetzt war, nur mit der Einſchränkung gelten ſollte, daß zwar während der Dauer desfelben keiner von beyden Theilen einen Ein— fall in das Gebieth des andern thun, keine Städte überfallen und belagern; und keine neuen Forts und Schanzen anlegen dürfe, die übrigen Feindſeligkeiten zu Lande aber fo wie der Seekrieg fortdauern ſollten. Nach einigen Widerſprüchen und Debatten bes willigte der Pater Commiſſar endlich im Nahmen ‚der Erzberzoge auch dieſe Forderungen der Generafftaas ten; der Waffenſtillſtandetractat ward nunmehr förm— lich abgeſchloſſen, und die darüber ausgeſtellten beyder— ſeitigen Urkunden wurden zu Brüſſel und im Haag Schillers Niederl. 3. Bb, BR. *. 194 . unterm 24. Aprill 2607 ausgefertigt. In der von den Generalſtagten ausgeſtellten, heißt es unter en» dern: Auch ſie wünſchten nichts mehr als das Ende der Drangſale des Kriegs, und da ſie hofften, daß dis Erzherzoge den ihnen zur Beendigung desſelben in ihrem eigenen und des Königs ven Spanien Nahmen gemachten Antrag, auf Treu und Glauben gethan hätten: ſo wäre von ihnen, als S Staaten freyer Lande und Provinzen, nach reiflicher überlegung und mit Zuziehung des Prinzen Moriz und bes Staatsraths, der vorgeſchlagene achtmonathliche Waffenſtillſtand an⸗ genommen worden. Sie erwarteten dagegen, daß auch die von den Erzherzogen verſprochene königliche Genehmigung dieſer Unterhandlung, und eine gleich— mäßige Unabhäͤngigkeitserklärung und Entſagung Sr. katheliſchen Majeſtät binnen drey Mane herbeyge⸗ ſchafft werden würde. Dieſer wichtige Präliminarvertrag , die erſte friedliche Demonſtration ;wener Parteyen, welche faft ein halbes Jahrhundert hindurch nur Feindſeligkeiten gegen einander ausgeübt hatten, brach der ganzen nachfolgenden Unterhandlung die Bahn. Unter dem nähmlichen Datum, da derſelbe ratificirt ward, mel⸗ deten die Generalſtaaten den einzelnen Provinzen die bisherigen Communicationen zur Einleitung einer Friedensverhandlung, und verordneten zugleich, um dazu den Segen des Himmels zu erbitten, einen all— gemeinen Bethtag. Durch dieſe Verfügung ward der geheimnißvolle Schleyer aufgehoben, mit welchem man dieſe diplomariſche Verhandlung bisher forgfältig bedeckt hatte, und nun erſt erhielt fie eine allgemei⸗ — 135 — ne Publicität „ und erregte das Intereſſe und die Ber; wunderung der ganzen cultivirten Welt. Man konnte ſich kaum überreden, daß es nach einer ſo langen und unverſöhnlichen Fehde und nach ſo oft vergebens wiederhohlten Friedensverſuchen, jetzt auf einmahl zwi⸗ ſchen dem Erzherzoge und den Generalſtaaten dahin gekommen ſey, daß der eine Theil ſo große Anerbie— thungen machen und der andere ihnen trauen ſollte. Der Gegenſtand dieſes Kriegs war nicht bloß den Po⸗ litikern und den Cabinetten der Fürſten wichtig, er be⸗ traf eine der ganzen Menſchheit theure Angelegenbeit; um ſo wärmer und allgemeiner war die Theilnahme, welche die unerwartete Entwickelung desſelben, die jetzt plötzlich als ſo nahe bevorſtehend e ward, erregte. Wie verſchieden indeß in den vereinigten Pro⸗ vinzen ſelbſt, die Anſichten und Meinungen in Hin— ſicht des Friedens waren, davon erhielt man ſchon an dem verordneten Bethtage die ſprechendſten Beweiſe. Mehrere Prediger erklärten ſich dafür und entwickel— ten in ihren Kanzel vorträgen die großen Vortbeile desſelben; andere erhoben ſich mit der größten Hef⸗ tigkeit dagegen und ſchilderten mit den lebhafteſten Farben die nachtheiligen Folgen, welche davon zu er⸗ warten wären. Die Rhetorik, dieſer Apoſtel des Kriegs, machte tiefen Eindruck auf die Gemüther ih— rer Zuhörer, ein großer Theil der Friedlichgeſinnten ward ungeſtimmt und felbit- mehrere Mitglieder der Generalſtaaten fingen an, ihre Zuſtimmung zu den Unterhandlungen zu bereuen. Es gab daher auch ſehr kenſtliche Discuſſionen, als der Pater Nepen auf eine N 2 e 196 . genauere Beſtimmung und Ausdehnung des Waffen⸗ ſtillſtandes und auf die Zurückberufung der Flotte drang, welche unter dem tapfern Heemskerk den Sieg bey Gibraltar erfochten hatte. Endlich ward denn doch beſchloſſen, die Flotte zurück zu rufen, ſo bald die Veſtatigung des mit den Erzherzogen geſchloſſenen Stillſtandsvertrags vom ſpaniſchen Hofe eingegangen ſeyn würde, und der Waffenſtillſtand ward auf die europäiſchen Meere ausgedehnt, und durch eine De— marcationslinie dergeſtalt näher beſtimmt, daß die außerhalb der Grenzen derſelben liegenden Diſtricte, jedoch mit Ausnahme der Städte und feſten Plaͤtze, den Feindſeligkeiten ausgeſetzt blieben. Am 15. des Brachmonaths verließ der erzherzog⸗ liche Agent den Haag, und ging nach Brüſſel, und von da nach Spanien, um die Beſtätigung des Kö— nigs zu hohlen. Vor ſeiner Abreiſe aus Holland machte er dem Kanzler Aerſens, einem Manne von großem Anſehen in den vereinigten Provinzen, ein koſtbares Geſchenk im Nahmen des Marcheſe Spinola, welches jener zwar annahm, aber es den Generalſtaaten aus— lieferte, die es in der Folge wieder zurückgeben ließen; ein Vorfall, der, weil er das Anſehen einer verſuch— en Beſtechung hatte, mehr Aufſehen machte, als er vielleicht verdiente. / Es gab keinen Staat in Europa, ber 1 ei⸗ nen näheren od er entfernteren Antheil an den Vorfäl— len in Holland genommen hätte. Aber von allen die— fen Mächten waren England und Frankreich am mei⸗ ſten bey den Ereigniſſen und dem Schickſale der ver— einigten Pro vinzen intereſſirt, nicht nur wegen der ug nahen Nachbarſchaft und der daraus entſtehenden natürlichen und politiſchen Verhältniſſe, ſondern auch in Rückſicht gewiſſer zufälliger Plane, welche die Höfe von London und Paris in Hinſicht der verei⸗ nigten Provinzen hatten, und die an den eingelei— teten Friedensunterhandlungen zu ſcheitern droheten. Philipp der Dritte hatte ſich einſt verlauten laſſen, daß er geſonnen ſey, ſeiner Tochter, nach dem Tode der Erzherzoge, die Niederlande abzutre— ten, wenn ſie die Gattinn des engliſchen Thronerben würde. Jacob, der dieſe Außerung für aufrichtig hielt, beſchloß, für ſeinen Sohn um die Infantinn zu werben, und hoffte dadurch die niederländiſchen Provinzen an fein Haus zu bringen. Dieſe Speculas tion hatte ihn veranlaßt, im Jahre 1606 die Gene: ralſtaaten zu ermahnen, unter ſeiner Vermittelung mit Spanien Frieden zu ſchließen. Aber ſeine Aner— biethungen fanden kein Gehör. Um ſo unangenehmer war es ihm, daß ſie jetzt ohne ſeine Einwirkung über den Frieden unterhandelten. Dieſelben Abſichten, als Jacob, hatte auch König Heinrich der Vierte von Frankreich auf die vereinigten Provinzen; nur ſuchte er ſie auf einem andern Wege zu erreichen, als jener. Auch er wünſchte ſie mit ſeiner Krone zu vereinigen, und ein Gerücht, welches da— mahls in den Niederlanden umherging, ſagte: der König habe den Generalſtaaten den Antrag gemacht, ihn für den Souverän der vereinigten Provinzen zu erkennen, welchen ſie aber abgelehnt hätten; denn es waren jetzt nicht mehr die Zeiten, wo die Niederlän— der die Oberherrſchaft Frankreichs und Englands über sa 198 e ſich als eine Gnade erbathen. Wie dem auch ſey, Heinrich ſcheint wenigſtens ſein Project noch kurz dor der Friedensunterhandlung lebhaft verfolgt, und es auch im Anfange derſelben noch nicht aufgegeben zu haben. Auch er war überraſcht und beleidigt durch die Nachricht von dem ohne ſein Vorwiſſen abgeſchloſſe⸗ nen Waffenſtinſtand. Er ſandte deßhalb den Präſi⸗ denten Jeannin und La Place de Rüſſi, als Borh⸗ fhafter nach Holland, um in ſeinem N abmen bey den Generolſtaaten über ihr einſeitiges Verfahren Be ſchwerde zu führen, den Verhandlungen, wenn ſie weiter gedeihen ſollten, beyzuwohnen und nicht zu⸗ zugeben, daß etwas zum Nachtheil der Provinzen und ihrer Bundesgenoſſen abgeſchloſſen werde. Was des Königs geheime Abſichten betrifft, fo ſcheint er darüber noch keinen feſten Entſchluß gefaßt gehabt zu haben. Wahrſcheinlich wollte er erſt die Neigung der Gemü⸗ ther und die Lage der 3 in Holland Age laſſen. 5 Am 28. May (160) hatten die franzöſiſchen | Bothſchakter ihr erftes Gehör bey den Generalſtaaten, und eröffneten ihnen die Unzufriedenheit des Königs und zugleich feinen Wunſch, ihr Intereſſe zu beför— dern. Die Generalitanten, denen die Erhaltung der bisherigen freundſchaftlichen Verhä Itniffe mit dem pas rifer Cabinette von großer Wichtigkeit war, fandten Oddenbarneveld nach Frankreich, um ihr Verfahren bey dem Könige zu entſchuldigen. Der Geſandte ſtellte dem Könige vor: daß die höchſt ungünſtige La⸗ ge, worinn ſich die Finanzen der Republik befän: den, da ſie allein an die inländiſchen Gläubiger über wen 190) wu 1,500000 Thaler jährlicher Zinſen zu bezahlen habe, ihr eine Ausſöhnung mit Spanien zum dringenden Bedürfniß mache, weßhalb die Generalſtaaten den angetragenen Waffenſtillſtand nicht hätten ablehnen können; — und der Monarch ſchien durch dieſe Gründe befriedigt. Auch an Jacob den Erſten, wel— cher ebenfalls ſeine Empfindlichkeit geäußert hatte, ward eine Geſandtſchaft geſchickt, wozu Johann Bergk, Syndicus von Dordrecht, und Johann von Maldere gewählt wurden. Sie erhielten am 18. Julius Aur dienz und der König nahm nicht nur ihre Entſchuldi⸗ gung der Generalſtaaten mit Wohlgefallen auf, ſon— dern verſprach auch feine thätige Unterſtützung bey den eingeleiteten Unterhandlungen. Bald darauf lang— ten Richard Spencer und Ruvolf Winwood als eng— liſche Gefandien im Haag an, und beyde Monar— chen, der franzöſiſche und engliſche, verſprachen das ihnen angetragene Vermittlungsgeſchäft bey der Frie— densunterhandlung zu übernehmen. Noch vor der Ankunft der engliſchen Geſand— ten im Haag und waͤhrend man dort die Beftätie gung des ſpaniſchen Hofes erwartete, vor deren: Ein⸗ gang keine weiteren Schritte in Hinſicht der Frie— densverhandlung gethan werden konnten, hatten die franzöſiſchen Bothſchafter häufige Conferenzen mit den dazu ernannten Deputirten der Generalſtaaten, vorzüglich aber mit dem Prinzen Moriz und Olden— barneveld. Der Gegenſtand derſelben war, die Erör⸗ terung der Frage: was zu thun ſey, wenn entweder der ſpaniſche Hof die verlangte Beſtätigung ertheilte, oder wenn er, wie die meiſten glaubten, fie verwei— mem, 200 nass gern ſollte? Der franzöſiſche Bothſchafter, Präſidend und Staatsrath, Pierre Jeannin Baron von Montjeu, aus Autin in Burgund geburtig, ein aufgeklärter und vollendeter Staatsmann, dem wir die wichtig— ſten und genaueſten Nachrichten von dieſer Friedens- unterhandlung, bey welcher er eine Hauptrolle ſpiel- ‚te, verdanken, machte ſehr bald die Bemerkung, daß Oldenbarnereld mehr für den Frieden, Prinz Moriz dagegen mehr für die Fortſetzung des Kriegs geſtimmt war. Die Generalſtaaten außerten, daß fie auf den Fall, daß der ſpaniſche Hof die verlangte Bertätigung des Waffenſtillſtandes und der Sonveränitätserklä⸗ rung verſagen ſollte, den Krieg fortzuſetzen entſchloſ⸗ ſen waͤren, und bathen den König von Frankreich, ſie auf dieſen Fall mit vier Millionen jährlicher Hülfs— gelder zu unterſtützen. Prinz Moriz war nicht dieſer Meinung. Er arbeitete vielmehr dahin, daß, ohne ſich auf einen gefährlichen Frieden einzulaſſen, deſſen gewiſſe Folge Zwietracht in den vereinigten Provinzen ſeyn werde, beyde Könige von England und Frank— reich Spanien öffentlich den Krieg erklaren, und ihn gemeinſchaftlich mit den vereinigten Niederländern fortſetzen ſollten, um mit verbundenen Kräften die Spanier ganz aus den Niederlanden zu vertreiben. Was die ſchon oben erwähnten geheimen Abſichten des franzöſiſchen Monarchen auf die Niederlande be— trifft, fo ſcheint es, daß er ſolche in dieſem Augene blick entweder ganz aufgegeben, oder ſie doch ſehr be— ſchränkt habe. Vielleicht fanden auch feine Geſchäfts⸗ träger die Ausführung derſelben mit zu großen Schwierigkeiten verknüpft. Oldenbarneveld, dem des Pr wen 201 wm Königs Plane nicht unbekannt waren, hatte zwar einft gegen Jeannin, um ihm etwas Angenehmes zu ſa⸗ gen, geäußert: wenn vielleicht die Niederländer eins mahl ihre Staatsverfaſſung abänderten, und die Re— publik in ein Fürſtenthum verwandelten, ſo wurden fie ſich gewiß vor allen andern den König von Frank: reich zum Souverän erwählen. Aber ganz anders er: klärte ſich Prinz Moriz über dieſen Gegenſtand gegen den Geſandten; denn nachdem er ihm die Unthun⸗ lichkeit des Vorſchlags, die vereinigten Provinzen der Krone Frankreich zu unterwerfen, dargethan hatte, beſchloß er ſeinen Vortrag mit den Worten: Ich für meinen Theil will die Niederländer dahin bringen, lieber Spanier als Franzoſen zu werden. Indeß war die allgemeine Erwartung in den vereinigten Provinzen auf die von den Erzherzogen verſprochene königliche Beſtätigung geſpannt. Schon war die zur Beybringung derſelben beſtimmte drey— monathliche Friſt verſtrichen, ohne daß man die ge— ringſte Nachricht darüber erhalten hatte, und die Mei— nung derer, welche die Einwilligung des Königs von Spanien bezweifelten, ſchien ſich vollkommen zu be: ſtätigen; als endlich wider alles Erwarten der Audien— zier Verreyken von Brüſſel, im Haag (1607. 25. Jul.) ankam, und den Generalſtaaten die verlangte königliche Erklärung überreichte. Aber das darüber ausgefertigte Document entſprach den Erwartungen der niederländi-⸗ ſchen Volksrepräſentation weder in Hinſicht des Mate— riellen, noch der Form. Der Inhalt ſchien überall zu vag und unbeſtimmt, beſonders war die Anerkennung der Freyheit und Unabhängigkeit des niederländiſchen — 2022 Bundesvereins in zwerdeutigen und doppelſinnigen Ausdrücken abgefaßt, und die Erzberzoge wurden in der Acte ohne alle Einſchränkung Fürſten und oberſte Eigener der niederländiſchen Provinzen genannt. Noch zahlreicher waren die Mängel, welche man an der Form des Documents rügte. Es war in ſpaniſcher Sprache abgefaßt, auf gewöhnlichem Papier und nicht auf Pergament geſchrieben, jtatt des königlichen Nah⸗ mens mit den Worten: Yo el Rey, unterzeichnet; und nur mit dem kleinen Siegel des oa vers ſehen. 10 Nach mancherley Berathſchlagungen, weißen dis Generalſtaaten durch mehrere Sitzungen beſchaftigten, ward Verreyken erſucht, vor der Verſammlung zu er⸗ ſcheinen. Man gibt ihm das Document zurück „indem man ihm zugleich alle dagegen gemachten Ausſtellun⸗ gen vorzahlr, und erklärt endlich, daß man mit der gegenwärtigen Urkunde nicht zufrieden ſeyn könne, ſondern eine andere zu haben wünſche, wozu man ihm einen Entwurf in lateiniſcher, niederlaͤndiſcher und franzöſiſcher Sprache mittheilt, mit der Bemerkung, 5 daß ein Exemplar der nach dieſer Vorſchrift ausgefer⸗ tigten neuen Acte mit dem Nahmen des Königs un: terzeichnet ſeyn müſſe. Übrigens wird ihm die Verſiche⸗ rung ertheilt, daß der Waffenſtillſtand und alles übri— ge in der gegenwärtigen Lage bleiben fol, wenn die Erzherzoge die Ausſtellung der verlangten abgeänder— ten Urkunde binnen ſechs Wochen bewirken wollen. Verreyken entſchuldigte die Mängel des zurück⸗ gegebenen Documents, mit der Unachtſamkeit des Con: eipienten, und verſprach ein anderes beyzubringen, an nenn 205 „ welchem den Generalſtaaten nichts zu wünſchen übrig ſeyn ſollte, jedoch unter der abſoluten Bedingung, unverzüglich ihre Flotte von der ſpaniſchen Küſte zurück zu rufen, worauf der König durchaus beſtehe. Die Generalſtaaten verſprachen den Wunſch Sr. ſpaaiſchen Majeftät zu erfüllen, Am 12. Auguſt reiſte Verreyken nach Bruͤſſel zu⸗ rück, und der Pater Commiſſär Neyen ging abermahl nach Madrid, um die zweyte Ratification auszuwir— ken. Die niederländiſche Flotte, welche unter dem bel: denmüthigen Heemskerk bey Gibraltar geſiegt, und die ſpaniſchen Küſten in Schrecken geſetzt hatte, erhielt Befehl zur Rückkehr, und am 25. des Weinmonaths kamen Neyen und Verreyken mit der We er ſtätigungsacte nach dem Haag. Dieſes zweyte Document war zu Maprid unterm 18. September ausgeſtellt, und ſtimmte in den meiſten Puncten mit dem von den Generalſtaaten gemachten Entwurf überein. Es hieß darin: der König geneh⸗ migt, zu Folge des von den Erzherzogen ertheilten Verſprechens, daß mit den vereinigten niederländiſchen Provinzen, als mit einem freyen und unabhängigen Staate, auf den er keine Rechte und Anſprüche hat, über dem Frieden unterhandelt werde, und beftätigt zu— gleich den geſchloſſenen Waſfſenſtillſtand. Sollte aber der Haupttractat über einen Frieden oder langen Waffen⸗ ſtillſtand worin die gegenſeitigen Forderungen in' Re⸗ ligions - und andern Angelegenheiten auszugleichen, find, nicht zu Stande kommen: fo fol diefe Beſtätigung ohne Wirkung und als nicht geſchehen anzuſehen ſeyn, der König nichts von ſeinen Rechten verlieren, und überall das gegenwärtige ute wieder eintreten. übrigens war dieſe zweyte Urkunde, gleich der erſten verworfenen, wieder nur auf Papier, und über dieß ſehr ſchlecht geſchrieben, in ſpaniſcher Sprache und mit der Unterſchrift: Yo el Rey ausgefertigt, und verſchiede⸗ ne einzelne Worte waren ausgelaſſen, oder doch nicht nach dem Verlangen der Generalſtaaten geſtellt. Dieſe abermahligen Mängel und vorzüglich die Finalclauſel, wodurch die königliche Anerkennung der Freyheit der vereinigten Provinzen nur bedingungs⸗ weiſe erklärt, und von einem Vertrage abhängig ge⸗ macht, ward, deſſen Abſchluß höchſt ungewiß war, wur⸗ den ein neuer Anſtoß für die Generalſtaaten, und es kam vorzüglich durch die Einwirkung der Gegner det Friedens dahin, daß das neu ausgeſtellte Document abermahls verworfen, und eine Beſtätigung der In⸗ dependenz, ohne den verhaßten Zuſatz, gefordert ward. Vielleicht trieben die Generalſtaaten ihre Bedenklich⸗ keiten zu weit; aber es liegt im Charakter eines han⸗ delnden Volks von einem Staatsdecument „ dem es Glauben geben ſoll, die ganze Förmlichkeit und Wort⸗ beſtimmtheit eines Creditbriefs oder Wechſels zu ver⸗ langen, und außer dem iſt die bekannte Argliſt ihrer Feinde, von welcher ſie ſo manche ſchmerzhafte Erfah⸗ rung gemacht hatten, eine vollgültige Rechtfertigung ihres großen Mißtrauens gegen alles, was vom ſpa⸗ niſchen Hofe kam. Was übrigens die den Niederländern fo anſtößige Form der Urkunde betrifft, fo war ſie der ſpaniſchen Etikette gemaͤß. Der König von Spanien ſchrieb in derſelben an alle chriſtlichen Mächte, und ſelbſt die Frjedensſchlüſſe von Vervins und London waren auf — 205 — keine andere Weiſe genehmigt worden. In Hinſicht des Materiellen weigerten ſich die erzherzoglichen Geſchäfts⸗ träger ſtandhaft, eine andere Acte beyzubringen. Ihre Weigerung veranlaßte endlich die General⸗ ſtaaten, nachdem fie über die zweckmäßigſten Maßre⸗ geln mit dem Prinzen Moriz berathſchlagt hatten, (3. November) zu erklären: daß zwar die königliche Rati⸗ fication dem gegebenen Verſprechen nicht völlig gemäß ſey, daß ſie jedoch, um ihrerſeits das Friedensgeſchäft ſo viel als möglich zu befördern, ſolche nicht eigen— mächtig verwerfen, fondern die Entſcheidung der Fra— ge: ob ſie anzunehmen ſey oder nicht? den Staaten der einzelnen Provinzen überlaſſen, und nach ſechs Wochen ihre Meinung darüber bekannt machen wollten. Dieſem Beſchluß zu Folge begaben ſich (20. No⸗ vember) die außerordentlichen Deputirten der Provin— zen bey der Verſammlung der Generalſtaaten in ihre Landſchaften, um dort ihren Committenten die aufge— ſtellte Frage vorzulegen, und deren Meinung darüber einzuhohlen. Sie hatten Befehl, nach Ablauf eines Monaths mit der Erklärung der Provinzen zurück zu kehren, und die Bevollmächtigten der Erzherzoge gin— gen (December) nach Brüſſel, um dort die Entſchei— dung abzuwarten. Dieſe Entſcheidung erfolgte in der großen Finalverſammlung der Generalſtaaten am 25. December. Das Gutachten der Provinzen, mit wel— chem die Deputirten derſelben wenige Tage zuvor nach dem Haag zurück gekehrt waren, gingen faſt allge— mein dahin: daß tros der Mängel des ſpaniſchen In- ſtruments doch die Friedensunterhandlung zu eröffnen ſey, als Baſis derſelben aber müſſe die Anerkennung EN 206 e. der Independenz angenommen, und durchaus nichts eingeräumt werden, was der Souveränität, der herr— ſchenden Religion und dem bürgerlichen Wohl der ver— einigten Provinzen nachtheilig ſey. Dieſes Gutachten legten die Waere in der vorhin erwähnten Verſammlung, bey ihren Bes rothſchlagungen zum Grunde, und es gab reichhaltigen Stoff zu den heftigſten Debatten zwiſchen der friedlies benden und kriegeriſchen Partey unter den Mitgliedern. Oldenbarneveld, das Haupt und die Seele der erſteren rieth mit eindringenden Gründen zu friedlichen Maß⸗ regeln. Ihm genüge die Ratification des ſpaniſchen Hofes, ſagte er, und er halte ſie für zureichend, weil die Anerkennung der Independenz der Republik deut— lich und klar darin ausgedrückt ſey. Die Sache, wo— von hier die Rede wäre, ſey überdieß keinem Zweifel unterworfen; denn die ganze Welt erkenne ihre Sou— veränität. Darum müſſe man nicht länger über Worte und unweſentliche Förmlichkeiten ſtreiten, ſondern bes reitwillig die ſich darbiethende Gelegenheit zur Been— digung des Kriegs ergreifen, um der Staatsverfaſ— ſung mehr Conſiſtenz zu geben, und die Republik von einer ungeheuern Schuldenlaſt und von der Abhängig- keit von fremden Mächten, worin der Krieg ſie erhal— te, zu befreyen. Das Reſultat der Berathſchlagungen, war endlich folgender Beſchluß: die Generalſtaaten tre— ten der Meinung der einzelnen Provinzen bey, ſie neh— men die Natiſication als gültig an, werden ſich aber auf keinen Veegleich mit dem Gegner einlaſſen, wenn nicht gleich im erſten Artikel die Souveränität des Staats beſtimmt, und deutlich anerkannt wird, auch — 207 im Betreff der inneren Staats- und kirchlichen Ans gelegenheiten durchaus nichts einraͤumen, was mit der Unabhängigkeit unverträglich ist | Der gefaßte Beſchluß nd unverzüglich den Erz⸗ berzogen mitgetheilt, und ihnen zugleich angezeigt, daß die Generalſtaaten nunmehr die Ankunft der Frie⸗ dens bevollmächtigten im Haag erwarteten; fie ihrer— ſeits würden ſieben bis acht Perſonen zu den Unter— handlungen autoriſiren, wenn die Erzherzoge eine gleiche oder geringere Anzahl und zwar geborne Nie— derländer dazu beſtimmen wollten. Dabey ſchlugen ſie, weil der achtmonathliche Stillſtand am 4. Januar 1608 zu Ende ging, eine Verlängerung desſelben auf vier bis ſechs Wochen vor, welche nachher auf drey Monathe feſtgeſetzt ward. So wurden nach und nach die Hinderniſſe hin⸗ weg geräumt, welche der Friedenunterhandlung bis— ber im Wege geſtanden hatten. Jetzt langten auch im Haag die Geſandten mehrerer auswärtiger Für— ſten an, welche von den Generalſtaaten eingeladen worden waren, an dem künftigen Friedenscongreß Theil zu nehmen. Der König von Dännemark ſandte den Reichsrath Jacob von Uhlefeld und Jonas Charius, der Churfürſt von Brandenburg den Geheimenrath Hieronymus von Dieskau, der Chur fürſt von der Pfalz den gelehrten Hippolitus a Collibus, (Hügel) und von beſſiſcher Seite erſchien Johann von Burg. Die deut— ſchen Geſandten empfahlen den Generalſtaaten, im Nahmen ihrer proteſtantiſchen Fürſten, vorzüglich: die Entſchädigung des Hauſes Naſſau und der durch den Admiral Mendoza fo hart gefährdeten Reichslän— e 208 eva der, und die gänzliche Abſtellung des auen Cul⸗ tus in den vereinigten Provinzen. Kaiſer Rudolph, welcher ſich früher ſo oft zum Vermittler der Streitigkeiten zwiſchen den vereinigten Niederländern und der ſpaniſchen Regierung aufge— worfen hatte, nahm jetzt, da es endlich beyden Par— teyen ernſtlich um eine Ausſöhnung zu thun zu ſeyn ſchien, gar keinen Theil an den Unterhandlungen, und ſandte auch keinen Bevollmächtigten zur Bey⸗ wohnung des Congreſſes. Dagegen hatte er bereits unterm g. des Weinmonaths (1607) ein Schreiben an die Stagten von Holland, Seeland und der mit ver— einigten Provinzen erlaſſen, worin er ihnen ſeine Verwunderung ausdrückte, daß ſie ihm nicht die ge— ringſte Anzeige von einer ſo hochwichtigen Sache, als dieſe Friedenshandlung ſey, gemacht hätten, da doch die niederlandifhen Provinzen zum Reiche gehörten. Er warnte ſie hierauf, ohne ſeine, als des Oberlehns— herrn, Einwilligung etwas zu unternehmen, was mit der Feudalverbindung ſtritte, weil es außer dem un— kräftig und ohne Wirkung ſeyn würde. Dieſes ſonderbare Schreiben machte nicht gerin— ges Aufſehen, und viele Mitglieder der Generalſtaa— ten, welche dem Hauſe Oſtreich durchaus nicht trau⸗ ten, geriethen ſogar auf den Argwohn, daß es damit wohl gar auf die gänzliche Wiederauflöſung der ange— fangenen Unterhandlungen abgeſehen ſeyn möchte. Indeß ſcheint lediglich der Unwille des Kaiſers, daß er bey der Einleitung derſelben ganz übergangen worden war, die Veranlaſſung dazu geweſen zu ſeyn. Die Generalſtaaten antworteten ihm unterm 2. Januar (1608): N * 209 . (2608): Sie würden nicht verſäumt baben, ihm von der eingeleiteten Friedensverbandlung Nachricht zu ge. ben, wenn ſie nicht dorausgeſetzt hätten, daß ſol⸗ ches bereits von Seiten des Königs don Spanien oder der Erzherzoge geſchehen ſey. Übrigens hätte Se. kaiſerliche Majeſtät nie, auf ihre beym Reichstage angebrachten Beſchwerden wider die ſpaͤniſchen Be— druckungen geachtet, und die von den kaiſerlichen und Reichscommiſſarien im Jahre 1579 eingeleiteten Friedeusunterbandlungen wären fo wenig von gün⸗ ſtigem Erfolg für fie geweſen, daß die Spanier ſogar während derſelben ihre Gewalkthätigkeiten fortgeſetz hatten. Nach dieſem fruchtloſen Jerſuch durch Sr. kaiſerlichen Maleſtät und des Reichs Vermittelung von der ſo lang erduldeten Tyranney befreyt zu werden, hätten fie mit den Waffen in der Hand ihre Frepheit wider die Unterdrücker behauptet, den König von Spa⸗ nien der Böerherrſchaft über die Niederlande entſetzt, und ihre Unabhängigkeit ſey dorauf von den europai⸗ ſchen Mächten und neuerlich ſelbſt von den Erzherzo⸗ gen anerkannt worden. Sie ſchmeichelten ſich jetzt mit der gerechten Hoffnung, daß Se. kaiſerliche Majeſtät zur Beförderung des Friedens mitwirken würden. Der in dem Schreiben des Kaiſers erwähnten Lehns⸗ pflicht ward gar nicht gedacht. Auch an den König von Spanien und den Erzherzog waren ähnliche, die Rechte des Kaifers und Reichs betreffende, Schreiben ergan⸗ gen, welche ebenfalls gehaltsleere Phraſen und die Verſicherung enthielten, daß man nichts den Rechten eines Dritten Nachtheiliges unternehmen werde. Schillers Niederl. 8. Bd. eh | were 210 run Am 7. Januar 1608 kehrten die niederländifchen Trompeter, welche den Beſchluß der Generalſtaaten vom 23. des Cheiſtmonaths nach Brüſſel gebracht hat— ten, mit dem Antwortſchreiben der Erzherzoge zurück. Die Generalſtaaten wurden darin „Unſere ſehr theuern und guten Freunde” (tres chers et bons amis) 4% nannt, und die Erzherzoge meldeten ihnen, daß fie die vorgeſchlagene Verlängerung des Waffenſtillſtandes auf ſechs Wochen annehmen, und daß ihre Bevoll— mächtigten zum Friedenscongreß am 15. Januar nach Antwerpen abgehen würden. Indeß man nun in den vereinigten Provinzen die Ankunft dieſer Bevollmächtigten, welche durch den uns gewöhnlich ſtrengen Winter über die beſtimmte Friſt verzögert ward, erwartete, ward im Haag ein anderes diplomatiſches Geſchäft zu Stande gebrocht. Die Ges neralſtaaten erſuchten, vorzüglich auf Oldenbarnevelds und Jeannin's Einwirkung, die franzöſiſchen und eng⸗ liſchen Miniſter, ihren Souveräns den Antrag zu ma⸗ chen, daß fie die Gewährleiftung des abzuſchließenden Friedens übernehmen, und für den möglichen Fall, daß kein Friede zu Stande käme, ſondern der Krieg fortdauere, eine Defenſivallianz mit der Republik ein⸗ gehen möchten. Die engliſchen Geſandten erklärten ſich zur Annahme der Gewährleiſtung bereit, den Ans trag wegen eines abzuſchließenden Bündniſſes aber lehnten ſie unter dem Vorwande ab, daß es damit noch Zeit wäre, wenn alle Hoffnung zum Frieden ver— ſchwunden ſey. Dagegen genehmigte der franzöſiſche Monarch die angetragene Allianz, welche (1608, 23. Januar) auch bald darauf unter nachfolgenden Bedin— 211 rum gungen abgeſchloſſen ward. Der König verſpricht den Generalſtaaten im Fall eines feindlichen Angriffs 10500 Mann Hülfstruppen, welche ſie in äbnlichen Fallen durch 5000 Mann oder eine verhältnißmuͤßige Anzahl von Kriegsſchiffen erwiedern wollen; jedes der beyden Nationen genießt in den eutopdiſchen Beſitzungen der andern gleiche Handelsrechte mit den Eingebornen, und entrichtet dieſelben Abgaben. Dieſes Bündniß, größten Theils Oldenbarneveld's Werk, ward von den Generalſtaaten in der gegenwär— tigen Criſis, worin das Schickſal des Staats ſich bde⸗ fand, für ein ſehr glückliches Ereigniß gehalten, und erweckte große Freude und eine hohe Achtung für den franzöſiſchen Monarchen. Wie auch die Friedensunter⸗ handlungen endigen mochten, ſo konnten ſie jetzt mit. Ruhe ihrem Ausgange entgegen ſehen; denn im ſchlimmſten Fall ſtand die Macht eines treuen und mͤch⸗ tigen Bundesgenoſſen zu ihrer Unterſtützung bereit, eines Bundesgenoſſen, der nach den Grundſaätzen ei⸗ ner richtigen Politik nie zugeben durfte, daß die ver— einigten niederländiſchen Provinzen wieder unter die Herrſchaft Spaniens zurückſanlken. Alles ward jetzt zum Friedenskongreß vorbereitet. Zu Bruſſel und im Haag wurken große Anſtalten das zu zetroffen, und mit jedem Tage erwartete man in Holland die Ankunft der erzherzoglichen Bochſchefter. Trotz dieſer friedlichen Zurütſtungen von beyden Seiten, batte jedoch der kleine Krieg nicht aufgehört, denn die Kriegsleute waren in den geſchloſſenen Waffenſtillſtand nicht mitbegriffen; eine den Grundſatzen der Menſch⸗ lichkeit wenig zuſagende Einſchränkung, von welcher | O 2 ren 212 un ſich überdieß nicht einmahl irgend ein vernünftiger Grund, der ſie entſchuldigen könnte, angeben läßt. Es fielen daher noch immer von Zeit zu Zeit Feindſelig⸗ keiten und Blutſcenen vor, die durchaus zu nichts füh— ren konnten, und nur einzelne Unglücktiche machten; bey einer derſelben ward der Befehlshaber von Grave auf der Maas gefangen, und bey einer andern auf dem Thielerward der niederländiſche Oberſt Di Bois er⸗ ſchoſſen. Auch Graf Adolph von Naſſau, ein blühen⸗ der und hoffnungsvoller Jüngling, des Grafen Johann Enkel, verlor bey Rheinbergen in einem dieſer zwecklo⸗ ſen Gefechte (1608) das Leben; aber ſeine Reiter, die ſich anfangs zerſtreut hatten, ſammelten ſich wieder, und rächten feinen Tod durch die Niedermetzlung eines großen Theils der feindlichen Partey. Die letzten Blut⸗ ſcenen dieſer Art war ein Reitergefecht in dem Flecken Mühlheim. Die Niederländer trugen den Sieg dapon, aber ein Theil des Orts ſank in Aſche. | | Don Diego d' Ibarra, welcher zur Wiederherſtel⸗ lung der Kriegszucht unter dem ſpaniſchen Heere in den Niederlanden, und zur Einführung einer beſſeren Staats- wirthſchaft aus Spanien nach Brüſſel geſandt ward, beſtimmte die Erzberzoge, einen Theil des Kriegsvolks zu entlaſſen, und alle Aufrührer unter demſelben bey harter Lebensſtrafe aus ihren und des Königs von Spanien Landen zu verbannen. Auch die Generalſtaa— ten nahmen aus Spar ſamkeit eine Reduction ihrer Truppen vor, und die Verabſchiedeten wurden größten Theils von dem damahls im Haag befindlichen Geſand— ten König Carl des Neunten von Schweden in Sold genommen, um gegen die Pohlen zu dienen. win 215 m In- den letzten Tagen des Januars 1608 ver⸗ tießen endlich die zum Friedenscongreß bevollmäch⸗ tigten ſpaniſchen und erzherzoglichen Boihſchaftes mit einem zahlreichen und glänzenden Gefolge Brüſſel, und traten die Reiſe nach Holland an. Die Geſandtr⸗ ſchaft beſtand aus fünf Perſonen. Das Haupt derſelben war Don Ambroſio Spinola, Grand von Spanien, und königlich ſpaniſcher Staats- und Kriegsrath, Generalfeldmarſchall, Ritter des goldenen Pließes und oberſter Feldherr in den erzherzoglichen Niederlanden, welcher ietzt den Ohlzweig mit dem Schwerte vertauſchte, weil die Wirkungen des letztern, fo kräftig er es auch zu führen verſtand, ſeinen Erwar— tungen nicht entſprochen hatten. Die übrigen Both ſchafter nach ihrem Range waren: Johann Richardot Herr von Barlay, aus Hochburgund gebürtig, Mit— glied des Staatsraths und Oberpräſident des erzher— zoglichen geheimen Raths, ein geſchickter Diplomatiker und eigentlich des Erzherzogs erſter Miniſter, Don Juan de Mancicidor, ein Spanier, Kriegsrath und Geheimſchreiber des Königs von Spanien, Pater Jo⸗ bann Neyen, und Ludwig Verreyken, Audienzier und Secretär des Erzherzogs. Die Generalſtaaten hatten zwar anfangs verlangt, daß die ſämmtlichen Bolhſchaf— ter geborne Niederländer ſeyn ſollten, aber da der ſpa⸗ niſche Hof darauf beſtand, ebenfalls einen Bevollmaͤch— tigten beym Congreß zu haben, ſo gaben ſie nach, be— ſonders da ſie erfuhren, daß die Wahl des Königs auf Spinola gefallen ſey, deſſen Neigung zum Frieden be= kannt war. Die Städte, ſowohl in den erzherzoglichen als in den vereinigten Provinzen, durch welche die Reife der Geſandtſchaft ging, beeiferten ſich, ſie mit ? re | 4 RER den "größten Ehrenbezeugungen zu empfangen, und überall firömte das Volk zuſammen, die Männer zu ſehen, die ihm den ſo lange entbehrten Genuß des Friedens, den ſogar der größte Theil der Einwohner noch nicht einmahl aus eigener Erfahrung kannte, wie— der ſchenken ſollten. Die Reiſe ging auf Lier, Breda, Geertruidenberg, Dordrecht, Rotterdam und Delft. Zwiſchen dem letzteren Orte und dem Haag kam Prinz Moriz mit ſeinem Bruder Heinrich Friedrich, ſeinen Vettern den Grafen von Naſſau und einem zahlreichen Gefolge den Reiſenden entgegen; und mit Erſtaunen fa: hen die verſammelten Zuſchauer, wie die beyden berühm— ten Feldherren, welche noch vor kurzem an der Spitze der Kriegsheere einander bekämpft hatten, ſich jetzt gleich alten Freunden mit einer Umarmung bewills kommten, und in gegenſeitigen Beweiſen hober Ach— tung wetteiferten. Nach dieſer intereſſanten Scene ſtiegen Spinola, Richardot und Mancicidor in des Prinzen Kutſche, worin nebſt ihnen auch die Grafen Heinrich Friedrich und Wilhelm Ludwig von Naſſau ſaßen. So hielten fie, im Angeſichte einer zahlloſen Men— ſchenmenge, welche alle Straßen, Felder und gefror— nen Gewäſſer bedeckte (1608, 1. Februar), ihren Eins zug in den Haag. Spinola erhielt ſeine Wohnung in einem prächtigen Pallaſt auf dem Wyversberge, wel— cher mit koſtbarem Hausgeräth verſehen war. Aber der Prachtliebe des Feldherrn genügte daran nicht. Er hat— te ſelbſt eine Menge Sachen von großem Werthe, und beſonders einen ſolchen Vorrath von Silbergeſchirr mit— gebracht, daß der Anblick desſelben die einfachen und wirthlichen Holländer, denen fo viel Glanz und Lu— were 215 . sus neu und unerhört war, in Erſtaunen ſetzte. Täg— lich kamen Leute aus allen Gegenden Hollands nach dem Haag, theils aus Neugierde, dieſe Koſtbarkeiten und ihren Beſitzer zu ſehen, theils waren es Katholi— ken, die ihre Anhänglichkeit an die Religion, der ſie treu geblieben waren, beweiſen wollten. Keiner ward zurückgewieſen, und jeden, wer es auch ſeyn mochte, behandelte Spinols mit der größten Herablaſſung und Humanität. Täglich ließ er zwey Mahl Meſſe in ſeiner Wohnung leſen, und es war Jedermann verſtattet ihr beyzuwohnen. Die eifrigen Proteſtanten nahmen An— ſtoß an dieſer offentlichen übung des katholiſchen Cul— tus. Überhaupt äußerten viele beſonders von den firen- geren Republikanern ihre Unzufriedenheit darüber, daß man dem feindlichen Oberfeldherrn den Eintritt in das Herz des Landes verſtatte, und ihm dadurch die beſte Gelegenheit gäbe, ſich genaue Kenntniſſe von der Lo— calität und moraliſchen Beſchaffenheit desſelben, von dem Charakter des Volkes und ſeiner Regenten, und von den Schwächen und Maͤngeln der Staatsverfaſſung zu verſchaffen. Den Tag nach der Ankunft der Bothſchafter em: pfingen und erwiederten ſie die Aufwartungen der im Haag befindlichen fremden Geſandten, des Prinzen Moriz, ſeiner Familie, und des vornehmſten Adels und des Corps der Generalſtaaten; und am 5. Februar hatten ſie eine feyerliche Audienz bey den Generalſtaa— ten, wobey auch Prinz Moriz und die Mitglieder des Staatsraths zugegen waren. | Die von Seiten der Generalſtaaten zum Frie— renskongreß ernannten Bevollmächtigten, waren Graf . 216 — Wilhelm Ludwig von Naſſau, Statthalter von Grö⸗ ningen und Friesland und Walrave von Brederode, welchen beyden jede der vereinigten Provinzen noch einen eigenen Deputirten beyfügte, nämlich Holland den Adotcaten Johann von Oldenbarneveld, Geldern Cornelius van Gend Herrn von Loenen, Seeland Ja— cob von Maldeere, Utrecht Nicolaus Bergk, Fries⸗ dans Gelline Hilgwa, Oberpſſel Johann Sloet Droſten von Vollenbove, und Gröningen Abel Koen⸗ derts van Helpen Herrn in Faan und Kantesbie. Die. Gene e ertheilten ihnen die nöthigen Vollmach— ten und Inſtructionen, welche größten Theils Olden— W 0 ewe hatte. Von beyden Theilen wur: den die franzöſiſchen und engliſchen Geſandten als Ver: mittler angenommen, und man geſtand ihnen als fol: chen bey den Conferenzen überall den Vorrang und die erſte Unkerſchrift zu. Am 6. Februar wurden die Conferenzen eröffnet. Der Schauplatz derſelben war ein dazu eingerichtetes und ſchön decorirtes Zimmer in dem ſogenannten Hof von Holland, weiches feitdem den Nahmen der Still— ſtandskammer, (Treves Caemer) erhalten hat. Die erſten Sitzungen verfloffen mit Vorzeigung und Be— urtheilung der gegenſeitigen Vollmachten. In denen der ſpaniſchen und erzherzoglichen Bothſchafter war ausdrücklich bemerkt, daß behde Souveräne die verei— nigten Provinzen für einen freyen Staat, auf welchen ſie keine Anſprüche hätten, anerkenneten. Spinola fand dagegen die Vollmachten der niederländiſchen Congreß— deputirten zu ſchwankend und eingeſchränkt; er ließ ſich indeß durch die Verſicherung befriedigen, daß die u . 217 . Generalſtaaten, welche fo nahe wären, jedem Artikel der Unterhandlung, ſo bald er zum Schluß gebracht wäre, ſogleich ihre Ratification ertheilen würden. Der erſte Gegenſtand der Discuſſionen war die Erörterung der Frage: ob über einen Frieden oder lan— gen Waffenſtillſtand unterhandelt werden ſolle? Die ſpaniſchen und erzherzoglichen Bothſchafter ſtimmten mehr für einen Waffenſtillſtand, die bataviſchen mehr für einen Frieden, welchen ſie dem Intereſſe der Re— publik angemeſſener hielten; jene gaben nach, und mon beſchloß alſo, über einen Definitivfrieden zu ums terhandeln. Nach Berichtigung dieses vorläufigen Punctes ward die Anerkennung der Unabhaͤngigkeit der verei- nigten Provinzen zur Sprache gebracht. Die fpani- ſchen und erzherzoglichen Bevollmächtigten erklaͤrten ſie in den deutlichſten und beſtimmteſten Ausdrücken; die niederländiſchen Deputirten waren jedoch damit nicht zufrieden. Einer von ihnen hatte bey der Aus— wechslung der Vollmachten in dem erzherzoglichen Sie— gel das Wappen der niederländiſchen Union bemerkt; daraus ſchloß er, daß die Erzherzoge, ungeachtet ihrer Entſagung, doch immer noch fortführen, ihre vermein— ten Anſprüche auf die vereinigten Provinzen zu be— daupten. Die Deputirten nahmen davon Peranlaſ— ſung zu verlangen: der König von Spanien und die Erzherzoge ſollten nicht allein der Herrſchaft und jedem Anſpruch auf die ſieben vereinigten Provinzen nebſt Lingen und Drenthe entſagen, ſondern auch die Titel und Wappen davon ablegen. Vergebens führte Richar— dot dagegen an: Die Beybehaltung der Titel und ren 218 . Wappen von Ländern die man nicht beſitze, ſey unter den Fürſten gewöhnlich und etwas höchſt unweſentliches. Der König von Frankreich nenne ſich auch König von Navarra, und der engliſche Monarch König von Frank⸗ reich, ohne daß der König von Spanien jenes und der Beherrſcher Frankreichs dieſes für eine Beleidigung halte. Man müſſe daher keinen Streit über derglei— chen Kleinigkeiten erheben. Die Deputirten erwieder— ten: Monarchien imponiren ſchon durch den Glanz der Majeſtät, und ſind dadurch gegen ungerechte Anſprüche geſichert, aber ein neugebildeter Freyſtaat, der erſt ein- getreten iſt in die Reihe der ſouveränen Mächte, kann nicht ſorgſam und eiferſüchtig genug über feine Rech- te wachen. Auf Jeannin's Vermittelung gaben die ſpani⸗ ſchen und erzherzoglichen Bothſchafter endlich nach, und bewilligten die Forderung der Niederländer, obgleich Ri chardot die Bemerkung machte, daß dieſe Willfahrung ziemlich ſchimpflich für ſeinen Herrn ſey. Alle dieſe Puncte ſo wie die Bewilligung der freyen Schifffahrt und eines ungeſtörten Commerzes der Niederländer nach Spanien, wurden in den vier erſten Sitzungen abgethan. Die unerwartete Willfäh— rigkeit der Spanier bey der Anerkennung der Souve— ränität ſetzte jedermann in Verwunderung, und gab zu mancherley Urtheilen und Vermuthungen Stoff; ja die meiſten fanden ſie ſo außerordentlich, daß ſie ih— ren Verdacht gegen die Aufrichtigkeit der von den Geg— nern gegebenen Verſicherungen erregte. Indeß war ſelbſt durch die Anerkennung der Independenz nur erſt ein bedeutender Schritt zur Ausſöhnung gethan, und es blieben noch zwey nicht gleich kritiſche, für Krieg und wen 219 w Frieden nicht minder entſcheidende Gegenſtände zu ver— mitteln übrig, von denen jeder ſtaatskluge Mann und beſonders die Mediatoren vorher ſahen, daß ihre Aus— gleichung mit unermeßlichen Schwierigkeiten verknüpft ſeyn werde, — die Religion und der indiſche Handel, dieſe große Nationalangelegenheit des bataviſchen Volks. Die Folge wird uns lehren, wie richtig dieſe Vermuthung war. In der fünften Sit ung (1608, 16. Februar) er⸗ klärten die ſpaniſchen und erzherzoglichen Geſandten: daß, wenn man den vereinigten Niederländern den freyen Handel nach den ſpaniſchen Reichen und Häfen zugeſtanden habe, darunter keineswegs der nach In— dien mit einbegriffen ſey. Dem Letzteren müßten ſie gänzlich entſagen, weil er vor dem Kriege nicht Statt gefunden habe, und der katholiſche König hoffe, daß fie fbon aus Dankbarkeit für die ihnen bewilligte Un⸗ abhängigkeit ſich nicht weigern würden, ſeine Wünſche über dieſen Punct zu befriedigen. Die niederländiſchen Deputirten aber ſchlugen dieſe Forderung, der darüber erhaltenen Inſtruction zu Folge, gerade zu ab; denn die Generalſtaaten waren nicht geneigt, die Vortheile eines Handels, der ihnen eine nothwendige Bedingung zur Erhaltung des Staats zu ſeyn ſchien, und mit je— dem Jahre an Umfang und Ertrag gewann, dem In⸗ tereſſe und den Wünſchen ihrer Gegner aufzuopfern, In mehreren folgenden Sitzungen (am 19. 25. 27. Februar und 4. März) ward fortdauernd über dieſen Gegenſtand discutirt, ohne daß man zu einem Schluß kommen konnte; denn die ſpaniſchen Geſandten blieben feſt dabey, daß ſich die Niederländer des indiſchen Handels gänzlich begeben, und fi mit dem nach Spa— nien, wozu man ihnen die Erlaubuiß ertheilen werde, begnügen müßten. Als das Publicum erfuhr, wie hartnäckig die ſpa⸗ niſchen Bothſchafter die Freyheit des indiſchen Handels verweigerten, gerietb ganz Holland in die heftigſte Be— ec „Lieber keinen Frieden, als den Handel verlo— ren!“ hörte man die, welche den Krieg wünſchten, aus: rufen, und viele, die bisher Anhaͤnger der friedlichen Partey geweſen waren, veränderten jetzt ihr Sy— ſtem, und traten zu jenen über. Eine Menge Bro— ſchüren, welche über dieſen Gegenſtand geſchrieben, und haufig gekauft und geleſen wurden, erhitzten die Köpfe noch mehr. Ihre Tendenz war, die Männer, welche am Friedensgeſchäfte arbeiteten, vor den Rän⸗ ken und der Argliſt der Spanier zu warnen, und ſie verfehlten ihren Zweck um fo weniger, da die Wer: faſſer derſelben größten Theils echtpatriotiſche Geſinnun⸗ gen außerten. Am meiſten und nächſten intereſſirt bey der Er— haltung des indiſchen Handels war die oſtindiſche Com— pagnie, und es ließ ſich vorausſehen, daß fie kein Mittel unoerfucht laſſen werde, den Verluſt desselben zu bintertreiben. Sie übergab ſowohl den General⸗ ſtaaten, als den Geſandten der auswärtigen Mächte, welche dem Congreß beywohnten, verſchiedene Me⸗ moirs, worin die Unbilligkeit der ſpaniſchen Forderung mit den grellſten Farben geſchildert ward. In ei⸗ nem dieſer Auffätze wird unter andern geſagt: Es gibt kein Beyſpiel, daß ein Friede auf die Bedingung, dem Handel zu entſagen, geſchloſſen worden ſey; auch kann „ 221 wenn die Verweigerung des Handels keine Friedensbedin⸗ gung ſeyn, ſondern fie iſt eine Zwallgsmäßregel, die man gegen Feinde aawendet. Und daß man uns, die wir die erſten ſeeſahrenden Kaufleute der Welt find, auffordert, den größten Theil der Meere zu räumen, und auf den einträglichſten und vornehmſten Handel der Erde Verzicht zu leiſten „das iſt die größte Un⸗ verſchämtheit, welche nur gedacht werden kann. Das Meer iſt niemandes Herrſchaft unterworfen, und ſteht nach dem Völkerrechte allen Nationen offen. Und was kann die Spanier berechtigen, uns den Handel mit entfernten Königreichen und Ländern unterſagen zu wollen, über welche ſie nicht zu gebiethen haben! Aber ihre einzige Abſicht iſt, unſern Staat, der ohne ein freyeds Commerz nicht beiteben kann, einem gewiſſen und unvermeidlichen Untergange Preis zu geben. Der indiſche Handel, hieß es ferner in dieſer Denkſchrift, befchäftige eine große Anzahl von Seeleuten, die der Verluſt desſelhen brodlos machen würde; auch wären die nach Indien ſegelnden Schiffe zum Kriege tauglich, und könnten alſo im Nothfall die Marine des Staats verſtärken. Aus dieſen und andern Gründen wäre der indiſche Handel den bereinigten Niederlanden unent⸗ behrlich. Übe rdieß habe ja Spanien die Niederländer für frey erklart, und freyen Leuten könne man keinen Zwang auflegen, und ihnen keine Vorſchriften machen; und da beſtimmt worden fey, daß jeder Theil behalten ſolle, was er beſitze, fo müſſe ihnen auch der indiſche Handel bleiben. 4 5 Der Zweck dieſer und anderer Denkſchriften und Vorſtellungen war, wie aus dem Inhalte der hier an⸗ Fase ein * 222 wm geführten hervorgeht: die Generalſtaaten zur Behaup⸗ tung des indiſchen Handels zu beſtimmen. Dieſelbe Tendenz hatte auch der Tractat, welchen Hugo Gro— tius über die Freyheit der Meere ſchrieb. Es gab faſt nur eine Stimme in der Republik über dieſen wichti— gen Gegenſtand, denn man hielt ſich überzeugt, daß ohne eine unbeſchränkte Freyheit des Commerzes, der Staat nicht beſtehen könne. Nur ſehr wenige und nur ſolche, welche ihrer individuellen Lage wegen an jenem Handel keinen Theil nehmen konnten, waren der Mei- nung, daß die Beförderung der Agricultur weit mehr Aufmerkſamkeit verdiene, als dieſe weite und gefahr— volle Handlung, welche als eine bloße Privatangele⸗ genheit kein Hinderniß des Friedens werden müſſe. Prinz Moriz und Oldenbarneveld ſtimmten beyde für die Erhaltung des indiſchen Handels, und die Ge— neralſtaaten, nach reiflicher Erwägung der Gründe da für und dawider, beſchloſſen die verlangte Entſagung desſelben ſtandhaft zu verweigern; doch wollten ſie ih⸗ re Forderungen über dieſen Gegenſtand ſo viel als möglich nach dem Verlangen der Spanier modificiren. Sie ließen daher den ſpaniſchen erzherzoglichen Both— ſchaftern durch ihre Bevollmächtigten beym Congreß ei: nen dreyfachen Vorſchlag thun: entweder mit Bewil⸗ ligung der indiſchen Navigation Frieden zu ſchließen; oder ſolche den vereinigten Provinzen auf ſieben Zah: re zu bewilligen, unter der Bedingung, daß nach Ab: lauf dieſer Zeitfriſt ein neuer Vertrag darüber unter— handelt werden ſolle; oder endlich, daß der jetzt abzu⸗ ſchließende Friede nicht bis auf die Lander jenſeits des Aquators ausgedehnt würde, ſondern daß jeder Theil rin 22) um feinen Verkehr in den dortigen Gegenden auf eigene Gefahr treiben könne, und zwar ſelbſt mit den Waffen in der Hand, ohne daß die dort vorfallenden Feindſe⸗ ligkeiten einen nadtheihgen Einfluß auf die übrigen friedlichen Verhältniſſe beyder Nationen hätten. Spi⸗ nola und Richardet verwarfen den erſten für die Nies derländer zu vortheilhaften, und den letzten höchſt ſonderbaren Vorſchlag, welcher eine groteske Vereini— gung des Kriegs- und Friedenszuſtandes enthielt. Viel- leicht hatten ſie in den zweyten ohne die hinzugefügte Clauſel gewilligt, aber von dieſer wollten die Gene— ralſtaaten nicht abgehen. Ja die oſtindiſche Compag⸗ nie, die Provinz Seeland und die Stadt Amſterdam verwarfen den ganzen Vorſchlag, und verſagten ihm ihre Zuſtimmung ſelbſt auf den Fall, wenn von den Geg— nern die aufgeſtellte Bedingung angenommen würde. Doch auch daran war nicht zu denken, denn die größte Nachgiebigkeit der ſpaniſchen Bochſchafter befgränfte ſich darauf, daß man allenfalls den N iederländern die Betreibung des indiſchen Handels auf eine gewiſſe Zeit bewilligen wolle, nach deren Ablauf ſie ſich desſelben auf immer begeben müßten. Die Streitigkeiten über den indiſchen Handel veranlaßten neue über den eu: ropäiſchen. Die Spanier verlangten die Eröffnung der Schelde für die Schifffahrt nach Antwerpen, welche von den Niederländern verweigert ward; denn die Provinzen Holland und Seeland fürchteten davon große Nachtheile für ihren Commerz, weil Antwerpen in mercantiliſcher Hinſicht die glücklichſte Lage in den Niederlanden hat. Jeder Theil beklagte ſich bey den Miniſtern der ren 2 24 rose vermittelnden Mädte ı über die Hartnäckigkeit des an⸗ dern, in Rückſicht der obwaltenden großen Streitfrage. Aber die Niederländer konnten bey dieſer Angelegen⸗ heit wenig auf den Beyſtand des engliſchen und fran⸗ zöſiſchen Hofes rechnen. England beneidete ihnen die großen Vortheile der oſtindiſchen Handlung, und Hein⸗ rich der Vierte wünſchte ſelbſt, ſich derſelben zu bemäch⸗ tigen. Die engliſchen Geſandten beobachteten daher ei— ne ſtrenge Paſſtwität bey den Beſchwerden der Gene: ralſtaaten, und Jeannin erklärte Oldenbarneveld bey einer Privatunterredung über dieſen Gegenſtand: Der Abſchluß des Friedens dürfe ſeiner Meinung nach einer Handelsſpeculation wegen nicht aufgehalten werden; und ſollte die Unbiegſamkeit der Generalſtaaten den glücklichen Ausgang der Unterhandlungen vereiteln, N dürften ſie nicht darauf rechnen, daß der König jet Herr ihnen die bisherigen Hülfsgelder ferner I werde. Endlich da man ſich durchaus über dieſen 21 rigen Punct nicht vereinigen konnte, kamen die De⸗ vollmächtigten beyder Theile dahin überein, ihn vor der Hand auf ſich beruhen zu laſſen, und indeß über ans dere Gegenſtände zu berathſchlagen. Darauf legten in der zehnten Sitzung (7. März) die niederländiſchen Bevollmächtigten acht und zwanzig, und die ſpani⸗ ſchen ſieben Artikel zur Discuſſion vor. Sie betrafen größten Theils minder wichtige Objecte, als: die Be⸗ richtigung der Grenzen, die Reſtitution der eingezo⸗ genen Güter, die Loslaſſung der Gefangenen ohne Ranzion. Die Artikel der Spanier waren alle ſehr kurz und lakoniſch geſtellt. Der ſechste lautete wört⸗ ee. — 225 Mae lich: „Betreffend die Angelegenheiten der Religion. Die niederländiſchen Bevollmächtigten forderten ein nähere Erklärung über den eigentlichen Sinn dieſes Artikels. Ob inan damit jagen wode, daß in den für frey erklärten Provinzen ein anderer als der bisher darin ſtatt gefundene Cultus verſtattet werden ſollte! oder ob nur von dem Verhalten der beyderſeitigen Unter⸗ thanen in ſolchen Gegenden, wo eine andere Religion herrſche, die Rede ſey! Die ſpaniſchen Bothſchafter wollten ſich jedoch nicht näher erklaren, ſondern erwie⸗ derten, ſie hätten ſelbſt erſt um Erläuterung über die⸗ ſen Punct an ihren Hof geſchrieben, und müßten zu⸗ vor die Antwort desſelben erwarten. Übrigens waren die Generalſtagten feſt entſchloſſen, den Katholiken die freye übung ihrer Religion in den vereinigten Hropin⸗ zen nie zu verſtatten. Wichtige politiſche Gründe be⸗ ſtimmten ſie zu dieſer Intoleranz, welche außerdem dem Eharakter der bataviſchen Regierung fremd wor. Die Secte der Katholiken war ſehr zahlreich in den vereinigten Provinzen, und konnten bey ihrer großen Anhänglichkeit an Spanien, der Republik leicht gefähr⸗ lich werden, beſonders da der Zeitgeiſt Aufruhr und an⸗ dere Verbrechen der Religion wegen begangen, für gott⸗ gefällige Handlungen erklärte, Dazu kam, daß wenn den Katholiken die Religionsfrepheit zugeſtanden wor— den wäre, der ganze reformirte Clerus ih ſogleich mit den Gegnern des Friedens vereinigt hätte. | Die Erzherzoge, welche das Ende des Kriegs für jeden Preis zu erkaufen wünſchten, waren ſelbſt in Abſicht der Religion und des indiſchen Handels nach⸗ zugeben bereit, und hatten, um auch den ſpaniſchen Schillers Niederl. 9. Bd. N 9 ern 225 mem Hof zu gleicher Nachgiebigkeit zu ſtimmen, ihren Beichtvater den Fra Inigo de Brizuella nach Madrid geſandt. In derſelben Abſicht verließ auch Neyen am 2: Aprill den Haag, und begab ſich nach Brüſſel, und von da ebenfalls nach Spanien. Der Audienzier Veer⸗ reiken machte auch verſchiedene Reiſen nach Brüſſel, und Jeannin ward nach Paris berufen, um feinem Souverän von allem, was ſich bisher bey dem Con— greß ereignet hatte, genauen Bericht abzuſtatten. Die Abweſenheit einiger der vornehmſten Mitglieder des Congreſſes veranlaßte eine Art von Stockung in den Unterhandlungen im Haag, während man in Madrid, Paris und Brüſſel deſto thätiger war, gewiſſe Pro⸗ jecte zur Reife zu bringen, die ſich bald näher entwi⸗ ckelten. Da mit dem Monath März der geſchloſſene Waffenſtillſtand zu Ende gegangen war, ſo ward er von neuem bis Ende Mays, und endlich noch auf ein Jahr verlängert, wobep jedoch von Seiten der Gene: ralſtaaten die Bedingung gemacht ward, daß wenn man in zwey Monathen mit den Erzherzogen nicht zum Schluß kommen könne, die Conferenzen ganz ab» gebrochen werden ſollten; die Abweſenheit Jeannin's gab jedoch Veranlaſſung, daß ſie in der Folge noch bis über die feſtgeſetzte Friſt hinaus fortgeſetzt wurden. 5 Es iſt ſchon oben erwähnt worden, daß die Ge: neralſtaaten bereits vor dem Anfange des Congreſſes dem engliſchen Hofe Anträge zu einem Allianztractat machten, welche damahls keinen Eingang fanden. Die Sache ward erſt indeß nicht aufgegeben, und die bata— viſche Regierung hatte endlich die Freude, ihre Wün⸗ ſche erfüllt zu ſehen. Am 26. des Brachmonaths 1608. ward das Bündniß zwiſchen bepden Nationen, faſt auf dieſelben Bedingungen, wie das franzöſiſche abgeſchloſſen, und im Haag unterzeichnet. England verſprach den ver- einigten Provinzen im Fall eines feindlichen Angriffs, eine Hülfe von 20 Kriegsſchiffen und 6400 Mann, und die Republik dem engliſchen Monarchen in dem— ſelben Fall ebenfalls 20 Kriegsſchiffe und 4500 Solda⸗ ten. Zugleich ward die Schuld der Generalſtaaten an die engliſche Krone auf 818408 Pfund Sterling feſt— geſetzt, welche zwey Jahr nach dem Abſchluß des Fries dens jährlich mit 60000 Pfund Sterling abgezahlt werden ſollten. Der ſpaniſche Hof, bekannt mit der Abneigung des engliſchen Monarchen gegen die vereinigten Nie— derländer, beunruhigte ſich wenig über dieſe Allianz, überzeugt, daß den Niederländern, wenn der Krieg fortdauern ſollte, keine Vortheile daraus erwachſen würden. Weit nachtheiliger für das ſpaniſche Intereſſe ſchien die Verbindung Frankreichs mit den Niedere landen zu ſeyn, das madrider Cabinet verſuchte daher auch alles mögliche Heinrich den Vierten davon abzu⸗ ziehen. In dieſer Abſicht erhielt der ſpaniſche Geſandte zu Paris, Don Pedro de Toledo, den Auftrag, dem Könige eine Doppelheurath zwiſchen dem Dauphin und einer Infantinn und dem Kronprinzen von Spanien, und einer Tochter des franzöſiſchen Monarchen vorzu⸗ ſchlagen, wobey verſprochen ward daß der Dauphin und ſeine künftige Gattinn zu Nachfolgern der Erzher⸗ zoge als Souveräns der Niederlande erklart werden ſollten. Einen ähnlichen Vorſchlag hatte ſchon früher der Provinzial der Jeſuiten in Flandern, bey einer P 2 , 228 wem Reiſe durch Frankreich im Nahmen der Erzherzoge, zu Paris gemacht. Mit den vereinigten Provinzen ſollte ein Waffenſtillſtand geſchloſſen werden, und nach Ablauf desſelben ſollten der Erzherzog und der König von Frank— reich ſie gemeinſchaftlich zum Gehorſam zurückbringen. Es iſt in der That zu bewundern, daß das fran⸗ zoͤſiſche Miniſterium nur einen Augenblick an der Auf⸗ richtigkeit dieſer Anträge, welche Pedro de Toledo ſehr eifrig betrieb, glauben, und ſie für etwas mehr als ein Blendwerk halten konnte, deſſen Zweck war, den fran⸗ zöſiſchen Hof über ſein wahres Inkereſſe zu täuſchen, und ihn von der niederländiſchen Allianz zu krennen. Heinrich der Vierte ſchien, nach Jeannin's Außerung wirklich zu der vorgeſchlagenen Doppelbeurath geneigt; zum Glück für die Niederlande dauerte jedoch die Ver⸗ blendung nicht lange. Man fing bald an zu Paris die ſpaniſchen PVorſchläge nach ihrem wahren Gehalte zu würdigen, beſonders als man erfuhr, daß der ſpa⸗ niſche Geſandte in London, Don Ferdinand Giron, dem engliſchen Hofe ähnliche Antröge gemacht hatte, wel⸗ che nicht zurückgewieſen worden waren. Oldenbarne— veld deſſen Scharfblick in das Geheimniß der Intriken des ſpaniſchen Geſandten am franzöſiſchen Hofe, ſo verdeckt ſie auch geſpielt wurden, eingedrungen war, und der ſeine Beſorgniſſe darüber gegen Jeannin äu⸗ ßerre / erhielt von dieſem die bündigſten Verſicherungen von der unwandelbaren Treue ſeines Souveräns in Be— obachtung der gegen ſeine Alliirten eingegangenen Ver⸗ pflichtungen. | | In der am 1. des Heumonaths gehaltenen fünf und zwanzigſten Seſſion des Haager Congreſſes, ley⸗ wer 229 * ten die niederländiſchen Bevollmächtigten den ſpani— ſchen Vothſchaftern abermahls einige Puncte zur Be: urtheilung vor. Zum Beyſpiel wie es mit den Inge— ſeſſenen der vereinigten Provinzen wegen der Religion in Spanien und anderwärts gehalten werden ſollte? Aber die ſpaniſchen Geſandten bemerkten: fie hatten auch über dieſen Punct keine Inſtruction, und könnten ſich auch darüber erſt nach der Rückkehr des Paters Ney aus Spanien befriedigend erklären. Durch dieſe und andere unbeſtimmte Antworten ward aufs neue der Verdacht der Niederländer erregt, daß es ihren Geg— nern kein Ernſt mit den angefangenen Unterhandlun— gen ſey. Mancherley beunruhigende Gerüchte nährten und vergrößerten dieſen Verdacht. Unter andern be— richtete der Herr von Brederode, Agent der General— ſtaaten in Deutſchland, daß der ſpaniſche Ambaſſadeur am kaiſerlichen Hofe ſich habe verlauten laſſen: die Abſicht des Königs ſeines Herrn bey den Friedesunter— handlungen im Haag ſey keine andere, als die Wie— dereinführung der katholiſchen Religion in den vereinig— ten Provinzen und die Vindicirung des indiſchen Han— dels. Nach andern Berichten ſollten Don Ferdinand Giron in England, und ſelbſt die ſpaniſchen Bothſchaf— ter beym Congreß, geäußert haben, daß man durch die Friedensunterhandlungen die Niederländer nur einzu⸗ ſchläfern ſuche, und daß es keinen Augenblick des Kö— nigs von Spanien ernſtlicher Wille geweſen ſey, der Herrſchaft über fie zu entſagen. Wie viel auch von die— fen und ahnlichen Nachrichten gegründet, und was da— von vielleicht von der kriegeriſchen Partey erdichtet ſeyn mochte, jo wurden doch die Generalſtaaten dadurch „ 230 — zu dem Entſchluß bewogen, noch ſtandhafter und uner⸗ ſchütterlicher auf ihren Forderungen zu beſtehen als bisher, und den Schluß der Conferenzen zu beſchleu— nigen, oder ſie ganz abzubrechen. Als Jeannin im Auguſt aus Frankreich nach Holland zurückkam, fand er die Angelegenheiten in größerer Verwirrung und die Gemüther erbitterter als je. Dieſe ungünſtige Lage der Dinge machte die Ausſicht auf einen glücklichen Ausgang der Unter⸗ handlungen aufs neue äußerſt zweifelhaft, und bald darauf trübte ſie ſich noch mehr. Richardot meldete den franzöſiſchen Mediatoren: obgleich der Pater Ney von feiner Miſſion nach Spanien noch nicht zurückge⸗ kehrt ſey, fo hatte doch die Geſandtſchaft beym Con⸗ greß gegenwärtig neue Verhaltungsbefehle vom ſpa— niſchen Hofe erhalten, nach welchen Se. katholiſche Majeſtaͤt den Niederländern nur unter folgenden Be— dingungen die Souveränität zugeſtehen würde. Fürs erſte müſſe die uͤbung des katholiſchen Cultus im gan— zen Umfang der vereinigten Provinzen ohne alle Einſchränkung wieder hergeſtellt werden; und zwey— tens müßten die Niederländer von dem Tage des gefchlof- ſenen Friedens an dem indiſchen Handel gänzlich und auf immer entſagen, wobey man ihnen jedoch fo viel Zeit verſtatten würde, daß ihre Schiffe mit den gela- denen Waaren aus Indien zurückkehren könnten. Vergebens both Jeannin, der alle Folgen dieſer Forderungen vorherſah, ſeine ganze Beredſamkeit auf, die ſpaniſchen Bothſchafter zu bewegen, daß ſie wenigſtens die den Cultus betreffende Forderung etwas einſchränken und mildern möchten. Sie be⸗ as 231 * bviefen ſich auf die erhaltnen beſtimmten Befehle, von denen fie nicht abgehen dürften. Jeannin ſah ſich da- her genöthigt, den Generalſtaaten die Erklärung des ſpaniſchen Hofes in ihrem vollen Umfange mitzutheis len, worauf jene die ſpaniſchen und erzherzoglichen Bothſchafter erſuchen ließen, ihrer Sitzung beyzu— wohnen, um ihnen darin die Meinung ihrer Souve— räne deutlich vorzutragen. Die Bothſchafter erſchienen (20. Auguſt) auf dieſe Einladung, und wiederhohlten das was ſie bereits dem Staatsrath Jeannin mitge— theilt hatten, mit dem Zuſatz: die den vereinigten Provinzen zugeſtandene Souveränität ſey von Sei— ten ihrer Fürſten ein ſo wichtiges Opfer, daß die Generalſtaaten dafür wohl in Rückſicht der Religion und des indiſchen Handels nachgeben könnten; ge— ſchähe dieß nicht, fo ſey an keinen Frieden zu den— ken. ö Den folgenden Tag bathen die Generalſtaaten die Geſandten der vermittelnden Mächte um ihren guten Rath bey dieſer Lage der Sachen. In Ab— ſicht des indiſchen Handels kamen die engliſchen und franzöſiſchen dahin überein, daß man einen Aus- weg zu erſinnen ſuchen müſſe, um die Spanier wo möglich zu befriedigen. Über den Punct der Re⸗ ligion waren die Meinungen getheilt. Der Englän— der Meinung war, die Forderung der Spanier ſtand— haft zu verweigern; die Franzoſen dagegen riethen zur Nachgiebigkeit. Darauf erklärten die General⸗ ſtaaten: wenn nach abgeſchloßnem Frieden der König von Frankreich ſich zum Beſten der Katholiken bey ihnen verwende, ſo würden ſie die Wünſche dieſes — 252 wem Fürſten in Rückſicht der großen Verpflichtungen, die ſie ge 1815 ihn hatten, mit Freuden erfüllen, aber in dem Friedensvertrage würden fie ſich zu nichts, was die— fen Punct betreffe, verbinden. Denn thäten ſie dieß, ſo würden die zahlreichen Katholiken in den Provin— zen, jede ihnen zugeſtandene Vergünſtigung dem ſpa⸗ niſchen Monarchen verdanken, wodurch ibre Anhäng- lichkeit an ihn vermehrt und eine der Integrität des Staats ſehr ſchädliche Partey für ihn gebildet were den würde. | e 0 Da nun die ſpaniſchen und erzherzoglichen Bothſchafter von den gemachten Propoſttionen durch— aus nicht abgehen wollten: fo beſchloſſen die Staa: ten in der Generalverſammlung vom 25. Auguſt, welcher auch die Mitglieder des Staatsraths, Prinz Moriz, Graf Wilhelm Ludwig von Naſſau, die Me⸗ diatoren und die pfälziſchen, brandenburgſchen, heſſi— ſchen und ansbachiſchen Geſandten beywohnten, das ganze Friedensgeſchäft abzubrechen. Die Gründe die— ſes entſcheidenden Beſchluſſes wurden in einem weite läuftigen Manifeſt entwickelt, welches mit der nach— folgenden Erklärung ſchließt: Da die von den könig— lichen und erzherzoglichen Friedens -Commiſſarien, als das Ultimatum des Willens ihrer Souveräne den Generalſtaaten mitgetbeilten Bedingungen wegen der Religion, des indiſchen Handels und anderer Gegen— fände, mit der den vereinigten Provinzen zugeſtan— denen Freyheit, und mit dem was in den erſten Arti— keln verglichen iſt, im offenbarem Widerſpruch ſtehe: fo beſchließen die Generalſtaaten alle ferneren Com— municationen mit den erwähnten Herren Commiſſa⸗ rien abzubrechen und die bisherigen Unterhandlungen gänzlich aufzuheben. Und wie ſchmerzhaft ihnen auch dieſer Schritt iſt, ſo gereicht es ihnen doch dabey zum Troſte, daß ſie ihre Unſchuld an der Fortſetzung dieſes langwierigen Krieges vor Got: und der Welt beweiſen können. Dieſes Manifeſt überreichten die niederkändi⸗ ſchen Bevollmaͤchtigen am 25. Nachmittags dem Mar: cheſe Spinola und den übrigen ſpaniſchen und erzher— zoglichen Bothſchaftern, mit der Erklärung, daß die Generalſtaaten aus den darin angeführten Gründen den Congreß aufzuheben für gut fänden. Die Both— ſchafter äußerten ihr Bedauern darüber, und führten den folgenden Tag bey den Geſandten der vermitteln— den und der deutſchen Höfe, bittere Klagen über das leidenſchaftliche und ſtürmiſche Verfahren der Gene— ralſtaaten, und über den beleidigenden Inhalt des Ma— nifeſts. Der Congreß ward alſo mit der ſechs und zwanzigſten Sitzung aufgehoben, und ſo wurden die Religion und der indiſche Handel die Klippen, an welchen das ganze Friedenswerk ſcheiterte. Indeß hatten die Geſandten der vermittelnden Mächte, als ſie die ungünſtige Wendung der Frie— densunterhandlungen bemerkten, eine andere Idee aufgefaßt, welche ſie jetzt, da alle Hoffnung einen Frieden zu Stande zu bringen, verſchwunden war, den Generalſtaaten vorzutragen beſchloſſen. In dieſer Abſicht begaben ſie ſich, in Begleitung der deutſchen Geſandten, in die Verſammlung der Staaten und er⸗ klärten: Sie hätten bisher alle ihre Kräfte aufgebo⸗ — 234 — ten den Frieden zu befördern, aber leider hätten die Ereigniſſe der letzten Tage gezeigt, daß alle ihre Be- mühungen zur Erreichung dieſes erhabenen Zwecks vergebens geweſen wären. Doch ihre Souveräns, voll Eifer für das Wohl der vereinigten Provinzen’ hätten ihnen den Auftrag gegeben, in dem Fall daß kein definitiver Friede zu bewirken ſey, einen vieljäh— rigen Waffenſtillſtand in Vorſchlag zu bringen, wel— cher in jeder Rückſicht der Fortſetzung des Kriegs ver- zuziehen ſey. Sie riethen den Generalftaaten daher, von jetzt an über einen ſolchen Waffenſtillſtand, unter der Bedingung der zugeſtandenen Independenz und der Beybehaltung der indiſchen Handlung, während der Dauer desſelben zu unterhandeln, wobey fie ih— nen die Verſicherung gäben, daß ihre Souveraͤns eben ſo willig die Garantie des Waffenſtillſtandes als die des Friedens übernehmen würden. Diefer Antrag war eigentlich das Werk Jean⸗ nins. Die Hartnäckigkeit, mit welcher beyde unter— handelnden Theile auf ihren gegenſeitigen Forderungen beſtanden, ließ ihm leicht vorherſehen, daß kein Friede zu hoffen ſey; da nun die Fortſetzung des Kriegs dem Intereſſe ſeines Herrn eben ſo wenig zuſagte als der Rückfall der vereinigten Provinzen unter die fpani- ſche Herrſchaft, ſo erfand er die Idee, durch einen mehrjährigen Waffenſtillſtand dem Wiederausbruch der Feindſeligkeiten vorzubeugen. Der kluge Staatsmann hatte ſich zahlreiche und bedeutende Freunde in den Niederlanden zu erwerben gewußt, und dieß machte ihm Hoffnung ſeine Idee doch endlich zu realiſiren, wie viel Schwierigkeiten ſich auch anfangs der Aus⸗ — führung derſelben entgegen fegen möchten. Prinz Mo: riz und Graf Wilhelm Ludwig ſollten noch durch gro— fe Jahrgelder gewonnen werden, und Oldenbarneveld hatte ſich ſchon zur Annahme eines anſehnlichen Ge— ſchenks verleiten laſſen, wodurch er ſich in der Folge manchen bittern Vorwurf von ſeinen Landsleuten zuzog. 5 Noch einmahl trat alſo der Genius des Frie— dens und der Verſöhnung, in Jeannin's Geſtalt, zwi⸗ ſchen die vereinigten Niederländer und ihre Feinde, um einen letzten Verſuch zur Ausgleichung ihrer lang⸗ wierigen Fehde zu machen. Aber es koſtete noch einen harten Kampf, ehe es ihm gelang die Zwietracht zu feſſeln, die empörten Gemüther zu beruhigen und von einem unglücklichen, aus tauſend Wunden blutenden Lande die Gräuel des Kriegs wenigſtens auf eine kleine Reihe von Jahren zu entfernen. Der den Generalſtaaten durch die Geſandten der vermittelnden Mächte, auf Jeannin's Betrieb ge— machte Vorſchlag, über einen Waffenſtillſtand zu un— terhandeln, veranlaßte ſehr heftige Debatten. Die für Frankreich gewonnene Partey und alle die das Ende der Feindſeligkeiten wünſchten, riethen dazu, meil die Fortſetzung des Kriegs mehr Koſten erfordern würde als der Staat aufbringen konne, da ſchon jetzt die Totalität der Union eine Schuldenlaſt von neun Millionen Gulden drückte, und die einzelnen Landſchaften das Doppelte ſchuldig wären, weßhalb es unmöglich ſey, ohne den Beyſtand der vermitteln— den Mächte den Krieg mit Energie fortzuführen. Dieſe ſehr gegründeten Betrachtungen verfehlten ihre Ab— 0 ersın 236 ee. 0 ſicht nicht. Nach einer mehrtägigen Berathſchlagung erwiederten (30. Auguſt) die Generalſtaaten den Ge— ſandten der vermittelnden Mächte: Sie wären der Annahme eines Waffenſtillſtandes nicht abgeneigt, wenn nur der Gegentheil die Unabhängigkeit der Re— publik unbedingt und auf ewig anerkenne, und ohne daß dieſe Anerkennung am Ende des Waffenſtillſtandes wieder zurückgenommen werden könne. Dieſer Wider— ruf ſey um ſo mehr zu beſorgen, da die Urkunde Philipps des 5. mit der Einſchränkung ausgeſtellt ſey, daß die Anerkennung der Independenz nur gültig ſeyn ſollte, wenn ein Friede oder Waffenſtillſtand wirklich abgeſchloſſen werde. Übrigens wünſchten ſie auch vorher zu wiſſen, ob auch die Erzherzoge den Antrag zu einem Waffenſtillſtand nicht verwerfen würden. Die Geſandten der vermittelnden Mächte tru— gen die Sache den ſpaniſchen und erzherzoglichen Both— ſchaftern vor, welche (9. Sept.) zur Antwort erhiel— ten: Sie wären durchaus mit keinen Aufträgen, über einen mehrjährigen Waffenſtillſtand zu unterhandeln, und zwar unter der Bedingung, daß die vereinigten Provinzen für einen freyen und independenten Staat anerkannt würden, ohne ſich dagegen zur Wiederein— führung der katholiſchen Religion und zur Verzicht— leiſtung auf den indiſchen Handel zu verpflichten, — von ihren Souveräns verſehen. Auch ſey ſchwerlich die Einwilligung der letzteren dazu zu hoffen. Sie hätten jedoch den ihnen gemachten Vorſchlag der Mediatoren wegen des Waffenfriedens den Erzherzogen mitge— theilt, von denen er auch bereits dem ſpaniſchen Mi— erst 237 res niſterium communicirt worden ſey. Vielleicht könne die Erklärung des letzteren darüber noch vor Ende des Monaths eingehen, und fie wollten in diefer Erwar— tung ihren Aufenthalt im Haag noch bis dahin ver— längern. Die Generalſtaaten genehmigten dieſe Friſt, in einer Erklärung vom 15. des Herbſtmonaths, je⸗ doch unter der Bedingung, daß wenn während der⸗ ſelben keine günſtige Antwort von den Höfen von Brüſſel und Madrid eingehe, die feindlichen Bothſchaf— ter den Haag verlaſſen möchten. Die Conferenzen wurden indeß ausgeſetzt, und die Deputirten der Provinzen bey den Generalſtaaten begaben ſich in ihre Landſchaften, um ſich mit neuen Inſtructionen für den abgeänderten Gegenſtand der Unterhandlungen zu verſehen. | Die Nachrichten von der Unterbrechung des Fries denscongreſſes, und von den gemachten Anträgen zur Unterhandlung über einen Waffenſtillſtand, erregie gro— ße und allgemeine Senſation in den vereinigten Pros vinzen. Der alte Argwohn gegen die Ränke des ſpa— niſchen Cabinets erwachte mit verdoppelter Starke, und erweckte dem vorgeſchlagenen Waffenfrieden eine Menge der heftigſten Gegner. Nicht nur die ganze Partey, welche vom Anfange der Communicationen an der Fortſetzung des Kriegs geneigt geweſen war, erklärte ſich dagegen, ſondern auch viele, welche zwar einen Definitivfrieden gewünſcht hatten, aber einen Waffenſtillſtand dem Intereſſe des Vaterlandes nach— theilig hielten. Trotz des ſtrengen Verbeths der Regie— rung wurden die Provinzen mit einer genzen Fluth von Flugblättern gegen den Waffenſtillſtand und wen 256 — 1 Sch mähſchriften wider die Spanier überſchwemmt, worin ſich der Geiſt des bey weitem größeren Theils der Nation und ihre Anſichten und Hoffnungen von dem Waffenſtillſtande ausſprachen. Die Treuloſigkeit und Wortbrüchigkeit der Spanier, ihre Grauſamkei— ten in Amerika, Granada, Arragonien und ſelbſt in den Niederlanden, waren darin mit einer ſchauderer— regenden Wahrheit geſchildert; es wurden Schriften allegirt, worin behauptet ward, daß Verträge zwi— ſchen Herrn und Unterthanen oder zum Nachtheil der katholiſchen Religion geſchloſſen, von dem befchäbigten Theile nicht gehalten werden dürften; man prophe— zeihte Aufruhr, Entvölkerung und Sclaverey als nothwendige Folgen des Stillſtandes, und bezüchtigte ſogar die niederländiſchen Congreßdeputirten und die vornehmſten Mitglieder der Regierung, beſonders Ol— denbarneveld, der Beſtechung. Es konnte nicht fehlen, der Inhalt dieſer Bro— ſchüren mußte die Köpfe noch ftarker erhitzen und die Gegner des Waffenſtillſtandes vermehren. In keiner von allen niederländiſchen Provinzen aber äußerten ſich der Unwille und die Abneigung dagegen lauter und allgemeiner als in Seeland. Hier, wo Prinz Moriz, der ſtets die Fortſetzung des Kriegs einer fried⸗ lichen Ausgleichung vorgezogen hatte, als erſter Edler der Provinz, die Stimmen lenkte, und wo das Meer eine ſichere Schutzmauer wider feindliche Angriffe ab: gab, wollte jedermann Krieg und keinen Waffen⸗ ſtillſtand; ja die Staaten der Provinz weigerten ſich ſogar Mitglieder zur Verſammlung der Generalſtaa— ten zu deputiren, bis die ſpaniſchen Bothſchafter den 2 „ Haag verlaſſen hätten. Mehrere holländiſche Städte waren derſelben Meinung, beſonders da Peinz Mo— riz ihnen in einem Cirkularſchreiben vorgeſtellt hatte, daß die Feinde bey der ganzen langwierigen Friedens- unterhandlung keine andre Tendenz gehabt hätten, als Zeit zur Fortſetzung des Kriegs mit neugeſtärckten Kräften zu gewinnen. Unter dieſen Ereigniſſen und Unruhen verfloß die den ſpaniſchen und erzherzoglichen Bothſchaftern im Haag von den Generalſtaaten, zur Abgabe ihrer Erklärung über den Waffenſtillſtand ge— ſetzte peremtoriſche Friſt, ohne daß die aus Spanien erwarteten Inſtructionen angelangt waren. Da ſie nun von Seiten der Generalſtaaten nicht um Ver— längerung ihres Aufenthalts erſucht wurden, und es der Würde ihrer Souveräns für nachtheilig hielten um eine neue Friſt zu bitten, fo rüſteten fie ſich zur Abreiſe, wozu die franzöſiſchen Geſandten ſelbſt ihnen riethen, weil ſie eine Beſchimpfung fürchteten und doch kein Fortgang der Unterhandlungen zu hoffen war, wogegen die Entfernung der Bothſchafter viel— leicht die Erbitterung der empörten Gemüther mins dern könne. Am letzten des Herbſtmonaths (1606) hatten ſie eine feyerliche Abſchiedsaudienz bey den Ge— neralſtaaten. Richardot und Oldenbarneveld führten das Wort, und man ſchied mit gegenſeitigen Auße— rungen des Bedauerns über den fruchtloſen Ausgang der Unterhandlungen aus einander. Dasfelbe geſchah in der Audienz beym Prinzen chi Die Bothſchaf⸗ ter verließen noch an eben dem Tage den Haag, und wurden von zwey Mitgliedern der Generalſtaaten, Obdam und Lier bis Antwerpen begleitet, Und fo was nern 2 4 0 r denn das Verſöhnungsgeſchäft nach einer faſt ſchon zweyjährigen Dauer, zum zweyren Mahle unterbrochen, und es ſchien als wenn Zwietracht, Mißtrauen und Argliſt einen unglücklichen Krieg verewigen wollten. Aber wie weit auch die Abreiſe der Bothſchaf— ter, und die gegenſeitige Spannung das Ziel einer friedlichen Ausgleichung hinausgerückt zu haben ſchien, fo verzweifelte doch Jeannin, der die Seele der Un terhandlungen war, noch keineswegs an der Wieder: anknüpfung des abgerißnen Fadens derſelben. Richar— dot ſchrieb ihm, daß die Erzherzoge ſich in ihrem und des Königs von Spanien Nahmen bereits erklärt hät— ten, mit den vereinigten Provinzen, als freyen Staa⸗ ten, auf welche ſie keine Rechte und Anſprüche haͤt⸗ ten, über einen zehnjährigen Waffenſtillſtand zu un⸗ terhandeln. Jetzt kam es alſo nur noch darauf an, auch die Gemüther in den vereinigten Provinzen der neuen Unterhandlung geneigt zu machen. Durch ſei— nen großen Einfluß wußte es Jeannin dahin zu brin— gen, daß die Staaten der Provinz Seeland ihre De— putirten wieder zur Generalitätsverſammlung ſchick— ten. Bald nach der Ankunft derſelben im Haag (18. October) erſcheint er, in Begleitung der übrigen Mes diatoren und der deutſchen Geſandten, in der Vers ſammlung der Generalſtaaten, legt ihr einen neuen Plan zu dem angetragenen Waffenſtillſtande vor, theilt ihr das Anerbiethen der Erzherzoge mit und be— weiſet mit unwiderleglichen Gründen, daß die Forde— rung wegen einer abermabligen ausdrücklichen Aner— kennung der Independenz nicht nur unnöthig und über— trieben, ſondern ſogar dem Anſehn des niederländi⸗ ſchen rem 241 . ſchen Bundes in der öffentlichen Meinung machtheilig ſey, weil fie von ihrer Seite ein Mißtrauen in die Rechtmäßigkeit des Beſitzes der Souveränität verrie— the, wezu ſie doch ſchon durch ihre eigene frühere Er— klärung und durch die Behauptung derſelben mit den Waffen gelangt wären. Er zeigt ferner, daß die von den Gegnern ausgeſtellte Beſtätigungsurkunde über ihre Unabhängigkeit wirklich eine vollſtändige Aner— kennung derſelben enthalte. Er entwickelt alle Vor— theile eines zehnjährigen Waffenfriedens und verſi— chert, daß auch der Punct wegen des indiſchen Han— dels wenig Schwierigkeiten haben werde, und daß die Erzherzoge in Hinſicht desſelben nur eine dreymonath— liche Bedenkzeit für den König forderten, um ſich zu entſchließen, ob er ihnen dieſen Handel zugeſtehen, oder den Krieg jenſeit des Aquators wolle fortdauern laſſen. Endlich vertheidigt er ſeinen Herrn gegen die wegen der ſpaniſchen Heurath wider ihn ausgeſtreuten Beſchuldigungen, bittet die Generalſtaaten, dem Ra— the der Könige von Frankreich und England, welche ihr wahres Intereſſe kennten und zu befördern aufrich— tig wünſchten, zu folgen, und empfiehlt ihnen — Eintracht. u Nach Endigung diefer Rede übergab er der Verſamm— lung eine Denkſchrift, worin er die Unerheblichkeit der in den verbreiteten Broſchüren wider den Waffenſtill— ſtand angeführten Gründe darſtellte, und vorzüglich ein Schreiben des Prinzen Moriz über dieſen Gegen— ſtand widerlegte. Er ſagte darin unter andern, bey Beleuchtung der in den gedachten Broſchüren gemach— ten Bemerkung, daß der König von Spanien durch Schillers Niederl. 8. Vd. Q , 242 e die Friedensunterhandlung Zeit gewänne, um neue Kräfte zur Fortſetzung des Kriegs zu ſammeln: Nur ſelten würden große und junge Monarchen, wie Phi⸗ lipp der Dritte, den Schatzmeiſter machen, da ſie gewöhnlich weit mehr Anlagen zur ae als zur Sparſamkeit hätten. Jeannin's Vorträge veranlaßten ſehr ſtürmiſche Debatten in der Verſammlung der Generalſtaaten, und der Streit für und wider die Annahme des Waf— fenſtillſtandes entzündete ſich immer heftiger. Prinz Moriz ſchrieb abermahls (21. October) an die hol⸗ laͤndiſchen Städte und ermahnte fie, ihn nicht anzu⸗ nehmen, wenn nicht zuvor die Freyheit des Staats beſtimmt und auf ewig anerkannt worden ſey; und einige um dieſe Zeit erſchienene Flugſchriften waren mit den härteſten Invectiven wider die Vertheidiger des Waffenſtillſtandes angefüllt, ſie ſprachen von Ver— rath und Beſtechung, und goſſen vorzüglich die ärgſte Schmähung über Oldenbarneveld aus. Dieſer berühmte Republikaner hatte ſchon var- ſchiedene Mahl, und unter andern im Jahre 1592 wegen Kränklichkeit, ſeine Entlaſſung von ſeinen Staatsämtern gefordert, und nur auf die dringenden Bitten der Generalſtaaten, welche einen Mann von ſolchen Einſichten nicht entbehren zu können glaubten, ſich bewegen laſſen in ſeinem Poſten zu bleiben. Jetzt, durch die wider ihn erhobenen Beſchuldigungen tief ge— krankt, verlangte er abermahls ſeiner öffentlichen Ver— haͤltniſſe entlaſſen zu werden, und wohnte verſchiede⸗ nen Sitzungen der Generalftaaten nicht bey. Doch auch jetzt gab er endlich aufs neue den Bitten der * 243 — f Staaten von Holland nach, und unterzog ſich den Ge⸗ ſchäften wieder. Seinem Syſteme getreu fuhr er fort, die Annahme des Waffenfriedens mit der größten Wärme zu empfehlen, und es gelang endlich ſeinen unermüdeten Bemühungen, alle holländiſchen Städ⸗ te, und zuletzt ſelbſt Amſterdam dafür zu gewinnen. Auch die übrigen Provinzen folgten dieſem Beyſpiel, nur Seeland allein, wo der Einfluß des Prinzen Mo— riz am ſtärkſten war, blieb unbeweglich, und drohete ſogar ſich von ber Union zu trennen, wenn die übri— gen Provinzen den Stillſtand wirklich ſchlöſſen. Jean— nin fand endlich ein Mittel ſie nachgiebiger zu ma⸗ wen Er erſchien abermahls, in Begleitung zer üb⸗ rigen vermittelnden Geſandten, in der Verſammlung der Generalſtaaten, und ſprach nebſt dem engliſchen Geſandten Spencer ſehr nachdrücklich mit den Depu⸗ tirten von Seeland, und beyde erklärten gemeinſchaft— lich: daß wenn der König von Spanien und der Erz. herzog den von ihren Souveräns vorgeſchlagenen Waf— fenſtillſtand nicht annähmen, ſo wären dieſe bereit den Niederländern mit ihrer ganzen Macht beyzuftehen, ſollte aber die Fortdauer des Kriegs durch die Weige— rung der vereinigten Provinzen veranlaßt werden, ſo würden beyde Monarchen Re allen Beyſtand ent⸗ ziehen. Dieſe Drohung machte mehr Eindruck als alle übrigen Vorſtellungen; denn die Gegner einer fried— lichen Ausgleichung rechneten bey der Fortſetzung des Kriegs vorzüglich auf die Unterſtützung Englands und Frankreichs, welche ihnen die mit dieſen Höfen ge⸗ Q 2 ſchloſſenen Bündniſſe zu verbürgen ſchienen. Die ſee⸗ ländiſchen Deputirten reiſten nach ihrer Provinz, um neue Verhaltungsbefehle einzuhohlen, und viele wur- den jetzt nachgiebiger, welche ſich bisher ‚den Unter⸗ handlungen über einen Waffen am Weißen wi⸗ derſetzt hatten. Zu ihnen gehörte beſonders Prinz, Moriz, Die Abneigung, welche dieſer Prinz gegen einen Defini⸗ tivfrieden zeigte, ſcheint nicht allein die Folge eines reinen Eifers für das Beſte des Staats, gewefen zu ſeyn, weil er zu ſcherſſichtig war um, nicht einzuſe⸗ hen, daß die Republik nach fo langen und gewaltſa⸗ men Erſchütterungen der Ruhe und Erhohlung bedür fe; ſondern wenigſtens zum Theil die Wirkung egoiſti⸗ ſcher Rückſichten. Er beſorgte wahrſcheinlich die Vor⸗ theile und den großen Einfluß, welche er den Waffen zu verdanken hatte, durch den Frieden zu verlieren; und wenn man erwägt, welche große Aufopferungen er und ſeine Familie für die Befreyung der nieder⸗ ländiſchen Provinzen von der ſpaniſchen Herrſchaft ge— macht hatten, fo wird man dieſen Egoit mus minder tadelnswerth finden. Das Beſorgniß, ſeinen bisheri⸗ gen Einfluß als Generalcapitän und Generaladmiral zu verlieren, fand freylich nicht Statt, wenn anſtatt des Friedens ein Waffenſtillſtand geſchloſſen ward, und konnte alſo auch von jeiner Seite kein Hinderniß des- ſelben werden. Aber in dem letzteren Fall trat dann wieder die nicht ungegründete Furcht ein, daß die Niederländer, welche nur der exaltirte Zuſtand, den die Revolution bewirkte, wider ihre eigene Neigung zu. Kuchen gemacht harte, während des Stiliſtandes we 245 .. ; ſich von den Waffen entwöhnen, und in der Folge lie: ber zu Aufopferungen als zur Wiederaufnahme der— ſelben ſich entſchließen würden. In dieſen Anſichten lagen die Motive, welche den Prinzen Moriz ſowohl zum Gegner des Friedens als eines Waffenſtillſtandes machten. Es gelang jedoch Jeannin's Überredungss kraft, feine Abneigung gegen den letzteren, zu befie: gen, indem er ihm wahrſcheinlich zugleich beruhigende Verſicherungen in Rückſicht feines Privatintereſſes gab, auch brachte er eine Verſöhnung zwiſchen dem Prin- zen und Oldenbarneveld zu Staude, welche die Ver— ſchiedenheit ihrer Sy teme über ß und eke h entzweht hatte. EN Als erſt der Prinz für den Waffenſtillſtand ge⸗ wonnen war, hielt es nicht mehr ſchwer, auch den Widerwillen der übrigen Gegner desſelben zu beſiegen. Zu den Provinzen, welche keinen Theil an dem See— handel nahmen, und durch ihre geographiſche Lage den Übeln des Kriegs am meiſten ausgeſetzt waren, wünſch⸗ te man überdieß die Waffen niederlegen zu können, und endlich gab auch Seeland (1608. December) ſeine Beyſtimmung zu dem Waffenſtillſtand. Da nun alle Landſchaften darüber einverſtanden waren: fo vers banden ſich die Generalſtaaten in der Sitzung vom 11. Januar 160g noch einmahl feyerlich, dem In— halte des Beſchluſſes vom 25. December 1607 ges mäß, feſt auf der Anerkennung ihrer Souveränität durch die Höfe von Madrid und Brüſſel zu beſtehen, und nicht zu geſtatren, daß irgend eine den Cultus oder die bürgerliche Verfaſſung betreffende Angelegen— heit, welche das Weſen der Independenz beſchränke, ee 246 men und eben fo wenig neue Friſten wegen der Schifffahrt und Handlung in den abzuſchließenden Waffenſtillſtands⸗ vertrag aufgenommen würden, ſondern wenn der Ge— gentheil ſolches verlangen, und länger als acht Tage auf ſeiner Forderung beſtehen ſollte, die Unterhand— lungen ganz abzubrechen, und die Waffen ault neue zu ergreifen. Dieſer Beſchluß ward den Geſandten der ver⸗ mittelnden Mächte mitgetheilt, mit der Bitte, die Unterhandlungen unter den darin feſtgeſetzten abſolu— ten Bedingungen fortzuſetzen. Nach mancherley Schwierigkeiten hatten die Erzherzoge auch die Ein— willigung des katholiſchen Königs zu dem Waffenſtill— ſtande ausgewirkt, und von beyden Theilen ward die Stadt Antwerpen zur Wiedereröffnung des Congreſſes gewählt; denn die Bothſchafter des madrider und brüſ— ſeler Hofes hielten es der Billigkeit und ihrer Ehre gemäß, daß die Gegner jetzt zu ihnen kämen den Frieden zu ſuchen, ſo wie ſie ſelbſt zuerſt in derſelben Abſicht zu jenen gekommen wären. Am 4. des Hornungs trafen die ſpaniſchen und erzherzoglichen Bothſchafter zu Antwerpen ein, und am 9, folgten ihnen die Miniſter der vermittelnden Mächte dahin. In der erſten Conferenz legten die Die: diatoren den Bothſchaftern einen Entwurf zu dem ab— zuſchließenden Waffenſtillſtan dsvertrage vor, welchen die Generalſtaaten bereits genehmigt hatten. Bey der Beurtheilung desſelben, fanden die ſpaniſchen Both⸗ ſchafter das den Generalſtaaten beygelegte Prädicat, „Hochmögende Herren“ (Hauts et puissans Seig- neurs) anſtößig, und es ward in „Erlauchte Her⸗ wos 2 47 reer ren“ (Seigneurs IIlustres) verwandelt. Von die⸗ ſem die Etikette betreffenden Punct ging man zu we— ſentlicheren Gegenſtänden über. Der erſte betraf die katholiſche Religion, deren freye Übung in den ver— einigten Provinzen von dem madrider Hofe verlangt, von den Generalſtaaten aber durchaus verweigert ward. Die ſpaniſchen Bothſchafter zeigten jetzt weniger Un⸗ biegſamkeit in Abſicht dieſes Puncts als in den haa— ger Conferenzen; denn der erzherzogliche Beichtvater, Fra Inigo de Brizuella, hatte den ſpaniſchen Monar— chen und ſeinen Miniſter durch die Bemerkung zur Nachgiebigkeit herab zu ſtimmen gewußt: daß wenn man ſpaniſcher Seits auf die Glaubensfreyheit der Katholiken in den bereinigten Provinzen durchaus be— ſtehen wolle, man ſolche auch den Proteſtanten in den erzherzoglichen Provinzen werde bewilligen müſſen, und daß dieſe gegenſeitige Toleranz weit nachtheiligere Folgen für den Katholicismus haben werde, als die Weigerung der Generalſtaaten. Man kam überein, daß aus Schonung für den ſpaniſchen Hof in der Waffenſtillſtandsacte dieſes Gegenſtandes gar nicht ge— dacht werden ſollte; und die Generalſtaaten verſpra— chen, daß ſie in den der Republik unterworfenen bras bantiſchen Plätzen, die Ausübung des katholiſchen Cul— tus ungeſtört bey feiner gegenwärtigen Verfaſſung laſ— ſen wollten. Der päpſtliche Nuntius Guy Bentivog— lio, der ſich ſchon ſeit dem Auguſt 1607 zu Brüſſel befand, ein Mann von großen Kenntniſſen, und Ver⸗ faſſer eines ſchätzbaren Werks über die haager und antwerper Unterhandlungen, hatte die gemeſſenſten Inſtructionen von Rom, die katholiſche Religion , 248 ns durchaus in Vortheil zu ſetzen, aber ſeine Bemühun⸗ gen, für ſeine Glaubensgenoſſen günſtigere Bedingun⸗ gen zu erhalten, waren fruchtlos; die Generalſtaaten blieben unbeweglich in Rückſicht dieſes Puncts, nicht aus Intoleranz, ſondern aus den ſchon oben ange— führten politiſchen Gründen. j Die meiften Debatten veranlaßte abermahls der indiſche Handel. Der König von Spanien bewilligte zwar: daß den Niederländern die Fortführung dieſes Handels während des Waffenſtillſtandes, deſſen Dauer man vorläufig auf zwölf Jahre feſtſetzte, verſtattet ſeyn ſollte, aber er hielt es der Ehre ſeiner Krone nach⸗ theilig, wenn dieſes in dem Tractat beſtimmt und deutlich bemerkt werde. Er verlangte deßhalb, daß darin des Handels nur im Allgemeinen Erwähnung ge— ſchehen, und nicht einmahl das Wort „Indien“ ger nannt werden ſollte. Um den Willen des Königs zu erfüllen, mußten Jeannin und Richordot dieſen Arti⸗ kel in dem Waffenſtillſtandsinſtrumente in ſo dunkeln und weitſchweifigen Ausdrücken und Phraſen abfaſſen, daß er durchaus unverſtäͤndlich war. Die Generalſtaa— ten verwarfen ihn aus dieſem Grunde, und verlang— ten eine klare und beſtimmte Darſtellun ig; und ſchon iſt es nabe daran, daß die Unterhandlung an dieſer gefährlichen Klippe zum zweyten Mahl untergeht, als man glücklicher Weiſe noch einen Ausweg findet, der beyde Theile befriedigt. Es wird verglichen, daß die Mediatoren eine eigene geheime Acte ausſtellen ſollen, worin ſie im Nahmen ihrer Souveräns für die Frey— heit des indiſchen Handels der vereinigten Provinzen die Garantie leiſten. vous 249 rere: Endlich kam noch ein Gegenſtand zur Sprache, der ebenfalls durch eine geheime Negotiation abgemacht ward, ohne daß ſeiner in dem Waffenſtillſtandsinſtru⸗ mente Erwähnung geſchah. Die Provinzen Brabant und Flandern waren nähmlich zur Zeit des genter Frie- densvereins dem Prinzen Wilhelm von Oranien große Summen ſchuldig geworden, deren Wiederbezahlung jetzt die Nachkommen desſelben forderten. Die Schuld ward mit Einſtimmung aller Theile auf 800000 Gul⸗ den feſtgeſetzt, und die erzberzoglichen Bevellmächtig⸗ ten unterzeichneten eine Aete, worin den Erben, Wil⸗ helms von Oranien die Zurückzahlung dieſer Summe verſichert ward, welche auch in der Folge aui me den iſt. ˖ . Nach der vorläufigen Berichtigung aller dieſer inc ſandten die Generalſtaaten ihre Bevollmaͤch⸗ tigten ebenfalls (25. März) nach Antwerpen, zur Re⸗ aulierung der noch übrigen minder wichtigen Gegen: ſtände. Sie ſelbſt begaben ſich nach Bergenopzoom, um dem Schauplatz der Unterhandlungen näher zu ſeyn; und da ſie die Acte, welche jetzt abgeſchloſſen werben ſollte, für die wichtigſte ſeit Kaiſer Carl des Fünf: ten Zeiten hielten, weil ſie eine öffentliche Ratifica⸗ tion des utrechter Bundesvereins und der Souperä— nität und Selbſtſtaͤndigkeit des Staats war, fo hats ten ſie eine Menge Deputirte aus den Provinzen zu ihrer Verſammlung berufen, welche außerordentlich zapl. reich war. Der Congreß zu ee hielt feine: Sitzun— gen auf dem e Rathhauſe, und hier reifte end— lich die ſpäte Frucht einer deittehalbjährigen mühſamen wen. 250 mm . Unterhandlung. Am g. April ward die Urkunde über den abgeſchloſſenen zwölfjährigen Waffenſtillſtand aus⸗ gefertigt, und unterſchrieben. Sie beſtand aus acht und dreyßig Artikeln, wovon der erſte wörtlich alſo lautete: Erſtlich erklären Ihre hochfürſtlichen Durch— lauchten die Erzherzoge, ſowohl in Ihrem als Sr. kö— niglichen Majeſtät in Spanien Nahmen, daß ſie ge— ruhen und bewilligen, mit den Herren Generalſtaaten der vereinigten Niederlande in Form und Geſtalt als mit freyen Provinzen, Landſchaften und Ständen, an welchen ſie keinen Anſpruch haben, zu unterhandeln, wie fie denn in dieſer Geſtalt mit ihnen in der gegen— wärtigen Unterhandlung einen zwölfjährigen Stillſtand zu Waſſer und zu Lande gemacht, und getroffen has ben, unter nachfolgenden Bedingungen und Artikeln: Und zwar iſt dieſer Stillſtand geſchloſſen auf den Grund des gegenwärtigen Beſitzſtandes beyder paciscirenden Theile, ſo daß folglich die vereinigten Provinzen ei— nen Theil von Brabant und Flandern und die Erzher— 4 zoge Lingen, Grol und einige Plätze in Oberyſſel bes halten. | Der vierte und zwölfte Artikel betreffen den Hans del. Nach dem Inhalt derſelben wird den beyderſeiti— gen Einwohnern und Unterthanen die Freyheit ertheilt, unter einander zu Waſſer und zu Lande Handel zu treiben, welche jedoch von Seiten des Königs von Spa— nien folgender Geſtalt näher beſtimmt wird: daß die Niederländer nur in feinen europäiſchen Staaten und in den übrigen Meeren und Ländern, wo den Unter— thanen anderer dem Könige befreundeter oder allür— ter Staaten ein freyes Commerz verſtattet iſt, Han⸗ r 251 rum del treiben können. Nach den Gegenden und, Plägen aber, welche außer den Grenzen dieſer Länder liegen, können fie ohne ausdrückliche königliche Erlaubniß nicht handeln, welches ihnen jedoch nach den Ländern und Staaten anderer Fürſten erlaubt ſeyn ſoll, ohne von dem Könige und ſeinen Beamten daran gehindert zu werden. Welcher unnütze Aufwand von Worten, wel— che lächerliche Affectation und Unverſtändlichkeit, um nur das nicht zu ſagen, was man doch zu thun ges zwungen iſt, nähmlich den Niederländern den indiſchen Handel zu verſtatten! Im fünften Artikel wird feſtgeſetzt, daß in Rück. ſicht der großen Entfernung für die in fremden Welt— gegenden befindlichen Schiffe, der Waffenſtillſtand erſt von heut an über ein Jahr in Kraft geſetzt werden ſoll; doch da, wo man die Nachricht von dem Abſchluß desſelben früher haben kann, die Feindſeligkeiten auch ſogleich aufbören ſollen. Aller nach Jahrsfriſt gegen— ſeitig zugefügter Schade ſoll vergütigt werden. Die beyderſeitigen Einwohner dürfen nicht ges zwungen werden, in den Ländern des andern höhere Abgaben und Zölle zu entrichten, als die eigenen, oder die der befreundeten Mächte. Unter keinem Vorwan⸗ de ſollen die Schiffer und Kaufleute, ihre Fahrzeuge und Waaren angehalten werden, als nur wegen per⸗ ſönlicher Schulden. Die während des Kriegs confis— cirten Güter ſollen ihren vorigen Befigern zurück ger geben werden, und unter dieſen auch die burgundi— ſchen Salzwerke und Waldungen an die Erben des Prinzen von Oranien, und ſollen dieſe Domänen ſelbſt wegen der von dem verſtorbenen Prinzen nach dem Jahre 156) gemachten dee Lu in e sr | nommen werden. 130 1 Alle behderſeidthengtiegegefauzenen werden ohne 05 ſegeld in Freyheit geſetzt. Die in den vereinigten Pro— vinzen gelegenen, und vor dem 1. Januar 1567 nicht verkauften geiſtlichen Güter, welche Kirchen und Stif: tungen im Gebiethe der Erzherzoge angehören, ſollen während des Stillſtands zum Genuſſe zurück gegeben von den verkauften aber, die Zinſen zu einem Pfennig von ſechszehn bezahlt werden. Diejenigen Perſonen, welche während des Kriegs ihr Vaterland verlaſſen, und ſich nach neutralen Orten und Gegenden zurück ge- zogen haben, follen ſich gleichfalls der Vortheile dieſes Vertrags zu erfreuen hoben. Sie können zurück kehren und ſich niederlaſſen wo ſie wollen, ohne daß ihnen ihrer Auswanderung wegen ihr Vermögen zurück ges halten werden darf. Die Zeit des Kriegs ſeit 1567 ſoll nicht gerechnet werden, eine Verjährung zwiſchen denen zu bewirken, die von einer Partey zur andern übergetreten ſind. Enterbungen durch Krieg und Par: teyhaß veranlaßt, follen unkraftig ſeyn. Wahrend des Waffe aſtillſtandes darf keine Fer ſtung in den Niederlanden angelegt werden. Sollten die Bedingungen des I verletzt wer⸗ den, ſo verpflichten ſich beyde Theile dafür Vergütung zu leiſten, wozu der König 5 die Erzherzoge auch ihre Nachfolger verbindlich machen wollen. Der gegenwärtige Vertrag ſoll von den Erzher— zogen und den Generalſtaaten binnen vier Tagen ra— tifieirt, und die Matification des Koͤnigs von Spanien binnen drey Monathen herbeygeſchafft werden. A | 255 ner Dieſes iſt der Hauptinhalt dieſer merkwürdigen Acte, durch welche die Freyheit und Souveränität der vereinigten niederländiſchen Provinzen von ihren hef⸗ tigſten Feinden ſelbſt öffentlich anerkannt ward. Sie ward, unter großen Feyerlichkeiten und bey offenen Thü⸗ ren verleſen. Darauf erfolgte die Unterſchrift des Do⸗ cuments durch die Mitglieder des Congreſſes. Zuerſt unterſchrieben die vier franzöſiſchen und eugliſchen Mi⸗ niſter: Peter Jeannin, Elias de la Place, Richard Spencer und Rudolph Winwood, in einer Reihe; dann folgten in einer Columne zur Oiechten die fünf ſpaniſchen und erzherzoglichen Bothſchafter, Ambroſio Spinola, Johannn Richardot, Jugn de Mancieidor, Friedrich Johann Neyen und Luwig Verreyken, und endlich zur Linken die neun niederländiſchen Deputir⸗ ten, Wilhelm Ludwig Graf von Naſſau, Walrape von Brederode, Cornelis van Gent, Jan van Oldenbar⸗ neveld , Jacob de Maldere, Gepärt de Reneſſe, Doc: tor Gellius Hillama, Jan Sloth und Abel Conders van Helpen. Nach geſchehener Unterſchrift ward die Urs kunde ſogleich durch Eilbothen nach Brüſſel und Ber⸗ genopzoom geſandt, um von den Erzherzogen d den Generalſtaaten ratificirt zu werden. el nad Außer dieſer zur allgemeinen Publigtienepbrach⸗ ten, Hauptacte, wurden noch perſchiedene geheime Se⸗ paratinſtrumente ausgeſtellt. Die ſpaniſchen und erz⸗ herzoglichen. Bothſchafter ertheilten einen Revers, wor⸗ in fie. im Nahmen ihrer Souperäns verſprachen, daß der Handel der Generalſtaaten und ihrer Unterthanen, welchen ſie nach den Ländern der oſtindiſchen Völker und Fürſten mit deren Erlaubniß treiben würden, wäh⸗ tend des Waffenftillftandes weder zu Lande noch zu Waſſer geftört werden ſolle. Ferner ſtellten die Ge: ſandten der vermittelnden Machte eine Verſicherung aus, daß zu Folge der zwiſchen den Botbſchaftern des Königs von Spanien und den Bevollmächtigten der Generalſtaaten getroffenen Verabredungen, alle Be— ſitzungen der niederländiſchen Union in Brabant und Flandern, auch das Markiſat Bergenopzoom und die Baronien Breda und Grave, den Generalſtaaten mit unbeſchränkter Oberherrſchaft verbleiben, daß die Gene: ralſtaaten und deren Unterthanen in den indiſchen Häs fen und Plätzen des Königs eben fo wenig als die kö— niglichen Unterthanen in denen, welche die Generaf- ſtaaten in Indien beſäßen, ohne beſondere Erlaubniß des einen oder des andern Theils Handel treiben foll- ten; und endlich, daß die Bevollmächtigten der Gene⸗ ralſtaaten in ihrer und der erzherzoglichen Bothſchafter Gegenwart verſchiedentlich geäußert hätten, daß wenn man die Freunde und Bundesgenoſſen der Niederlän⸗ der in Indien angreife, ſie ſich für berechtigt halten würden, ihnen Beyſtand zu leiſten, ohne daß ſolches für eine Verletzung des . Ren wer⸗ den ſollte. 1 %, Endlich bezeugten in einer beſondern Acte die franzöfifchen Geſandten, daß die Generalſtaaten und Prinz Moriz ihnen die Verſicherung gegeben hätten, den katholiſchen Cultus in den unter ihrer Herrſchaft ſtehenden brabantiſchen Dörfern nicht zu ſtören oder zu beſchränken, ohne daß jedoch dem Erzbiſchof von Ant⸗ werpen die Ausübung irgend einer den Geſetzen und der Verfaſſung des Staats widerſprechenden Gerichtsbarkeit “ in den gedachten Plätzen verſtattet, oder irgend einem andern Geiſtlichen erlaubt ſeyn ſolle, eine Glaubens⸗ unterſuchung anzuſtellen, oder die Einwohner zur Ans nahme der katholiſchen Religion zu zwingen. | Am ı4ten Aprill kamen von Brüſſel und Ber⸗ genopzoom die Ratificationen an, und noch an dem— ſelben Tage ward den Antwervern der Abſchluß des zwöifjährigen Waffenfriedens unter Pauken‘ und Trom⸗ petenſchall, unter dem Läuten aller Glocken und dem Donner des Geſchützes bekannt gemacht. Die Nach⸗ richt von dieſer wichtigen Begebenheit verbreitete ſich in einem Augenblick durch alle nieverlandifhe Pros vinzen. In den erzherzoglichen Landſchaften war der Jubel darüber allgemein, denn alle Stimmen, alle Wünſche vereinigten ſich hier für das Ende des Kriegs. In allen Städten ſah man glänzende Feſtlichkeiten und feyerliche Gottesverehrungen. Etwas weniger enthu— ſiaſtiſch war die Freude in den vereinigten Provinzen; indeß ward auch dort der geſchloſſene Waffenfriede durch ein allgemeines Dankfeſt, durch Freudenfeuer und andere Luſtbarkeiten gefeyert, und die General⸗ ſtaaten ließen zur Verewigung des großen Acts der Verſöhnung verſchiedene Denkmünzen prägen, und an- die Mitglieder des Congreſſes vertheilen. Die Geſandten der vermittelnden Mächte leiftes ten die Gewähr über den geſchloſſenen Waffenfrie— den, und dem darüber ausgefertigten Inſtrumente wurden die Documente über die zwiſchen den gedach— ten Mächten und den Generalſtaaten geſchloſſenen Al⸗ lianztractaten beygefügt. Jeannin, der ſich ſo große Verdienſte um die Unterhandlung erworben, und der 0 nern 256 un allein durch feine eifrigen und unermüdeten Bemü⸗ hungen ſie zu dem glücklichen Ziele geleitet hatte empfing ein Geſchenk von großem Werthe von den Ge— neralſtaaten, welche auch (1699, 22. Juny) ein Dank⸗ ſagungsſchreiben an den König von Frankreich erließen. Prinz Moriz, welcher durch den Waffenfrieden anfehns. liche Verluſte gan feinen Einnahmen erlitt, ward durch die dringenden Permittlungen Jeannin's, der ihn für das franzöſiſche Intereſſe zu gewinnen ſuchte, dadurch entſchädigt, daß ihm die Generalſtaaten ſeinen vollen jährlichen Gehalt von 80000 Gulden ließen, ihm eine, gleiche jaͤhrliche Summe zur Entſchͤdigung ausſetzten, und noch überdieß eine Rente von 25000 Gulden jähr— lich verlieben. Die Gehalte der Grafen Heinrich Fried— rich und Wilhelm Ludwig von Naſſau wurden auf 30000 und 50000 Gulden, und die Penſion der verwittweten Prinzeſſinn von Oranien, welche ſich durch ihre Klug⸗ beit und liebenswürdigen Eigenſchaften die ollgemeine Achtung der Niederländer erworben hatte, ward auf, 25000 Gulden; erhöht. So bewieſen die vereinigten, Provinzen dem Hauſe Naſſau ihre Dankbarkeit für die ihnen geleiſteten großen Dienſte.— irn Endlich nachdem die beſtimmten u Monathe bereits verfloſſen waren, brachte der Audienzier Ver— reyken von Brüſſel die von dem ſpaniſchen Monarchen ertheilte Ratification des Waffenfriedens (July) nach dem Haag, und machte dadurch der Unruhe der Ge— neralſtaaten ein Ende, welche bey dem langen Aus— bleiben derſelben bereits neuen Verdacht gegen die Treue des madrider Cabinets geſchöpft hatten. Durch dieſe merkwürdige, in ſpaniſcher Sprache abgefaßte und . 2 37 9 und zu Segovia unterm 6. des Brachmonaths 1609 ausgefertigte diplomatiſche Urkunde genehmigte der Kö— nig von Spanien alles, was die Erzherzoge in ſeinem und ihrem Nahmen in Abſicht des Waffenfriedens mit den Generalſtaaten der vereinigten niederländiſchen Pro- vinzen abgeſchoſſen hatten, verfprac die verglichenen Bedingungen während der Dauer desſelben zu halten, und empfahl den Generalſtaaten eine ſchonende Be⸗ handlung der in den vereinigten Prorinzen wohnenden Katholiken. 85 g So ward ein vierzigjähriger, verheerender, mit der höchſten Wuth und Erbitterung geführter Krieg nicht etwa durch einen für Jahrhunderte geſchloſſenen Frieden geendigt, ſondern nur durch einen zwölfjäh⸗ rigen Waffenſtillſtand unterbrochen. Ein hiſtoriſches Phänomen von der ſonderbarſten Art! Man legt das Schwert nur nieder, um es in der Folge wieder auf⸗ zunehmen, und wählt eine momentane Ruhe, um mit geſtärkter Kraft den Kampf zu erneuern. Aber die Re⸗ volutien iſt jetzt geendigt; der entſcheidende Moment, in welchem der Beherrſcher Spaniens die Freyheit und Unabhängigkeit ſeiner ehemahligen Unterthanen anerkannte und ſeinen Rechten auf ſie feyerlich ent⸗ ſagte, hat ſie vollendet; denn mit ihm hat die Na⸗ tion das große Ziel errungen, wohin fie mit beyſpiel. loſer Standhaftigkeit und unter den größten Aufopfe⸗ rungen ſtrebte, ſie hat die theuerſten Güter eines ed⸗ len hochherzigen Volks, Freyheit und Selbſtſtändig⸗ keit, erkauft. Mit Erſtaunen ſehen die Zeitgenoſſen den nicht geahndeten Ausgang dieſer großen Bege⸗ benheit, die um fo mehr den Charakter der Eigen⸗ Sxggilers Wiederl. 3. Do. 5 Ma „ 258 mm thümlichkeit und des Außerordentlichen tragt, da un ter allen den Männern, welche ſie ausführten, wie achtungswerth ſie auch immer ſeyn mogen, nicht Ein großer, umfaſſender und genialiſcher Kopf hervorſtrahlt, wenn wir jenen unſterblichen Wilhelm von Oranien ausnehmen, in deſſen Geiſte die Idee dazu empfan⸗ gen ward. Wer hätte geglaubt, daß die Nachkommen jener aus ihrem blutenden und mißhandelten Vaterlande verſtoßenen Flüchtlinge, — denen keine Zuflucht übrig. blieb, als das Meer und eine Anzahl kleiner Bothe, die unter dem gefürchteten und verhaßten Nahmen der Meergeuſen das Schrecken des friedlichen Seefah— rers wurden, weil fie ſich durch Raub vor dem Hun— gertode ſchützen mußten, und endlich, von Verzweif— lung getrieben, ein armſeliges Städtchen auf einer unbebsuten und unwirthbaren Inſel am Ausfluſſe der Maas überfallen, und dort den erſten Fuß wieder auf den mütterlichen Boden ſetzen, — daß die Nach⸗ kommen dieſer Männer, welche zuerſt dem Tyrannen. des Vaterlandes einen unverſöhnlichen Krieg ankündi— gen, nach einem vierzigjährigen Kampfe mit der erſten Macht der Erde, als ein freyes und unabhängiges Volk, im Beſitze eines unermeßlichen Handels, von allen cultivirten Nationen bewundert, und ſelbſt von den entfernteſten Völkern fremder Welttheile genannt und gefürchtet, in der Reihe der europäiſchen Mächte daſtehen würden! Dieß war das Entſtehen und die Gründung der Republik der vereinigten Niederlande. Faſt zwey Jahre hunderte blühete ſeitdem dieſer merkwürdige Staat, bis der ewige Wechſel der Dinge, und der immerſchaf— rue 259 en fende und immerzerſtörende Weltgeiſt auch feine For⸗ men zertrümmerte. Die Republik iſt untergegangen im Strome der Zeiten, und die Nation, deren kühne Schöpfung ſie war, hatte die Epoche ihrer ehemah⸗ ligen Größe überlebt; aber der Ruhm, welchen ſie in jener großen und unvergeßlichen Fehde errang, wird ihr unzerſtörbares Eigenthum bleiben, was auch das Verhängniß noch über ſie beſchloſſen haben mag. Ende Freren Wien 7 gedruckt bey Anton Strauß. 6 % Me ak 650 ien. en R 13 eV E N e 7 1 8 e 18 0 — nne f ER EEE g 2 3 N f f * \ Ä . . * * | 4 inn 21 ad nd 0 N . 9 2 2 4 — a re x — — * * = * K 4 N) Kuh, } A = ö a er 2 { IR q * . , 3 1 1 2 . . \ 1 * \ \ > ‘ u; L+ 2 ” e As 1 1 >. * * vs 1m 11 1 N Ne 4 “ = A _ ’ Ar 2 48 Dame > 8 A 0 = 39153020489771 8 RN ah A An ee TREE in